piwik no script img

Skandale um die Londoner PolizeiMet-Chefin schmeißt hin

Londons Polizeichefin Cressida Dick ist zurückgetreten. Hintergrund sind diskriminierende Entgleisungen von Beamten.

Cressida Dick, die Chefin der Londoner Metropolitan Police, hat ihren Rückzug angekündigt Foto: Zuma/imago

London taz | Nach heftiger Kritik an der Londoner Polizei ist die Chefin der Metropolitan Police Cressida Dick am Donnerstagabend zurückgetreten. Zuvor hatte Londons Bürgermeister Sadiq Khan der 61-Jährigen sein Vertrauen entzogen.

Ihr Rücktritt folgte auf einen vor Kurzem veröffentlichten Bericht der unabhängigen polizeilichen Prüfstelle (IOPC). Darin ging es um rassistische, frauenfeindliche, homophobe und islamophobe Aussagen, die Beamte einer Londoner Polizeidienststelle sich über WhatsApp zwischen 2016 und 2018 geschrieben hatten. Khan war vor allen Dingen außer sich, als herauskam, dass die Mehrheit der 14 in diesen Skandal verwickelten Beamten nicht nur weiter im Dienst standen – zwei von ihnen waren sogar befördert worden.

Es ist aber lange nicht das einzige Vergehen, was der Polizei vorgeworfen wird. Der Fall Sarah Everard hatte im Frühjahr 2021 Großbritannien schockiert: Im März war sie von einem Polizeibeamten entführt, vergewaltigt und ermordet worden. Im Strafprozess wurde deutlich, dass innerhalb der Metropolitan Police, kurz Met, offene Frauenfeindlichkeit, darunter auch die des Täters, toleriert wurden. Erst Ende Januar entschuldigte sich die Met bei einer Frau, nachdem diese bei ihrer Festnahme sexistisch schwer gedemütigt worden war.

Auch anderorts mangelte es an aufrechtem Verhalten. Zwei Polizeibeamte wurden beispielsweise letztes Jahr zu knapp dreijährigen Freiheitsstrafen verurteilt: Sie hatten bei den Ermittlungen zu zwei im Jahr 2020 ermordeten Schwestern Fotos von ihren Leichen gemacht und über WhatsApp verbreitet.

Ein unabhängiger Untersuchungsbericht zu einem ungelösten Mord an einem Polizeibeamten urteilte 2021 sogar, dass die Londoner Met institutionell korrupt sei. Dick akzeptierte dies nur als Aussage über die Vergangenheit, obwohl der Bericht betont hatte, auch von der Gegenwart zu sprechen. Bereits 1999 stellte der Mcpherson-Untersuchungsbericht fest, dass die Met institutionell rassistisch sei. Und schon 20 Jahre zuvor bezeichnete der damalige Met-Chef Robert Marks die Organisation als routinemäßig korrupt.

Höchste Zahl ermordeter Teenager seit 1945

Verantworten musste sich Dick auch zu den Morden an insgesamt 30 Teenagern im letzten Jahr, der höchsten Todeszahl seit 1945. Zusätzlich gab es regelmäßige Vorfälle, bei denen Po­li­zei­be­am­t:in­nen schwarze Lon­do­ne­r:in­nen bevorzugt anhielten und durchsuchten.

Auch bezüglich der Berichte zu Lockdown-Partys im Amtssitz des britischen Premiers in 10 Downing Street und anderen Regierungsämtern hatte die Met lange mit Ermittlungen gezögert. Als sie diese schließlich aufnahm, führte das dazu, dass ein interner Bericht erst später gekürzt erscheinen konnte. Manche unterstellen der Londoner Polizei deswegen einen Versuch, Premierminister Johnson schützen zu wollen.

Dicks Amtszeit wurde letztes Jahr entgegen Protesten von Innenministerin Priti Patel verlängert. Die Entscheidung über ihre Nachfolge ist ebenfalls Aufgabe Patels, wobei sie Rücksicht auf die Meinung von Bürgermeister Khan nehmen muss. Der Chef der Antiterroreinheit der Met, Neil Basu, wäre der naheliegendste Kandidat. Doch mit ihm steht Patel seit einem Jahr auf Kriegsfuß, nachdem Basu Änderungen im britischen Gleichberechtigungsgesetz gefordert hatte, damit mehr Po­li­zei­be­am­t:in­nen aus Minderheiten rekrutiert werden könnten.

Als Dick 2017 Polizeichefin Londons wurde, wurde sie als erste weibliche Met-Chefin sowie erste aus der LGBTQIA+-Community gefeiert. Einige sahen ihre Ernennung jedoch kritischer, weil Dick 2005 die Verantwortung für die polizeiliche Erschießung des Brasilianers Jean Charles de Menezes in der Londoner U-Bahn getragen hatte. Der 27-Jährige war nach den Selbstmordanschlägen von London wegen einer Verwechslung für einen potenziellen Selbstmordattentäter gehalten worden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!