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Urteil nach Morden im Oberlinhaus15 Jahre Haft für Ines R.

Im April ermordete eine Pflegekraft vier Menschen mit Behinderung in einer Wohneinrichtung in Potsdam. Nun wurde sie verurteilt.

Die Angeklagte im Gerichtssaal des Landgerichts Potsdam Foto: Carsten Koall/dpa

Potsdam taz | 15 Jahre Haft und die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik für die langjährige Pflegerin Ines R. Das urteilte das Landgericht Potsdam nun im Mordprozess um die Tötung von vier Menschen mit Behinderung Ende April dieses Jahres. Eine 43-jährige Bewohnerin der Einrichtung überlebte die Gewalttat mit schweren Verletzungen. Die Angeklagte sei des vierfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes sowie der Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig, urteilte die 1. Strafkammer. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Dass die Pflegerin Ines R. die Täterin ist, war von Beginn an unstrittig. Sie gestand die Gewalttat am Abend ihrem Ehemann und wurde festgenommen. Aufgrund ihrer psychischen Vorerkrankungen ging das Gericht schon vor Prozessbeginn von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus. Die 52-jährige Pflegekraft sprach am ersten Prozesstag unter anderem von mehreren Schicksalsschlägen und langjährigen Depressionen.

Immer wieder wurden vor Gericht auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege und im Oberlinhaus im Konkreten thematisiert. Mehrere Pflegekräfte sprachen von Überforderung. Eine Begründung für Mord könne das aber niemals sein, sagte auch die Staatsanwältin Maria Stiller in ihrem Plädoyer am vergangenen Freitag.

Sie hatte unter anderem für die einzelnen Straftaten Haftstrafen von jeweils acht bis zwölf Jahren gefordert, die zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren zusammengefasst werden sollten. Das Gericht folgt der Forderung mit seinem Urteilsspruch. Auch der Verteidiger Henry Timm beantragte eine Unterbringung seiner Mandantin in der Psychiatrie. Er plädierte aber aufgrund ihrer psychischen Erkrankung für schuldunfähig.

Die psychiatrische Gutachterin Cornelia Mikolaiczyk hatte am Donnerstag vergangener Woche über die Persönlichkeitsstörung der Angeklagten vor Gericht Auskunft gegeben. Dabei waren besonders die Schilderungen der Gewaltfantasien, die sie auch gegen Be­woh­ne­r*in­nen hegte, erschreckend. Bei der Angeklagten läge außerdem ein langjähriger Medikamenten- und Alkoholmissbrauch vor. Aufgrund erhöhter Suizidgefahr empfahl auch die Gutachterin eine Unterbringung im Maßregelvollzug.

Das Oberlinhaus gab nach dem Urteilsspruch eine Presseerklärung heraus. Darin heißt es, dass „die Tat und das grenzenlose Leid, das damit über die Opfer und ihre Angehörigen gebracht wurde, unermesslich“ bleibe. „Kein Urteil kann das Verbrechen und den Verlust auch nur ansatzweise abbilden.“ Sie wünschten sich, dass die Angehörigen der getöteten Be­woh­ne­r*in­nen und alle Beteiligten durch den Urteilsspruch jetzt Ruhe fänden, das Verbrechen zu verarbeiten. „Die Trauer wird uns alle noch sehr lange begleiten, die Erinnerung an die Opfer wird das Oberlinhaus auf immer bewahren.“

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