Stärkere Kontrolle von NGOs in Indien: Delhi dreht NGOs den Geldhahn ab
In Indien dürfen Organisationen nur mit einer Lizenz Hilfsgelder aus dem Ausland empfangen. Jetzt wurde viele Lizenzen nicht mehr verlängert.
Jetzt traf es weitere regierungsunabhängige Bildungseinrichtungen, soziale und kulturelle Zentren sowie medizinische Einrichtungen, denen eine neue FCRA-Lizenz verwehrt wurde. Betroffen sind etwa die Entwicklungsorganisation Oxfam India, die Stiftung der Universität Jamia Millia Islamia, die Indian Medical Association sowie über 900 christliche, mehr als 100 hinduistische und muslimische Organisationen.
Damit sank zum Jahreswechsel die Zahl der für die Annahme von Auslandsspenden berechtigten NGOs landesweit von 22.762 auf 16.829.
Der Lizenzentzug wird die Arbeit der betroffenen Organisationen stark beeinträchtigen, auch wenn Oxfam trotzig twitterte: „Die Verweigerung des Innenministeriums, die FCRA-Registrierung zu verlängern, wird unser Engagement für bedürftige Gemeinschaften nicht schmälern.“ Oxfam half etwa während der Coronapandemie mit Sauerstoffanlagen und Beatmungsgeräten.
Reaktionen: „Dummheit“ und „Angriff auf NGOs“
„Der frühere Geschäftsführer von Greenpeace India, Aakar Patel, nennt den Lizenzentzug eine „Dummheit“. Der Politiker der oppositionellen Kongress-Partei und Ex-Finanzminister P. Chidambaram spricht von einem direkten Angriff auf die NGOs, die sich um Indiens „Arme und Bedürftige“ verdient machen.
Die Autorin Meena Kandasamy sieht einen „neoliberalem Albtraum“, wenn nur noch Konzerne für den Sozialsektor spenden dürfen und kritische Arbeit außen vor bleibt.
Die FCRA-Lizenzierung wurde 1976 von der Kongress-Regierung unter Indira Gandhi eingeführt, um die finanzielle Unterstützung politischer Gegner aus dem Ausland zu kontrollieren. NGOs gab es damals kaum. Das Argument, eine versteckte „Hand des Auslands“ arbeite gegen Indien, hat eine lange Tradition im politischen Diskurs des Landes.
Seit 2011 muss die Lizenz alle fünf Jahre neu beantragt werden, 2020 wurde das Verfahren von der hindunationalistischen Regierung von Narendra Modi noch weiter verschärft.
Kompliziertes Verfahren überfordert viele Organisationen
Viele NGOs sind mit dem bürokratischen Verfahren zur Beantragung der Lizenz überfordert. „Das ist so, als würde man in einem Kindergarten hohe Stühle anbieten“, sagt Sanjay Agarwal, Autor eines FCRA-Handbuchs, zur taz. Nicht alle Anordnungen oder Verweigerungen seien klar formuliert.
Er sieht aber auch Versäumnisse bei einigen NGOs, die keine Verlängerung beantragt hatten. „Das Problem ist, dass viele dazu nicht in der Lage waren“, sagt Agarwal, der seit 25 Jahren FCRA-Beratungen durchführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen