piwik no script img

Dennis Radtke über Flügelstreit in der CDU„Es gibt da einen herben Dissens“

Dennis Radtke, Vizechef des CDU-Arbeitnehmerflügels, kritisiert die Bundestagsfraktion scharf. Er fordert, das sozialpolitische Profil zu schärfen.

Die CDA ist empört, dass aus dem Wahldesaster nichts gelernt wurde Foto: Peter Gercke/dpa
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Radtke, der CDU-Arbeitnehmerflügel kritisiert die Bundestagsfraktion in einem Beschluss scharf. Warum?

Dennis Radtke: Das fehlende oder defizitäre soziale Profil der CDU hat unter anderem zu diesem Absturz bei der Bundestagswahl geführt. Was die Bundestagsfraktion nun daraus ableitet, ist schwer bis gar nicht zu akzeptieren. Sie nimmt dem Sozialflügel den Sprecherposten in der Fraktionsarbeitsgruppe Arbeit und Soziales, der seit ewigen Zeiten bei der CDA lag. Und sie wählt bei den Ausschüssen, in denen die Union den Vorsitz stellen wird, vor allem solche im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Wie will man so auch in der parlamentarischen Arbeit Profil in der Sozialpolitik zurückgewinnen?

Der Sprecher der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales geht an die CSU. Fehlt der CDA in der Fraktion der Einfluss?

Schon in der letzten Legislaturperiode waren zwei Drittel der Abgeordneten Mitglied im Parlamentskreis Mittelstand, das ist jetzt ähnlich. Aber es geht nicht darum, Dinge durchzustimmen. Sondern es ist eine klassische Führungsaufgabe, deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass jemand aus der Arbeitnehmergruppe diese Position besetzt.

imago
Im Interview: Dennis Radtke

42, sitzt im EU-Parlament und ist Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), des Sozialflügels der CDU.

In dem Beschluss der CDA heißt es: „Wir zweifeln daran, dass die amtierende Fraktionsspitze dazu in der Lage ist, unsere CDU für die Zukunft richtig aufzustellen.“ Ist Ralph Brinkhaus, dessen Amtszeit als Fraktionschef im April ausläuft, für Sie also kein Mann der Zukunft?

Nein, das steht da nicht. Ich habe in den letzten Wochen Ralph Brinkhaus öffentlich sehr gelobt. Aber an dieser Stelle gibt es einen ganz herben Dissens. Wir haben mehrfach drauf hingewiesen und um Korrektur gebeten, aber geändert hat es nichts.

Was fordern Sie jetzt?

An diesen Entscheidungen wird man jetzt nichts mehr ändern können, das Personalpaket wird nicht noch einmal aufgeknüpft werden. Aber die Sprecherposten werden in einem Jahr wieder vergeben, dann sollte sich etwas ändern. Außerdem hoffe ich, dass Ralph Brinkhaus das in seine Planung für die kommenden Wochen und Monate aufnimmt, dass man so mit dem Sozialflügel nicht umgehen kann.

Alle Kandidaten für den ­Parteivorsitz fordern mehr Augenmerk für die Sozialpolitik. Wie passt das mit den Entscheidungen der Fraktion zusammen?

Gar nicht, das ist ja unser Problem.

Friedrich Merz stellt sich bei seiner dritten Kandidatur für den Parteivorsitz breiter auf, hat seine Ansprache verändert und mit Mario Czaja einen Sozialpolitiker als Generalsekretär vorgeschlagen. Überzeugt Sie diese Veränderung?

Die muss mich nicht überzeugen, ich nehme das zur Kenntnis. Aber jeder Parteivorsitzende muss zur Kenntnis nehmen, dass wir zweieinhalb Millionen Stimmen in der sozialen Mitte verloren haben, anderthalb an die SPD und fast eine Millionen an die Grünen. Da müsste man schon mit politischer Blindheit geschlagen sein, um nicht zu erkennen, dass das auch mit dem sozialen Profil zu tun hat.

Merz, bislang eher Kandidat der Mittelstandsvereinigung, war für den Arbeitnehmerflügel eher ein Graus. Hat sich das verändert?

Was heißt Graus? Herr Merz ist nicht so dogmatisch und so verbohrt, wie viele das zu glauben meinen. Manche Anhänger und Unterstützer von ihm sind da deutlich dogmatischer und deutlich radikaler.

Diese Unterstützer werden bei der Wahl von Merz zum Parteichef mehr Einfluss einfordern.

Das müssen Sie seine Unterstützer fragen. Aber auf keinen Fall darf die zukünftige Spitze der CDU nur aus der Mittelstandvereinigung und dem Wirtschaftsrat bestehen.

Zum Teil schlägt jetzt schon eine etwas radikalere Rhetorik durch, zum Beispiel redet man in der Union gerne von „linksgelb“, wenn man die Ampel meint. Ist das der richtige Ton?

Mit dem Narrativ linksgelb, mit Retro und Rückwärtsgang werden wir bei den Wählerinnen und Wählern keinen Blumentopf gewinnen. SPD und Grüne stellen sich im Erfolg neu auf. Uns scheint dieser Mut sogar in der Stunde der schmerzhaftesten Niederlage zu fehlen.

Sie selbst gehörten bei der letzten Vorsitzendenwahl vor einem Jahr zum Team Laschet, viele aus diesem Lager unterstützen jetzt bei der Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden Helge Braun. Sie werben für Norbert Röttgen. Warum?

Norbert Röttgen hat sich in den letzten Wochen sehr intensiv damit beschäftigt, wie wir aus diesem Loch beim sozialen Profil herauskommen und welche Rolle die CDA dabei spielen kann. Wir haben oft und intensiv über diese Fragen diskutiert. Das hat mich persönlich überzeugt.

Am Freitag wird die Mitgliederbefragung ausgezählt und das Ergebnis bekannt gegeben. Glauben Sie, dass dann schon der künftige Parteivorsitzende feststeht?

Nein, ich gehe davon aus, dass es eine Stichwahl geben wird.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "Dennis Radtke: Das fehlende oder defizitäre soziale Profil der CDU hat unter anderem zu diesem Absturz bei der Bundestagswahl geführt. Was die Bundestagsfraktion nun daraus ableitet, ist schwer bis gar nicht zu akzeptieren."

    Gut gesagt. Die CDU/CSU sackt in urbanen Ballungszentren ab. Da wirkt sich die jahrelange neoliberale Politik schon lange aus. Und das bedeutet doch, dass Arbeitnehmer immer mehr unter Druck geraten, sie müssen satt Steuern zahlen, immer krasser und privater für die Rente vorsorgen und immer häufiger arbeiten sie in Unternehmen, die Gewerkschaft, Betriebsrat und Mitbestimmung brutal raushalten, also verhindern, dass Arbeitnehmer sich organisieren können. Solche enttäuschten und entrechteten Arbeitnehmer wählen nicht mehr die CDU oder CSU, nicht mal in abgelegenen Gebieten in Bayern. Ich finde gut, dass jemand in der CDU/CSU dies so klar benennt und kritisiert, es wird zu gar nichts führen. Auch da bin ich mir sicher. Mit Merz tritt ein Ideologe an, der 1 oder 2 Prozent der Bevölkerung von allen Verpflichtungen befreien will, der bei 70 Prozent brutal und hart Steuern eintreiben muss...

  • Ach Gottchen - Alle Jahre wieder



    Schlachtens CDA quiick ein 🐽 -



    Gern jetzt - Wo‘s nix kostet - Nein!



    Wenn‘s aber GILT! - dem BDI - der Kamm schwillt!



    Ziehnmer den Schwanz doch lieber wieder ein!

    kurz - Dem Dennis Radtke ziehmer mal de Proppe & 💨



    Für sojet Flügelgepumpe negligable - jede Minut zu schade •



    & ooch klar - wa - 🧑‍🎄🎅🏻 -



    Ohwie lacht - 😇 -

    So geht das