Neue Musik aus Berlin: Wenn Klänge sich häuten
Es raschelt, knackt und heult: Auf ihrem neuen Album „Moult“ tastet sich Clara Iannotta erneut an die Grenzen von Geräusch und Komposition vor.
Zum Auftakt eine Nachlese von 2021, wer weiß schon, was das neue Jahr so bringt. Aufgefallen ist jedenfalls die italienische, in Berlin lebende Komponistin Clara Iannotta mit ihren Stücken für Orchester und Kammerensemble, erschienen unter dem Titel „Moult“. Iannotta arbeitet bevorzugt an den Grenzen von Klang und Geräusch, von Akustischem und Elektronischem.
Was an sich nichts Ungewöhnliches ist, seit einiger Zeit ist dies das Feld, auf dem Komponisten verstärkt die Möglichkeiten von Klang für die eigene „Tonsprache“ erkunden.
Bei Iannotta fällt allerdings auf, wie plastisch sie diese Prozesse gestaltet. Das ist einerseits vom Ansatz her höchst akademisch, andererseits wirkt das, was sie daraus macht, sehr direkt.
Oft kann einem sogar leicht unheimlich werden. Man fühlt sich bei ihr weniger im Konzertsaal als vielmehr wie im dunklen Wald, wo es raschelt, oder fast raschelt, knackt, oder fast knackt, und heult, oder fast heult: Selten sind die Signale, die man empfängt, so ganz Geräusch oder ganz Ton, sie halten sich dazwischen in der Schwebe, bauen Spannung auf, lassen Luft heraus, je nach dem, in welche Richtung Iannotta das Geschehen lenkt.
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Der Titel der Komposition „Moult“, nach dem das Album benannt ist, fasst das in einem Bild zusammen, das für Iannottas Ansatz insgesamt treffend gewählt ist. Ihre Klänge „häuten“ sich, lassen unter ihrer Hülle langsam etwas anderes, in ihnen Angelegtes erkennen. Das können dann schon mal Engel sein, die sich als Höhlenbewohner erweisen. Oder andersrum.