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Linguistin über bedrohte Sprachen„Ich liebe den Babelfisch!“

Auch bei Sprachen macht uns Vielfalt widerstandsfähiger, so Mandana Seyfeddinipur vom Archiv für bedrohte Sprachen. Warum sie sich aber nicht als Retterin sieht.

„Sich zu verstehen, hat nichts mit Sprache zu tun“, sagt Mandana Seyfeddinipur Foto: Doro Zinn
Interview von Susanne Messmer

taz: Frau Seyfeddinipur, Sie sind ja Linguistin. Muss man beim Gespräch mit Ihnen jedes Wort auf die Goldwaage legen?

Mandana Seyfeddinipur: Nein, keine Angst. Also, wir haben vielleicht ein besseres Ohr für irgendwelche linguistischen Feinheiten. Aber Sprechen und soziale Interaktion mit Menschen ist so konzentrationsaufwändig, dass man im Gespräch auf solche Dinge nur wenig achten kann.

Im Interview: Mandana Seyfeddinipur

Die Person

Die Linguistin Mandana Seyfeddinipur, 1967 geboren, studierte an der FU Berlin Linguistik, Iranistik, Germanistik. Magisterarbeit über eine alte Handgeste, die im Iran verwendet wird. Dissertation über koordinierte kognitive Prozesse zwischen Wort und Bewegung. 2010 Wechsel zur School of Oriental and African Studies der University of London (SOAS).

Das Programm

Das von Seyfeddinipur geleitete Endangered Languages Documentation Programme und Endangered Lan­guage Archive wurde 2002 ins Leben gerufen. Bislang 520 Projekte in 84 Ländern. 2021 Umzug nach Berlin wegen der Auswirkungen des Brexits auf das Programm. (sm)

Aber beim Abtippen des Gespräches muss man dann schon ganz genau sein?

(lacht) Transkribieren ist eine Kunst: aufzuschreiben, was jemand wirklich sagt, und nicht, was man denkt, was gesagt wurde.

Wir benutzen in der Zeitung neuerdings manchmal eine Software dafür …

Ja, weil wir hier eine Sprache benutzen, die ganz viele Spre­che­r:in­nen hat und in der es ganz viel geschriebenen Text gibt, mit dem man Computersysteme trainieren kann. Und da sind wir schon beim Thema. Die Sprachen, mit denen wir arbeiten, für die gibt es keine Software, weil es nicht genug Daten gibt, um einen Computer die Sprache erlernen zu lassen.

Warum ist das so?

In diese Technik wird im Silicon Valley unheimlich viel investiert. Aber nur für die großen Sprachen. Um ein Übersetzungsprogramm zu entwickeln, braucht man Massen an Text. Das heißt, die Sprache muss geschrieben und es muss sehr viel Text vorhanden sein. Das gibt es einfach für etwa 95 Prozent der Sprachen nicht, die heute in der Welt gesprochen werden.

Zum Beispiel?

Man muss sich nur Afrika ansehen: Swahili, Hausa, Yoruba – das sind alles Sprachen mit Millionen von Sprecher:innen. Aber für keine dieser Sprachen gibt es einen öffentlich zugänglichen Korpus, den man bräuchte, um Computersysteme zu trainieren, damit die Sprache mit dem Telefon oder dem Computer genutzt werden kann. Warum nicht? Die haben keine wirtschaftliche Kraft. Aber nicht nur das.

Was denn noch?

Allein wenn man das Internet nutzen will, muss man Englisch oder Spanisch, also eine Majoritätensprache, lesen und schrei­ben können, sonst ist man ausgeschlossen von der digitalen Welt.

Sie leiten seit 2010 das Endangered Languages Documentation Programme und seit 2014 das Endangered Language Archive, beide sind kürzlich nach Berlin umgezogen und beschäftigen sich mit der digitalen Dokumentation und Archivierung bedrohter Sprachen. Was ist daran wichtig?

Wir verlieren unsere linguistische Diversität – und damit auch das ganze Wissen, das in diesen Sprachen kodiert ist. Wenn wir die Spezies Mensch verstehen wollen, müssen wir diese einzigartige menschliche Fähigkeit verstehen. In den neunziger Jahren gab es einen großen Aufschrei in der Linguistik: Man hatte erkannt, dass immer weniger Kinder die Sprache ihrer Herkunft erlernen. Und da der Großteil der Sprachen nur oral existiert, verschwindet die Sprache, wenn sie nicht an die Kinder weitergegeben wird.

Aber hat es dieses Phänomen nicht schon immer gegeben?

Ja, aber das Tempo, in dem das passiert und Sprachen nicht mehr genutzt werden, hat sich unglaublich erhöht. Durch die Globalisierung und den Klimawandel ziehen immer mehr Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte und aus dem Globalen Süden in den Globalen Norden, und zwar auf ihrer Suche nach einem besseren Leben für sich selbst und für ihre Kinder. Und was geschieht bei dieser Migration? Eltern sorgen dafür, dass ihre Kinder die Sprache der Majorität sprechen, damit sie Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten, auf den Arbeitsmarkt und zu adäquater Gesundheitsversorgung erhalten. Und wenn das passiert, dann ist es meistens so, dass diese Kinder ihre Herkunftssprache nicht mehr lernen. Die Schätzung aus den neunziger Jahren geht davon aus, dass die Hälfte der circa 7.000 Sprachen auf dieser Welt bedroht ist.

Gilt diese Schätzung nach wie vor?

Ja. Erst in den letzten Tagen ist eine Untersuchung herausgekommen, die aufzeigt, dass wir ungefähr 1.500 Sprachen bis zum Ende dieses Jahrhunderts verlieren werden, wenn wir nichts unternehmen.

Der Werkzeugkoffer der Sprach­ar­chi­va­r:in­nen Foto: Doro Zinn

Und deshalb ist Ihre Organisation entstanden?

Anfang der 2000er sind mehrere Organisationen entstanden, die angefangen haben, Sprachen zu dokumentieren und zu archivieren, zum Beispiel wir oder auch die Volkswagenstiftung hier in Deutschland. Die Idee war und ist, Stipendien in die gesamte Welt zu geben, an Sprachgemeinschaften, Linguist:innen, Ak­ti­vis­t:in­nen und Dokumentarist:innen, damit diese so viele Sprachen wie möglich digital auf Video und Audio aufnehmen, bevor es zu spät ist. Das so entstandene digitale Material kommt dann bei uns ins Archiv und wird der Welt kostenfrei zur Verfügung gestellt. Wir befinden uns im Wettlauf mit der Zeit, auch weil wir nicht genug Projekte auf der Welt unterstützen können.

Sprechen wir in diesem Zusammenhang eigentlich auch von sterbenden Sprachen?

Das ist eine Metapher, die in die falsche Richtung lenkt. Sprachen sterben nicht, Menschen sterben. Sprachen tun gar nichts. Menschen tun etwas. Es geht bei uns um Gruppen, die marginalisiert werden, oft unter hohem politischen und ökonomischen Druck stehen und wie gesagt auf der Suche nach einem besseren Leben sind, ihre Sprachen teilweise gezwungenermaßen und teilweise freiwillig aufgeben. Es geht also nicht um ein linguistisches Problem, sondern um ein politisches.

Empfinden Sie sich als Retterin bedrohter Sprachen?

Nein, gar nicht, wir retten nicht, wir dokumentieren. Die Idee, dass Menschen oder Institutionen aus dem Globalen Norden etwas im Globalen Süden retten müssen, spiegelt sich sehr schön im Begriff White Saviourism wider. Wir als Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus dem Globalen Norden agieren ja in einem kolonialen Kontext – ob nun postkolonial, neokolonial oder wie auch immer. Wir versuchen deshalb, so ethisch und dekolonial wie möglich zu arbeiten. Was auch immer gemacht wird, es muss unter der Regie und mit der Zustimmung der Sprachgemeinschaften gemacht werden. Lin­gu­is­t:in­nen können beraten und helfen, wenn das gewollt ist, aber da sollte es auch enden. Unsere jungen Dok­to­ran­d:in­nen zum Beispiel, die aus einer Uni aus dem Globalen Norden in eine Sprachgemeinschaft hineinkommen, werden sich hüten zu behaupten, besser zu wissen, was für andere gut ist. Schließlich wissen sie genau, dass es ihre Vorfahren waren, die vielerorts den Menschen ihre Sprache ausgetrieben haben. Diesen Menschen jetzt wieder zu erklären, dass und wie sie ihre Sprache zu retten hätten, wäre höchst problematisch.

Wie können Sie dieser Haltung als Institution vorbeugen?

Ganz wichtig ist uns, auch Sprachgemeinschaften und lokale Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zu unterstützen. Dazu haben wir in den letzten zehn Jahren Sommerschulen in China, in Kamerun, in Äthiopien, in Ghana, Brasilien und Mexiko ausgerichtet und da jeweils 30, 40 junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Sprecherinnen aus den jeweiligen und den umliegenden Ländern trainiert. Wir konnten dadurch wunderbare Projekte fördern zum Beispiel in Brasilien und Kolumbien, wo die Lin­gu­is­t:in­nen nur noch die Rolle von Be­ra­te­r:in­nen einnahmen und die Sprachgemeinschaften in ihrer Dokumentationsarbeit unterstützt haben. Dann wird in den Gemeinschaften diskutiert und beschlossen: Ersr nehmen wir das und das Festival auf. Dann nehmen wir auf, wie wir hier Boote bauen, und dann erzählen wir, wie wir das Ritual machen. Und das sind unsere Traumprojekte, denn hier geht es nicht nur um Sprache, sondern um Selbstbestimmung.

Also wird doch etwas gerettet, wenn man Sprachen dokumentiert und archiviert?

Wie gesagt, wir dokumentieren und bewahren, und das ermöglicht der Gemeinschaft, mit diesen Aufnahmen zum Beispiel eine Sprache wieder zu erlernen und zu gebrauchen. Es gibt bewegende Geschichten von Menschen auf der Suche nach ihrer Herkunft und Identität, die die Sprache ihrer Vorfahren wieder erlernen und gebrauchen. Zum Beispiel von Daryl Baldwin, der Myaamia, die moribunde Sprache seiner Vorfahren, wiederbelebt hat. Es gab so gut wie keine Aufzeichnungen in Myaamia, bis er eine Bibelübersetzung eines Missionars fand.

Und das hat funktioniert?

Auf der Grundlage dieser Texte hat er sich dann die Sprache selbst beigebracht und zusammen mit seiner Frau seine vier Kinder in Myaamia und Englisch großgezogen. Sie sprechen die Sprache jetzt besser als er. Es ist natürlich nicht die Sprache von damals, sondern etwas Neues entstanden. Trotzdem war Baldwins Engagement wie eine Keimzelle, denn der Miamia Tribe, zu der Baldwyn gehört, kam als eine erstarkte Gemeinschaft zusammen. Ich muss glaube ich nicht erklären, welches Leid der Miami Tribe durch die europäischen Siedler erfahren hat.

Wie sieht im Endangered Languages Documentation Programme ein typisches Sprachdokumentationsprojekt denn eigentlich aus?

Die Do­ku­men­ta­ris­t:in­nen kommen, sofern sie nicht direkt aus den Gemeinschaften stammen, von außen in komplexe politische Zusammenhänge und sozialen Strukturen hinein. Sie müssen Vertrauen aufbauen, sie müssen mit dem Essen zurechtkommen, mit dem Wohnen, mit dem Leben ohne Strom und fließend Wasser.

Klingt abenteuerlich!

Viele unserer Sti­pen­dia­t:in­nen gehen über mehrere Jahre für je drei bis sechs Monate pro Jahr ins Feld zu Gemeinschaften, leben mit ihnen und entwickeln enge Beziehungen zu den Menschen, mit denen sie arbeiten und leben. Oft lernen sie die Sprache und stellen Lehrmaterialien her oder eine Textsammlung von Geschichten mit Übersetzungen. Und gleichzeitig müssen sie ihre akademische Arbeit machen, etwa eine Grammatik der Sprache schreiben. Da haben wir auch noch sehr großen Handlungsbedarf. Eine digitale Sprachdokumentationssammlung wird nicht als akademische Leistung anerkannt. Das ist mal wieder ein Beispiel, wo wir unseren akademischen Kanon überdenken müssen.

Und wie funktioniert das Endangered Languages Archive für Nutzer:innen?

Eine Säule unserer Arbeit ist, die archivierten Materialien frei zugänglich zu machen, das heißt, niemand muss bezahlen. Gleichzeitig schützen wir natürlich auch unsere Sprachgemeinschaften, indem wir die Materialien so zugänglich machen, wie die Spre­che­r:in­nen es selbst bestimmt haben. Es ist uns wichtig, den Zugriff auf diese Ressourcen nicht auf den Globalen Norden zu beschränken. Grammatiken zum Beispiel sind oft in Bibliotheken hinter Paywalls unzugänglich gehalten. Das heißt, die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus den Ländern, wo die Sprachen gesprochen werden, ganz zu schweigen von den Gemeinschaften, um die es geht, werden vom Wissen über ihre eigenen Sprachen ausgeschlossen. Für uns ist es wichtig, dass alle Zugriff auf die Daten haben, die mit unserer Unterstützung erhoben werden. Natürlich mit dem richtigen Datenschutz. Man muss sich registrieren und verpflichtet sich damit, die Sammlungen ausschließlich nicht-kommerziell und pädagogisch zu nutzen.

Haben Sie einen Überblick, wer aus welchen Gründen Ihr Archiv benutzt?

Ja, denn man muss immer angeben, warum man Zugang zu einem Datensatz haben möchte. Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die von einem Cowboy auf einer Ranch in Texas, der schrieb, alle seine Kollegen seien Mexikaner, die Mixtekisch sprechen, eine indigene Sprache in Mexiko. „Jetzt will ich mal was über die Sprache rausfinden“, schrieb er.

„Wir werden 1.500 Sprachen bis zum Ende des Jahrhunderts verlieren“, so Mandana Seyfeddinipur Foto: Doro Zinn

Warum ist es so interessant, sich mit verschiedenen Sprachen zu befassen?

Eine der großen Fragen der Linguistik ist: Was ist universal und was ist variabel? Der berühmte Linguist Noam Chomsky zum Beispiel vertritt die Idee, dass es ganz vereinfacht ausgedrückt eine universale Grammatik in unseren Köpfen gibt, die dann sprachspezifisch eingestellt wird durch den Sprachgebrauch. Die Arbeiten, die diesen Ansatz vertreten, beruhen auf der Untersuchung von nur ein paar Sprachen. Na­tur­wis­sen­schaft­le­r:in­nen würden verwundert schauen über solche Generalisierungen, die noch nicht mal auf einem Prozent der Sprachen beruhen. Es gibt Millionen Menschen, die forschen am Englischen oder Spanischen oder Deutschen, ganze Fachbereiche gibt es – könnten da nicht ein paar die anderen noch fast unbeschriebenen Sprachen erforschen?

Was ist für Sie jenseits politischer und gesellschaftlicher Fragen das Faszinierende an der Diversität der Sprachen?

Die Art und Weise, wie verschiedene Sprachen Information kodieren und welche Information kodiert wird, ist faszinierend. Es gibt beispielsweise einige Sprachen mit sehr komplexen Evidentialitätssystemen. Das bedeutet: In diesen Sprachen müssen sich die Spre­che­r:in­nen grammatikalisch festlegen, ob sie die Informationen, über die sie berichten, aus erster oder zweiter Hand haben. Türkisch macht das zum Beispiel, aber auch Sprachen in Lateinamerika. Wenn man mit Spre­che­r:in­nen solcher Sprachen Spiele spielt, dann wird es total interessant.

Wie gefällt Ihnen die berühmte Geschichte aus der Bibel, Sie wissen wahrscheinlich schon, welche?

Es gibt ja verschiedene Interpretationen der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Eine ist, dass Gott die Menschen mit vielen Sprachen bestraft hat. Aber vielleicht hat Gott auch etwas ganz anderes damit sagen wollen. Zum Beispiel: Das habt ihr toll gemacht, ist ja wunderbar, ihr Lieben, ich gebe euch jetzt ganz viele verschiedene Sprachen, sodass ihr in der Lage seid, wenn euch irgendetwas trifft, mit Diversität zu reagieren. Wir wissen doch, was Monokultur in der Biologie bedeutet. Diversität macht uns robuster, resilienter.

Und wie gefällt Ihnen die Vision einer Welt, in der alle dieselbe Sprache sprechen – oder sich zumindest wie im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ einen Babelfisch ins Ohr setzen können?

(Lacht) Ich liebe den Babelfisch! Aber dahinter steht ja die Idee, dass man sich dann besser verstehen würde. Meine wunderbare Kollegin Gretchen McCulloch hat mir mal gesagt, die beste Antwort, die man auf diese Frage geben kann, lautet: Bist du verheiratet?

Hm.

Sich zu verstehen, hat nichts mit Sprache zu tun. Man muss sich verstehen wollen. Wie kann es sein, dass man sich ohne Worte versteht, wenn man frisch verliebt ist – und drei Jahre später kann die ausgequetschte und offen gelassene Zahnpastatube zur Scheidung führen, obwohl man dieselbe Sprache spricht?

Und was sagen Sie zu Teenagern, die es zu anstrengend finden, nicht nur die Vokabeln der ersten, sondern auch noch die der zweiten oder dritten Fremdsprache zu lernen?

Was soll ich sagen? Ich bin keine Pädagogin und habe selbst einen Teenagersohn! Obwohl: Eins fällt mir da vielleicht schon ein. Man könnte die Teenies fragen, welche Sprache es denn sein dürfte, wenn sie nur eine lernen müssten. Welche sie denn als gerecht empfinden würden. Sie müssten die chinesische Sprache wählen, denn die wird nun mal von den meisten Menschen der Welt gesprochen. Und haben die Chi­ne­s:in­nen nicht dieses wunderschöne Schriftsystem mit den komplexen Bildern und den Tönen? Wo ein und dieselbe Silbe etwas Anderes bedeutet je nach Tonhöhe, etwas, was wir noch nicht mal richtig hören? Ist das nicht eine tolle Sprache?

Eine Sprache, bei der das Vokabellernen dann richtig wehtut.

Genau! (lacht)

Frau Seyfeddinipur, glauben Sie eigentlich, dass Sie auch deshalb Linguistin geworden sind, weil Sie mit mehreren Sprachen aufgewachsen sind?

Das war eher Zufall. Ich habe an der FU in Berlin Deutsche Literatur und Iranistik studiert. Und dann bin ich einmal in ein Linguistik-Seminar gegangen und fand das eigentlich viel spannender.

Sie haben also auch Iranistik studiert?

Meine Eltern sind aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Ich hatte großes Glück, dass ich Persisch gelernt habe. Meine Eltern haben miteinander Persisch geredet, wir hatten ganz oft Familienbesuch aus dem Iran und wir haben die ganzen Sommerferien im Iran verbracht. Ich habe Persisch sprechen gelernt, weil ich mit den Nachbarskindern und meinen Cousinen und Cousins im Iran gespielt habe. Keiner meiner Cousinen und Cousins, die in Deutschland aufgewachsen sind, hat Persisch gelernt. Niemand von ihnen konnte mit unserer Großmutter sprechen. Nur ich.

Sie wollten noch besser Persisch lernen?

Ich wollte Persisch auch lesen und schreiben lernen. Und das war auch eine Art Wurzelsuche für mich. Auf diese Wurzelsuche begeben sich ganz viele Diasporakinder irgendwann mit der Frage: Warum spreche ich nicht die Sprache meiner Vorfahr:innen?

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3 Kommentare

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  • Wenn man international tätig ist, leidet man unter dem Sprachenwirrwarr. Statt dass man das Lateinische als Schriftsprache beibehalten hätte, wurden viele lateinische Dialekte zur Sprache erhoben. Immerhin wurde innerhalb Deutschlands, der Schweiz und Österreichs das Hochdeutsche anerkannt. Im Arabischen wurde das Hoch-Arabisch über den gesamten Sprachraum beibehalten. Man kann seltene Sprachen dokumentieren und studieren, aber vor allem geht es um Kommunikation. Reisen Sie in Südamerika ohne Kenntnisse von Spanisch bzw. Portugiesisch; Schwierig. D h es fehlt das Wissen einer Weltsprache. Esperanto wurde einmal vorgeschlagen, defakto ist es jetzt Englisch.

  • dito! Was für eine Frau, mit einem so begeisternden Wissen!

  • Danke. You made my day