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Politik aus Sicht eines FußballsDie Welt ist eine Kugel

Die Gefühle von Fußbällen werden oft ignoriert. Ein Ball erzählt jetzt endlich über sein Leben, den Spieltag und den Ukraine-Krieg.

Das waren noch Fußbälle von Weltformat: die Bälle zur Männer-WM 2006 Foto: Herbert Knosowski/ap

N a endlich“, dachte der rot-blau-weiße Ball, als der Schiedsrichter ihn hochhob. Natürlich hatte er sich mehr von seinem Leben erhofft, damals, als er mit seinen Kumpels zusammengenäht worden war. In einem Pokalspiel eingesetzt zu werden, oder vielleicht in einem WM-Finale. Die ganze Welt würde dann nur auf ihn schauen, und am Ende würde er in der geräumigen Vitrine einer hoffentlich geschmackvoll eingerichteten Weltmeister-Villa wohnen.

Dann war es doch nur Mönchengladbach geworden, das war schon eine große Enttäuschung. Andererseits, es hatte schon Bälle gegeben, die im ­Rahmen des so­genannten Karnevals in eine betrunkene, gröhlende Menschenmasse geworfen wurden. Und, kaputtgespielt, mitten in einem Rinnstein voller Kotzepfützchen endeten.

Insofern konnte er nicht meckern, zumal es ihm und seinen Ball-Kumpels bei der Borussia wirklich gut erging. Manchmal ließ der Zeugwart nämlich sein Handy über Nacht im Raum voller Zeugwartdinge liegen, und dann konnte man als unternehmungslustiger Ball diejenigen anrufen, die bei anderen Vereinen gelandet waren.

Außer die Bayern-Bälle, mit denen sprachen sie alle nicht mehr, weil es so unfassbar langweilig war, sich deren dauerndes Getröte darüber anzuhören, wie sie bald Meister werden würden. Wobei, mit den abstiegsgefährdeten Bällen redete auch niemand gern, deren ständige Furcht, durch eine unbedachte Drehung am Ende vielleicht für Zweitliga-Elend zu sorgen, nervte schon sehr.

„Hört ihr eigentlich nie zu?“

Aber über Fußball sprachen sie ohnehin nicht mehr, seit in der Ukraine Krieg herrschte. Die meisten Zeugwarte hörten gern Radio, deswegen waren die Bundesliga-Bälle immer top informiert. Und sich weitgehend einig, was von Putin zu halten ist. Die Vereinsführung habe mit den Spielern stundenlang geübt, berichteten einige Bälle. „Ja, okay, wir haben immer gesagt, dass ihr euch anstrengen müsst, damit wir auch eines Tages so einen schönen Vertrag wie Schalke mit Gazprom bekommen, aber vergesst das jetzt mal.“

Wichtig sei nun, dass sie in Interviews ihre Solidarität mit der Ukraine ausdrückten. „Ja, Himmel nochmal, hört ihr eigentlich nie zu?“ So gehe das nun schon seit Tagen, sagten die betroffenen Bälle, und einer seufzte: „Ganz ehrlich, ich bin mittlerweile soweit, dass ich lieber beim MSV Duisburg im Regal liegen würde als hier in der Top-Etage.“ Mit dem 2:2 war der Ball dann aber hochzufrieden. Jetzt nur noch herausfinden, wo er nach Spielende gelandet war. Ah, eine Vitrine, das war schon mal gut.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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