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Fußball-WM soll öfter stattfindenDecolonise mit Infantino

Der Fifa-Chef fordert eine WM alle zwei Jahre, um Afrika öfter teilhaben zu lassen. Viel sinnvoller wäre weniger Eurozentrismus im Weltfußball.

Selfie mit Fußballfans: Gianni Infantino (Mitte) Foto: Ibraheem Al Omari/reuters

Um es vorwegzunehmen: Alles, was Sie in diesen Tagen über Fifa-Boss Gianni Infantino gelesen haben, ist richtig. Der aktuelle Aufhänger für die nicht so neue Erkenntnis: der Mann ist abstoßend. Vor dem Europarat in Straßburg bewarb der Fifa-Chef seinen Lieblingsbusinessplan – eine Männer-WM im Zweijahresrhythmus statt alle vier Jahre – so: „Wir müssen den Afri­ka­nern Hoff­nung geben, damit sie nicht über das Mit­tel­meer kommen müssen.“

Die Fifa müsse Afrika Möglichkeiten und Würde geben. Dazu soll, man ahnt es, die WM dienen. Denn: „Wir sehen, dass Fußball sich in eine Richtung entwickelt, wo wenige alles haben und die Mehrheit hat nichts. In Europa findet die WM zweimal pro Woche statt, weil die besten Spieler in Europa spielen“. Decolonise mit Infantino.

Die Instrumentalisierung von Armut für die Geschäftspläne des Fifa-Chefs ist all das, was sehr viele Kom­men­ta­to­r:in­nen analysiert haben. Dreist, verlogen, scheinheilig, gefährlich, rassistisch und skrupellos, um nur ein paar der publizistischen Adjektive zu zitieren. Aber die Debatte verläuft auch recht bequem. Denn was in der allgemeinen, wohligen Empörung nicht stattfindet, ist, dass Infantino natürlich recht hat.

Europa spielt „zweimal pro Woche“ WM. Wer ein Star sein will im Männerfußball, muss nach Europa. Von den 20 wertvollsten Fußballklubs liegen laut Forbes 2021 alle 20 dort, wahrscheinlich auch alle 50, genauer: in einer Handvoll Staaten Westeuropas. Jugendliche werden an der Peripherie für dieses Zentrum herangezogen, auf eine Art und Weise, die nicht wenige als neokolonial bezeichnen.

Herrschaft des westeuropäischen Mannes

Einen Hauch von Dezentralisierung, das Äquivalent zu einem IT-Hub in Nairobi oder einem Tech-Konzern in Südkorea, sucht man im Fußball vergebens. Dort ist die Herrschaft des westeuropäischen Mannes noch ehern, wenngleich sie mittlerweile durch chinesische und nahöstliche Investoren großzügig kofinanziert wird. Auch das kolossale Ungleichgewicht innerhalb Europas hat Infantino angesprochen.

Diese Tatsachen werden nicht unwahr dadurch, dass der Falsche sie sagt und instrumentalisiert. Für Europa und die mit der Fifa rivalisierende Uefa war es stets sehr leicht, auf den bösen Gianni Infantino zu zeigen und dabei achselzuckend ihre Macht zu wahren. Die Uefa schafft es dabei gut, ein Saubermann-Image zu konservieren.

Natürlich würde eine WM alle zwei Jahre an der Situation nichts ändern. Sie wird durch ihren ökologischen Brontosaurus-Fußabdruck Fluchtursachen eher noch weiter ankurbeln. Ein Turnier, das in fast hundert Jahren Geschichte noch nie ein afrikanisches oder asiatisches Team gewonnen hat.

Im Fußball kursieren derart absurd hohe Summen, dass Aufrüstung auf Augenhöhe Europas selbst für Länder wie USA und China zu teuer ist. Dennoch ist es interessant, dass qua des Korruptions- und Abstimmungsprinzips (jeder natio­nale Verband hat eine Stimme, unabhängig von der Größe) ausgerechnet und allein die Fifa den Globalen Süden ein wenig berücksichtigen muss.

Fußballpolitik, die Globalen Süden berücksichtigt

Wie sähe eine Fußballpolitik aus, die den Globalen Süden wirklich berücksichtigt? Es ist unredlich, das weiter zu ignorieren. Aktuell finanzieren prekäre Ar­bei­te­r:in­nen aus Asien die fußballerischen Erfolge der europäischen Großklubs – unter anderem, indem sie für wenige Cents Trikots nähen, die in Deutschland für 85 Euro verkauft werden, und so erst die hohen Gewinnmargen schaffen.

Ein echter Weltfußball kann nur ein dezentralisierter sein. Einer, der Spitzenligen auf mehreren Kontinenten hat und regionale Karriereoptionen für Spieler:innen. Das geht natürlich nicht mit der Fifa. Bislang aber werden die Ausfälle Gian­ni Infantinos öffentlich eher im Sinne eines schrägen Onkels behandelt, an dem sich wenig ändern lässt.

Es fehlt an echter Wut und echten Konsequenzen. Für beide rivalisierenden Großverbände, Fifa und Uefa. Interesse hat an Dezentralisierung freilich niemand, denn für Westeuropa gilt: es würde wehtun. Ein Onkel sagt eben auch immer was über die Familie.

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4 Kommentare

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  • Im Fußball-Kapitalismus geht es nur um Profit, im Zweifel um Kolonialisierung in Form von Scheinbeteiligung. Erbärmlich.

  • Was für ein Unsinn. Solche Ideen können nur von Menschen kommen, die in ihrer sportfernen Blase gefangen sind und denen Fußball im Grunde ihres Herzens egal ist.

    Träte sie aus ihrer Blase heraus und hätte durch Reisen ihrem Dasein so etwas wie tolerante Weltläufigkeit hinzugefügt, merkten sie, dass Kontinente und Subkontinente jeweils ihre eigenen Großsportarten haben. In Pakistan und Südafrika ist das Cricket, in den USA Football und Basketball, in Kanada Eissport und in Europa und Lateinamerika eben Fußball. In den afrikanischen Staaten ist natürlich Fußball Sportart Nummer eins, aber nicht allein. Da lohnt es sich schon Land für Land zu betrachten.

    Kolonialistisch und diskrminierend halte ich eher die unterschiedslose Betrachtung eines ganzen Kontinents wie Afrika. Das besagt einfach, dass man nicht viel darüber weiß. Weltfußball gibt es nicht. Den will nur Infantino.

    Unterschiede bereichern und machen das Leben lebenswert. Man muss nicht alles einebenen. Wer Toleranz einfordert, sollte diese auch vorleben. Und man kann als Europäer sehr gut ohne Büßergewand mit Afrikanern Fußball spielen. Indem Punkt sind Fußballvereine durch die Bank toleranter und integrativer als die Zuschauer auf den Rängen.

  • Geschlechtergetrennter Sport ist uncool und gestrig.



    Football is over.



    Da gucke ich mir doch lieber Bike Polo an — mit mixed teams!

  • Sportlich ist mir das ziemlich egal, aber da es große wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung hat, ist es doch interessant und wichtig.



    Mir fehlt allerdings etwas die Phantasie (um ein neues Bonmot zu bemühen), wie afrikanische Ligen gezielt gefördert werden können. Welches Land - Nigeria, Kamerun? Wer soll die Förderung bezahlen? Die UEFA, die EU, FIFA? Ist es besser, Spielergehälter und Übertragungslizenzen radikal zu kürzen, damit so afrikanische Ligen leichter aufschließen können? Würden dann China und die Kleinstaaten vom Golf die Lücke füllen? Wäre das überhaupt rechtlich möglich? Oder sollte der Afrikanische Fußballverband das umsetzen, was einige europäische Topklubs probiert haben und eine Superleague gründen? Auch hier: wer finanziert das, damit es konkurrenzfähig zur Champions League ist?



    Ich habe keine Ahnung von der Materie, aber hätte gern ein paar Ideen, wie das Problem praktisch angegangen werden könnte. Ich befürchte allerdings, das Kind ist in den Brunnen gefallen und das Problem könnte sich erst dann lösen, wenn FIFA und UEFA an ihrer Gewinn- und Geltungssucht in irgendeiner der kommenden Krisen zugrunde gehen.