Geplante Studie: Ein Frauenmord ist ein Femizid
Eine groß angelegte Studie zu Femiziden ist überfällig. Es ist nötig, die Hintergründe von männlicher Macht und Lebensumständen zu erforschen.
D as wurde Zeit. Eigentlich braucht es nicht mehr als diesen knappen Satz, um auszudrücken, dass die jetzt gestartete Studie des Kriminologischen Instituts der Universität Tübingen zu Femiziden – Morde an Frauen, weil sie Frauen sind – überfällig ist. Seit Jahren fordern Frauen- und Gewaltschutzverbände, dass die Tötungen, verübt von den Partnern und Ex-Partnern der Opfer, dezidiert erforscht und gesellschaftlich eingeordnet werden.
Gewaltberatungsstellen und Hilfsorganisationen haben jeden Tag mit misshandelten, gedemütigten, verletzten Frauen (und in der Regel auch mit ihren Kindern) zu tun. Sie wissen, in welcher Gefahr sich eine Frau befindet, die sich von ihrem Partner trennen will. Sie erleben die Ängste, die Zweifel, vor allem aber die Verzweiflung der Frauen, die sich aus der Beziehung nur deshalb so schwer lösen können, weil die Macht der jeweiligen Männer mitunter unendlich groß ist.
Und sie ahnen, wie „Hilfe“ durch Behörden oft aussieht: Da behält ein getrennter, gewalttätiger Vater das Umgangsrecht für die Kinder – und hat somit weiterhin „Zugriff“ auf die Mutter. Da glauben Beamte den Frauen nicht, die um konkreten Schutz bitten: Der wird mich umbringen. Da werden Frauen beschwichtigt, oder im schlimmsten Fall wird ihnen geraten, sich eben besser nicht so aufzulehnen – als Frau.
Das Ergebnis liest sich in Zahlen ausgedrückt so: 119.164 Frauen waren im Jahr 2020 von Partnerschaftsgewalt betroffen, 139 von ihnen haben diese nicht überlebt. Die Kriminalstatistik zählt diese Fälle in ihrer Rubrik Mord und Totschlag. Darüber hinaus gibt es weitere Delikte, die sich direkt gegen die betroffenen Frauen als Frauen richten: Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Stalking.
Wie genau hängen solche Straftatbestände mit männlicher Macht, persönlichen Lebensumständen, dem Einfluss von Alkohol und Drogen zusammen? Das will die Studie klären. Gewalt an Frauen, so viel ist politisch mittlerweile klar, ist Ausdruck eines Machtgefälles – zuungunsten der Frauen.
Übrigens: In den USA werden Frauenmorde selbstverständlich als Femizide gezählt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen