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Gender Pay Gap in der IT-BrancheWissen, was der Kollege verdient

Die IT-Firma „Tutao“ will ein transparentes Gehaltsmodell einführen, um die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen.

Der unbereinigte Gender Pay Gap in IT-Berufen liegt bei 7 Prozent, der angepasste bei 9 Prozent Foto: Britta Pedersen/dpa

Hamburg taz | Die Frage, wie viel die Arbeitskollegen eigentlich verdienen, treibt Beschäftigte in allen Branchen um. Aber nicht nur aus Neugier. Denn: Mangelnde Transparenz ist ein Grund für ungleiche Löhne. Die hannoversche IT-Firma „Tutao“, die den Mail-Service „Tutanota“ anbietet, hat nun ein transparentes Gehaltsmodell eingeführt. Ihr selbstgestecktes Ziel: Lohngerechtigkeit schaffen, um „den Gender Pay Gap zu schließen“. Ob transparente Gehälter ausreichen?

Durch die Digitalisierung werden IT-Berufe zunehmend wichtiger, immer mehr Menschen arbeiten in dem Bereich – zu einem sehr großen Teil Männer. Der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap in IT-Berufen liegt bei sieben Prozent, der angepasste bei neun Prozent. Die unbereinigte Lohnlücke vergleicht das durchschnittliche Einkommen aller Beschäftigten. Der angepasste Gender Pay Gap misst den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern im gleichen Alter mit vergleichbarer Tätigkeit, Arbeitszeit, Ausbildung und Erfahrung.

Transparente Gehälter findet man in der Regel dort, wo es Haustarif- oder Branchenverträge gibt. Laut der Verdienststrukturerhebung 2014 arbeiteten 64 Prozent aller Beschäftigten in IT-Berufen jedoch ohne Tarifvertrag. Transparente Löhne sind in der Digitalbranche also kein Standard. Gehälter müssen zudem fast immer individuell verhandelt werden.

Studien zeigen, dass Frauen oft niedrigere Löhne verhandeln als Männer. Wenn Löhne nicht transparent einsehbar seien, habe das einen Einfluss bei Gehaltsverhandlungen, sagt auch Aline Zucco von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Es sei allerdings schwer, diesen Effekt genau zu beziffern. Zucco forscht unter anderem zum Gender Pay Gap in IT-Berufen.

Grundgehalt, Loyalitätsbonus und Erfahrungsgehalt

„Fest steht: In Betrieben, in denen nach Tarifvertrag bezahlt wird, wo Löhne also nicht individuell verhandelt werden müssen, gibt es innerhalb der jeweiligen beruflichen Positionen kaum Gender Pay Gaps“, so Zucco. Sie befürwortet, dass Gehälter offengelegt werden, um Lohnunterschiede zu verringern.

„Allerdings ist es für Beschäftigte wichtig zu wissen, was alle verdienen – auch die am oberen Ende der Einkommensverteilung. Also nicht nur das Median­einkommen zu kennen, wie es das Entgelttransparenzgesetz vorschreibt“, sagt Zucco. Das Median­einkommen misst das Einkommen, das sich genau in der Mitte der nach Größe sortierten Einkommen befindet. Es verrät nicht, wie überdurchschnittlich hoch das Einkommen mancher Kol­le­g:in­nen ist.

Nach dem 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz können Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitskräften erfragen, was Kol­le­g:in­nen des anderen Geschlechts in gleichwertiger Tätigkeit brutto im Monat verdienen. Vorausgesetzt, es gibt mindestens sechs Kol­le­g:in­nen im Unternehmen, deren Arbeit vergleichbar ist.

„Tutao“ hat jetzt drei Kriterien vorgestellt, die das Gehalt bestimmen sollen: das marktübliche Grundgehalt, ein Loyalitätsbonus, der die Jahre im Unternehmen belohnt – und ein Erfahrungsgehalt. Letzteres ist wohl der interessanteste Punkt. Das Erfahrungsgehalt soll nämlich „sowohl den Abschluss als auch die Berufserfahrung“ berücksichtigen. Das Besondere: Die Jahre der Berufserfahrung sollen auch dann als volle Jahre zählen, wenn die Person in Teilzeit gearbeitet hat oder in Elternzeit war.

Frauen leisten insgesamt mehr Sorgearbeit

Das ist wichtig, da Teilzeitarbeit ein Phänomen ist, das Frauen besonders betrifft. Im Bundesdurchschnitt arbeitet etwa jede zweite Frau und jeder zehnte Mann in Teilzeit. In den IT-Berufen ist der Anteil etwas geringer: 2014 haben 32 Prozent der Frauen und 8 Prozent der Männer in Teilzeit gearbeitet. Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit außerdem häufiger und länger als Männer, um Elternzeit zu nehmen.

Frauen leisten insgesamt mehr Sorgearbeit als Männer – und das kostet Zeit. All diese Zeit fehlt Frauen, um die notwendigen Jahre an Erfahrung zu sammeln, die sie für einen Aufstieg vorweisen müssen. Führungspositionen werden selten mit Teilzeitkräften besetzt. Teilzeit und Elternzeit „schaden“ dementsprechend vorwiegend weiblichen Karrieren. All das spiegelt sich auch in Zahlen wider: Der Gender Pay Gap in IT-Berufen steigt mit dem Alter stark an.

Zucco findet, dass es vordergründig nicht schlecht klinge, wenn „Tutao“ Teil- und Elternzeit im Erfahrungsgehalt berücksichtigen will. „Insbesondere, um Männer zu ermutigen, ihren Erwerbsumfang zu reduzieren und länger in Elternzeit zu gehen.“ Für sie schließen sich bei der Bewertung des transparenten Gehaltsmodells zwei wichtige Fragen an: Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand in Teilzeit auch Aufstiegschancen hat? Und: Wie spiegelt sich der Aufstieg dann im Gehalt wider?

Transparente Gehälter können nur ein erster Schritt sein, um den Gender Pay Gap zu reduzieren, denn die Ursachen für die Lohnlücke sind vielschichtig. „Tutao“ leistet mit der Transparenz trotzdem einen nennenswerten Beitrag. Denn die Zahlen zeigen: Je kleiner der Betrieb, desto größer ist normalerweise der Gender Pay Gap in IT-Berufen. Bei „Tutao“ arbeiten gerade mal 14 Menschen.

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