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Ukrainekrieg und Premier LeagueBye und Doswidanja

Roman Abramowitsch, Oligarch und Besitzer des FC Chelsea, will den Fußballklub verkaufen. Der Erlös soll an Opfer des Krieges gehen.

Roman Abramowitsch (rechts) freute sich 2012 über Chelseas Champions-League-Gewinn Foto: Dunham/ap

Erst wollte er den Klub nur in Verwahrung des Vorstands geben, doch seit Mittwochabend ist klar, der Besitzer des Londoner Fußballvereins Chelsea FC, Roman Abramowitsch, wird den Westlondoner Premier-League-Klub verkaufen. Dabei will der russische Oligarch sogar auf die Rückzahlung von umgerechnet 1,8 Mrd Euro verzichten, die er dem von dem deutschen Trainer Thomas Tuchel betreuten Klub geliehen hat. Jeglicher Gewinn soll an die Opfer des Krieges in der Ukraine gehen, teilte Abramowitsch mit. Nur ein letztes Mal wolle er noch zu einem Spiel des Klubs kommen.

19 Jahre lang war der Klub an der Stamford Bridge sein Eigentum. Der 55-Jährige, der die russische, israelische und portugiesische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte den Verein 2003 für umgerechnet 170 Millionen Euro gekauft. Verhandlungsbasis zum Verkauf soll die Summe von umgerechnet 4,3 Milliarden Euro sein. Zu den möglichen Käufern Chelseas könnte der Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss zählen.

Es sei „das Privileg meines Lebens gewesen“, diesen Klub zu besitzen, sagt Abramowitsch nun. Mit seinem Geld wurde Chelsea zum erfolgreichsten englischen Fußballklub seit 2003: zweimal Champions League, ein Mal Fifa-Klub-WM, zweimal Europa League, fünfmal Englischer Meister, dreimal Ligapokal.

Doch spätestens mit Beginn des Ukraine-Kriegs geriet Abramowitsch wegen seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Kritik. Da dem Oligarchen Sanktionen drohen, will er nun verkaufen: Sein Gesamtbesitz beträgt geschätzte 13 Milliarden Euro. Außer Chelsea FC will er auch sein Haus in 16 Kensington Gardens, eine der teuersten Immobilien Londons, losschlagen.

Abramowitschs Probleme in Großbritannien begannen 2018 nach dem Giftanschlag auf den früheren KGB-Agenten Skripal und dessen Tochter. Daraufhin wurde Abramowitsch von den Behörden seine britische Arbeitserlaubnis entzogen. Um sich dennoch so oft wie möglich in Großbritannien aufhalten zu können, hatte Abramowitsch die portugiesische Staatsbürgerschaft erlangt.

Das gute Image

Abramowitsch hatte sich bei Chelsea einen keineswegs schlechten Ruf erworben

Am Montag will die britische Regierung im Schnellverfahren ein Gesetz verabschieden, das zu mehr Transparenz beim Besitz von Immobilen führen soll. Über 200 Einzelpersonen, darunter viele Olig­ar­chen, stehen auf einer Liste, gegen die die Regierung vorgehen möchte. Im vergangenen Dezember konnte Abramowitsch noch ein Urteil zu seinen Gunsten erwirken. In einem Buch war geschrieben worden, dass Abramowitsch Chelsea auf Putins Wunsch gekauft habe. Diese Behauptung in dem Buch „Putin’s People“ der Journalistin Catherine Belton sei falsch, urteilte die Richterin. Außerdem falsch sei die Behauptung, dass Abramowitsch die russische Ölfirma Sibneft gemeinsam mit seinem russischen Konkurrenten Boris Beresowski gehört habe. Beresowski starb 2013 in seiner Wohnung in England, die Ursache ist weiterhin ungeklärt, seine Tochter vermutet Mord.

Abramowitschs Klage gegen Belton und ihren Verlag wurde von Kritikern in die Kategorie Slapp eingeordnet, „Strategic Lawsuits against Public Participation“, kurz gesagt: juristische Einschüchterungsversuche. Belton sagte nun, das vergangene Jahr habe sich für sie wie ein Zermürbungskrieg angefühlt; außer von Abramowitsch war sie zur gleichen Zeit noch vom russischen Ölgiganten Rosneft und drei weiteren Oligarchen verklagt worden. Allerdings heißt es im Urteil, dass drei von vier Aussagen Beltons über Rosneft nicht falsch seien.

Roman Abramowitsch hatte sich in der Zeit bei Chelsea einen keineswegs schlechten Ruf erworben: Er finanzierte unter anderem Initiativen des ehedem für seinen rechtsradikalen Anhang verschrienen Klubs zur Bekämpfung von Antisemitismus im Fußball. Zudem gab er große Spenden – laut israelischen Zeitungen waren es über 10 Millionen Euro – an die Holocaustgedenkstätte Yad ­Vashem in Israel. Solche Maßnahmen führten dazu, dass der Leiter der Gedenkstätte und der orthodoxe Oberrabbiner Israels in einem offenen Brief darum baten, dass bei den anstehenden Verfahren gegen Oligarchen bitte Abramowitsch ausgespart werden solle.

Auch die Chelsea-Fans sind überwiegend betrübt über den Abgang. Auf einer Facebook-Fanseite wurde die Nachricht mit heulenden Emojis und häufigem „Thank you“ bedauert. Bei dem FA-Cup-Achtelfinal-Sieg Chelseas bei Luton Town am Mittwoch skandierten Ultras voller Inbrunst den Namen des Milliardärs. Die Gegner konterten mit „Ihr seid morgen verkauft“.

Etwas eindeutiger als die Haltung von Roman Abramowitsch ist die seiner Tochter, Sofia Abramowitsch. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine positionierte sich die 27-Jährige auf Instagram eindeutig gegen Putin.

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5 Kommentare

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  • Chelsea scheint bei dieser Wertentwicklung deutlich mehr zu sein als ein reines Prestigeobjekt.

  • 0.17 zu 4,3 Mrd., scheint ein gutes Geschäft zu sein, der engl. Profifußball.

  • Nun ja Chelsea war immer ein reines Prestigeobjekt, heute auch noch. Und wenn das Geld an die Angehörigen der russischen Soldaten geht die verstorben oder verkrüppelt worden sind geht, okay. Das davon wirklich was in die Ukraine fließt, da habe ich bei einer Person die zumindest dem erweiterten Zirkel Putins zuzurechnen ist meine Zweifel.

  • Ich sehe wenig oder eigentlich sogar nichts, was man Abramowitsch vorwerfen könnte - außer seinem Reichtum. Aber er scheint mit dem Geld eher positiv gewirkt zu haben....

    Der mittlere Teil zeigt auch das Risiko, Klagen vorschnell unter SLAP einzusortieren. Eine SLAP-Klage kann man kaum gewinnen, sie dient ja gerade der Einschüchterung, damit wahre Behauptungen trotzdem nicht mehr verbreitet werden, aus Angst vor hohen Forderungen. Hier scheint es aber um falsche Behauptungen zu gehen, so jedenfalls das Urteil. Gegen die wird man wohl noch klagen dürfen.....

    • @Dr. McSchreck:

      Kommt vmtl. darauf an, was man unter "Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin" versteht, ob man ihm "wenig oder eigentlich sogar nichts, ... vorwerfen könnte".