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Fahrradfreundliche StadtHannover opfert Parkplätze

Gutes Vorbild: Die Stadt Hannover räumt Autos und ihren Stellplätzen nicht mehr zwangsläufig Vorrang ein.

Vorfahrt für Radfahrer: Die Klage gegen eine Fahrradstraße ging nach hinten los Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannover taz | Das ist nun mit ziemlicher Sicherheit nicht der Ausgang, den der Kläger sich erhofft hatte. Im hannoverschen Zooviertel – einer der teureren Wohngegenden – hatte ein Anwohner gegen die Einrichtung einer Fahrradstraße vor seiner Haustür geklagt. Und bekam tatsächlich erst einmal recht.

Die Fahrradstraße entspreche nicht den vom Gesetzgeber vorgegebenen Bedingungen, urteilte das Verwaltungsgericht. Insbesondere weil an beiden Seiten der 5,50 Meter breiten Kleefelder Straße geparkt werden durfte und Radfahrer deshalb ständig ausweichen mussten und nicht nebeneinander fahren konnten. Die Stadt müsse entweder nachbessern oder die Fahrradstraße aufheben.

Okay sagte die Stadt nach einigen Überlegungen und akzeptierte das Urteil, ohne in Berufung zu gehen: Dann entfernen wir eben die Parkplätze. Künftig darf dort nur noch gehalten, aber nicht mehr geparkt werden. Schwerbehinderte, Pflegedienste und Handwerker sind davon ausgenommen.

Die FDP im Rat schäumte: „Wer Grün wählt, muss mit der Grünen-Diktatur leben“, sagte deren Fraktionschef Wilfried Engelke, schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ). Ob das Ganze sich auch auf die anderen Fahrradstraßen im Stadtgebiet auswirkt, muss allerdings erst noch geprüft werden. Erst einmal sei dies eine Einzel­fall­ent­schei­dung, sagt die Stadt.

Hausgemeinschaften können Fahrradbügel anfordern

Der Abbau von Parkplätzen zugunsten von Fahrrädern funktioniert in Hannover aber auch noch auf anderen Wegen. Darauf hat der ADFC noch einmal aufmerksam gemacht. So können schon seit 2019 Hausgemeinschaften beantragen, dass ein Parkplatz für Fahrradbügel geopfert wird – wenn sich dafür im Haus eine einfache Mehrheit findet (eine Stimme je Mietpartei) und bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Wenn das Haus keinen Vorgarten hat und im Keller oder Hinterhof auch nicht genug Stellflächen vorhanden sind, können Fahrradstellplätze auf öffentlichem Grund beantragt werden. Die entsprechende Abteilung im Tiefbauamt rückt dann aus und prüft, ob der Gehsteig breit genug ist oder ob ein oder zwei Autoparkplätze dran glauben müssen.

In der Göbelstraße sind auf diese Weise 20 Fahrradstellplätze anstelle von zwei Pkw-Stellplätzen eingerichtet worden. Vor dem Umweltzentrum in der Hausmannstraße hat man sogar zwei spezielle Bügel für Lastenräder aufgebaut. Und auch die Bezirksräte machen eifrig mit und beantragen regelmäßig Fahrradparkplätze in der Nähe von Veranstaltungszentren oder ähnlichen Punkten, wo sich die Räder sonst gerne einmal stapeln.

Insgesamt seien seit dem Jahr 2016 (als die große „Fahrradbügel-Offensive“ ausgerufen wurde) jährlich etwa 500 zusätzliche Fahrradbügel im öffentlichen Raum installiert worden, schreibt die Pressesprecherin der Stadt, Michaela Steigerwald, auf taz-Anfrage. Im vergangenen Jahr gab es den bisherigen Rekord mit 750 zusätzlichen Abstellmöglichkeiten.

Der ADFC sieht allerdings weiterhin Luft nach oben. Vor allem überdachte Abstellanlagen und abschließbare Fahrradgaragen wären fein, meinen die Radfahrlobbyisten. Und regen eine Pflicht dazu etwa bei Neubauten an.

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5 Kommentare

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  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Gutes Vorbild????



    Das gilt dann auch für Elektroautos, die ja jeder deutsche Steuerzahler mitfinanziert.



    Wie blöd kann man nur sein?

    P+R-Parkplätze an den S-Bahnhöfen wäre vernünftig. Parkhäuser in den Städten mit Elektroladesäulen wären richtig. Wasserstofftankstellen für LKW wären richtig! Ansonsten wird es laufen wie beim Impfen. Huch, mein LKW fährt mit H2 aber es gibt in ganz Berlin nur 2 Tankstellen.

    Dumpfer Ökowahn hilft keineswegs.



    Klare Ziele. Lastenfahrräder sind nur ein Spaß.

  • Laut Wikipedia handelt es sich bei einer Diktatur um "eine Herrschaftsform, die sich durch eine einzelne regierende Person, den Diktator, oder eine regierende Gruppe von Personen mit weitreichender bis unbeschränkter politischer Macht auszeichnet."

    Wenn also Herr Engelke von der FDP von einer "Grünen-Diktatur" schwafelt, hat er entweder nix kapiert, oder man muss befürchten, dass es sich auch hier um eine Projektion handelt.. was soviel bedeuten würde, dass sich die FDP gerade, zusammen mit ihrer Autofahrerclique als (möchtegern-) Diktatoren aufführen...

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das finde ich gut. Der öffentliche Raum wird von allen finanziert, dann können die Autofahrer - ich bin selber einer - nicht einfach den Löwenanteil als Gewohnheitsrecht beanspruchen.

    Was aber vor allem wichtig ist: Die Kommunen bekommen durch solche Urteile mindestens ideel, vielleicht auch juristisch die Hoheit über die Stadtplanung zurück.

    Im Moment scheitern die Kommunen ja regelmäßig - sicher auch gelegentlich unsinnigen Projekten - an privaten Interessen, meisten natürlich an denen von Unternehmen, die sich entsprechende Auseinandersetzungen leisten können. Da muss dem §14 - die Eigentumsverpflichtung - einfach wieder mehr Raum gegeben werden.

    Und die Kompromisse zu finden obliegt nun mal den Kommunen, die dafür weitgehend demokratisch legitimiert sind. Wer das immer wieder in Frage stellt, muss sich fragen lassen, ob er noch latentes Interesse am Grundgesetz hat.

  • Sehr gute Aktion! Daran sollte sich die Stadt Aachen ein Beispiel nehmen. AutofahrerInnen sind eh überprivilegiert, stellen ihre Fahrzeuge – sorry: Stehzeuge – über Stunden sinnlos ab und moppern dann, weil sich „Ihr“ Parkplatz nicht mehr vor dem Hauseingang befindet, sondern 100 Meter weiter um die Ecke. Ach ja, jetzt kommt von der Gegenseite bestimmt wieder die/der vielzitierte 85-jährige, gehbehinderte AutofahrerIn, die/der jetzt so weit gehen muss.

    • @Kloetzchenschieber:

      Nee, nicht der 85jährige

      aber es ist schon witzig, dass jetzt Fahrradboxen in dem angeblich vom Auto geklauten öffentlichen Raum entstehen sollen. Ja, da passt mehr als eins hinein, aber der Raum ist trotzdem weg.