Museum für Islamische Kunst in Berlin: Fremdeln mit dem Hier und Dort
Volkslieder, Anadolu Rock, Rap: Die Ausstellung „Gurbet Şarkıları – Lieder aus der Fremde“ widmet sich mehreren Generationen türkisch-deutscher Musik.
Man kann es kaum Subkultur nennen, eher muss man von einer anderen Musikgeschichte sprechen, die sich über die Jahre parallel zu den Hits und Genretrends der BRD entwickelt hat. Die Musik türkischer Gastarbeiter:innen hat viele tausende Fans, den meisten Deutschen war sie jedoch lange Zeit gänzlich unbekannt. 60 Jahre liegt das Anwerbeabkommen mit der Türkei in diesem Jahr zurück.
Die Ausstellung „Gurbet Şarkıları“ stellt die Musik der türkischen Gastarbeiter:innen im Museum für Islamische Kunst im Berliner Pergamonmuseum vor.
Drei oder vier Generationen türkischer Einwander:innen leben mittlerweile in Deutschland. Musikalisch sind die Unterschiede zwischen den ersten Gastarbeiter:innen und ihren Kindern und Enkeln sofort spürbar. Die Musik der 1960er Jahre ist wehmütig, meist klingt in ihr die Sehnsucht nach der Heimat an.
Das Verlangen nach gewohnten Klängen war groß und so gründete sich mit Türküola 1964 die erste Plattenfirma, die türkische Musik in Deutschland vertrieb. Zeitweilig war es sogar das umsatzstärkste Indielabel der BRD und es exportierte die hier produzierte Musik in die Türkei.
Zwischen Musikkarriere und Imbiss
Einer der Türküola-Stars war Metin Türköz. Der gelernte Schlosser war der wohl erste türkische Volksmusiker in Deutschland. Er erzählt in einem von Regisseur Mirza Odabaşı eigens für „Gurbet Şarkıları“ gedrehten Dokumentarfilm von den schwierigen ersten Jahren. Seine Musikkarriere war nicht von Dauer. Ab den 1970er Jahren arbeitete Türköz erst in einem Gemüseladen, später in einem Imbiss.
Wie bereichernd türkische Einflüsse für die deutsche Popmusik gewesen wären, wird deutlich im Song „Deutsche Freunde“ von Ozan Ata Canani. Ende der 1970er Jahre geschrieben, fällt das Lied in eine Zeit, in der die „Rückkehr“ der Gastarbeiter:innen diskutiert wurde. Wenige Jahre später trat das umstrittene „Rückkehrhilfegesetz“ in Kraft.
„Gurbet Şarkıları – Lieder aus der Fremde“, bis 20. Februar im Museum für Islamische Kunst, Berlin
Inspiriert von einem Zitat Max Frischs, dichtete Canani, damals 15-jährig: „Arbeitskräfte wurden gerufen / unsere deutschen Freunde / aber Menschen sind gekommen / unsere deutschen Freunde / nicht Maschinen, sondern Menschen“. Bitter klingt das Echo der von deutschen Politikern bemühten Phrase von „unseren türkischen Freunden“ nach.
Rückblickend wirkt „Deutsche Freunde“ fast wie das Produkt einer Parallelwelt; deutsche Textzeilen gesungen über anatolische Rhythmen scheinen in das Musikjahr 1978 kaum zu passen, in dem ein Song wie Vader Abrahams „Lied der Schlümpfe“ Platz eins der deutschen Charts belegte.
Von Karaca über Tarkan und DJ Ipek zu Eko Fresh
Später sangen auch andere türkische Musiker:innen auf Deutsch, bekanntestes Beispiel ist Cem Karaca. Karacas Musik hat mit den Liedern eines „Aşık“, eines türkischen Volkssängers, nicht mehr viel zu tun. Karaca ist ein Vertreter des Anadolu Rock, in seinen Songs erklingt neben der Saz genauso die Hammondorgel.
Auch politisch gehört Karaca einer anderen Generation an. Der Sänger verließ die Türkei 1979, kurz vor dem Militärputsch; ihm wurde vorgeworfen, in seinen Liedern Volksverhetzung zu betreiben. Karaca war bereits vor seinem Exil berühmt – bekannt allerdings vornehmlich einer türkisch sprechenden Hörerschaft.
Dass türkische Musik auch deutsche Fans fand, änderte sich erst in den 1990er Jahren. Tarkans „Şımarık“ erzielte in Deutschland mehrere Wochen lang hohe Chartplatzierungen und mit DJ Ipek sei das Klischee gestorben, dass es sich in deutschen Clubs nur zu westlichen Songs tanzen ließe, erfährt man in der Pergamon-Ausstellung. Dass sich die 1972 in München geborene Musikerin und Sozialpädagogin İpek İpekçioğlu politisch engagiert und für homosexuelle Migrant:innen starkmacht, erfährt man indes nicht.
Eko Fresh
Überhaupt sind die in „Gurbet Şarkıları“ vermittelten Informationen dürftig, auch Musik gibt es über den Audioguide nur wenig zu hören. Nun muss man Musik keineswegs anhand der politischen Ansichten ihrer Erschaffer bewerten. Die Musiker:innen der zweiten Generation türkischer Einwanderer ohne den politischen Hintergrund von Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Solingen zu denken, ist aber zumindest verwunderlich.
Deutsche Texte, anatolische Musikelemente
Erst mit Eko Freshs 2012 erschienenen Track „Der Gastarbeiter“ wird Rassismus wieder thematisiert. „Wir lieben Deutschland von Herzen wie verrückt / doch leider liebt es uns nicht jedes Mal zurück“, rappt der gebürtige Kölner. Man bringt ihn und andere Künstler:innen seiner Generation kaum noch mit den Gastarbeitern in Verbindung.
Sie singen selbstverständlich auf Deutsch, das Spielen mit anatolischen Musikelementen wirkt beinahe wie Ausdruck eines Selbstversicherns, dass das Türkische noch Teil der Identität ist. Ebenso häufig wie mit Deutschland fremdeln sie mit ihrer Herkunft, ihrer oft konservativen Familie.
Eko Fresh ist längst nicht mehr der jüngste aktive Musiker mit türkischen Wurzeln, mittlerweile ist eine neue Generation der Enkel oder sogar Urenkel der Gastarbeiter:innen erwachsen geworden. Vieles spricht dafür, dass auch ihr Thema die Identitätssuche bleibt.
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