piwik no script img

Ausstellung über Genuss in ParisMein Bankett im Metaversum

Die Ausstellung „Banquet“ in der Cité des sciences et de l’industrie widmet sich den Tafelfreuden. In der Pandemie wirkt sie utopisch wie fantastisch.

Die Speisen, die den Be­su­che­r*in­nen bei „Banquet“ serviert werden, sind nur virtuell Foto: Brigitte Werneburg

Natürlich ist unter all den interessanten Ausstellungen, die derzeit in Paris zu sehen sind, „Banquet“ die Schau der Stunde. In Coronazeiten ist die Idee eines Festgelages einfach das paradiesische Versprechen schlechthin. Was sind schon 70 Jungfrauen im Himmel gegen ein fulminantes Essen mit 500 eng an eng platzierten Gästen hier auf Erden?

All diese Düfte, Gerüche, Geräusche, Gespräche; das Lachen, das Klirren der Gläser, die anstoßen, das Rülpsen der Weinflaschen, die entkorkt werden, das Klappern des Bestecks auf den Tellern, das Defilee der Kellner, die wieder und wieder mit den raffiniertesten Köstlichkeiten an die Tische kommen.

Und dann beginnt der immersiv gestaltete Ausstellungsparcours mit einer spröden audiovisuellen Belehrung darüber, wie man richtig Sahne schlägt. Ein realer Topf und ein realer Rührbesen wollen benutzt werden, freilich rührt man so nur das schlaue Video übers Sahneschlagen an. Hm. Darum also geht es beim Bankett? Ja. In der Cité des sciences et de l’industrie im Parc de la ­Villette, dem größten populärwissenschaftlichen Museum Europas, geht es darum.

Hier wird einigermaßen ungewohnt mit der Arbeit angefangen und den Menschen, die sie erledigen. Das Vergnügen, die Bilder von den Fürstenhochzeiten, den Stammesversammlungen und den Staatsbanketts, kommt erst zum Schluss.

Sterneküche trifft auf Chemielabor

Das heißt natürlich nicht, der Weg bis dahin sei nicht amüsant und anregend. Denn wenn es zuerst in die Küche geht, dann doch in die molekulare, wo mit Zentrifugen, Siphons, Infrarot-Thermometern und flüssigem Stickstoff das amuse gueule ­Tomate mit Mozzarella ganz neu erfunden wird. Aber die Küche wird nicht nur als das Labor des Chemikers Raphaël Haumont und des Sterne-Chefs Thierry Marx gezeigt.

Sie ist, so erfährt man im Fortgang, auch der Ort langbewährter tradi­tionsreicher Küchenarbeit, mit einem für die anfallenden Arbeiten genau definierten Set von Gerätschaften wie verschiedenen Messern, Löffeln und ­Kellen, Töpfen und Pfannen.

Die Ausstellung

„Banquet“, bis 7. August, Cité des sciences et de l’industrie, Paris

Es gehört dazu die Hitze des Feuers, in dem das Fleisch gar wird oder das Wasser zum Kochen kommt, es gehört also auch der entsprechende Schutz dazu, die richtige Arbeitskleidung. In weißer Pracht hängen die Schürzen, Jacken und Mützen in ihrer typischen, hergebrachten Form an der Hakenleiste. Zum elften Mal jährt sich die Ernennung dieser „Cuisine Française“ zum immateriellen Weltkulturerbe durch die Unesco.

Das will „Banquet“ feiern und tut das auf sehr eigenwillige, extrem technikverliebte, dabei aber äußerst instruktive Weise. Mit Videos und kleinen Playstations kann man den Geheimnissen des Geschmacks und der Texturen auf die Spur kommen oder kleine Törtchen aus buntem Licht bauen.

Eine einzige Lichterscheinung ist dann auch das Bankett, zu dem man geladen ist. Der Tisch ist real und auch der Stuhl und das Glas für die verschiedenen Getränke. Die freilich gibt’s nur virtuell, genauso wie das von Haumont und Marx kreierte Menü. Ja, an diesem Tisch, an dem einem virtuelle, weißbehandschuhte Kellner die virtuellen Teller reichen, nimmt man in gewisser Weise schon an einem Bankett im Metaversum teil.

Es ist der fantastische Höhepunkt der Schau, aber am Ende übertrifft nichts die Bilder von den in aller Welt gefilmten ­Banketts. Egal ob Königin Elisabeth II. ein Essen für Barack Obama ausrichtet, afrikanische Stammesfürsten sich zum Mahl versammeln oder ganz einfache Leute sich beim Hochzeitsmahl vergnügen. Ach ja. Was sind das jetzt nur für Zeiten?!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • Wenn's nur nicht so fürchterlich virtuel wär...



    "La grande bouffe" wär* nix dagegen



    *na ja - war für uns Konsumenten auch nur virtuel.

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Virtuell, aber schön!

      Und: Ich liebe dieses Museum.

      Wobei das Cité des sciences et de l’industrie eigentlich eher ein riesiges Spielzimmer als ein Museum ist.

      Vielleicht ist dieser ja der letzte Artikel, den Frau Werneburg in der taz geschrieben hat?

      Wünschen wir ihr alles Gute!



      Und bestimmt wird das kein Ruhestand.