Bundesligareifer Aufsteiger VfL Bochum: Macht im Revier
Spätestens mit dem 1:1 gegen Borussia Dortmund beweist der VfL Bochum: Er hat sein Spiel der Bundesliga angepasst.
Es kommt nicht oft vor, dass Erling Haaland ratlos wirkt. Meist hinterlässt der Stürmer von Borussia Dortmund eher den Eindruck, über geheimnisvolle Superkräfte zu verfügen. Als jedoch am Samstag die Partie seines Klubs beim VfL Bochum abgepfiffen war, hob der Norweger ziemlich unschlüssig Arme und Schultern.
Die Gefühlslage bei den Dortmundern war diffus. Schon wieder hatten sie nicht gewonnen. Nach dem 1:1 beim Aufsteiger VfL Bochum sei die Mannschaft „sehr enttäuscht“, sagte Mittelfeldspieler Emre Can. Der Rückstand auf den FC Bayern ist innerhalb von zwei Spieltagen von einem Zähler auf sechs Punkte angewachsen. Zudem ist der BVB aus der Champions League ausgeschieden, die jüngsten Ergebnisse waren schlecht. Und dennoch sprach der Assistenztrainer Alexander Zickler von einem „sehr, sehr guten Spiel“ des BVB.
Zickler hatte mit seinem Kollegen René Maric den nach seinem Platzverweis aus der Vorwoche gesperrten Chefcoach Marco Rose an der Seitenlinie vertreten und erklärte: „So richtig Vorwürfe kann man der Mannschaft gar nicht machen, denn sie hat bis zum Schluss alles getan, um die drei Punkte zu holen.“ Die Dortmunder hatten Chance um Chance gehabt, sie schlugen 15 Ecken vors Tor, während der VfL keinen einzigen Eckball hatte. Das Torschussverhältnis lag bei 23:4, selbst Bochums Torschütze Sebastian Polter räumte ein: „Bei den Chancen, die die hatten, können wir sehr, sehr glücklich sein, einen Punkt mitgenommen zu haben.“
Drei Mal retteten Bochumer Spieler auf der Linie für ihren geschlagenen Torhüter, der in vielen anderen Momenten brillant gehalten hatte. Der im bisherigen Saisonverlauf konstant starke Gregor Kobel machte den entscheidenden Fehler, als er sich verschätzte und mit einer Grätsche den Elfmeter verursachte, den Polter zum 1:0 verwandelte (40.). „So eine Aktion bringt die Mannschaft in eine Scheißposition. Ich muss das auf jeden Fall besser machen. Das geht auf meine Kappe“, sagte der Torhüter.
Beeindruckende Hingabe
Vorne blieb Haaland ungewohnt wirkungslos, und Dan-Axel Zagadou unterlief der Ballverlust, in dessen Folge Kobel den Elfmeter verursachte. Aber an diesem Tag hatten die Dortmunder es eben auch mit einem sehr zähen Gegner zu tun, der einen Lauf hat. „Im Moment ist es bei uns so, dass du in den Situationen das nötigte Spielglück hast“, sagte der Bochumer Trainer Thomas Reis.
Thomas Reis, Trainer VfL Bochum
Der Aufsteiger hatte sich mit beeindruckender Hingabe gewehrt, sich in Zweikämpfe und Schüsse geworfen. Zufall sind die Bochumer Erfolge daher nicht. Vielmehr gehört der VfL zu den stärksten Mannschaften dieser Wochen. 16 Punkte hat das Team aus den jüngsten acht Partien erspielt.
„Wir haben uns komplett stabilisiert, tolle Fans im Rücken, und sind so ein bisschen eine Heimmacht geworden“, sagte Reis. Auch der FC Bayern hätte derzeit wohl mehr Mühe mit dem Aufsteiger als beim 7:0 Sieg gegen Bochum Mitte September. Dieses Spiel gilt für die Bochumer im Übrigen als Schlüsselmoment, der zwar weh getan hat, zugleich aber als Lehrstück taugte.
Mutiger Stil eines Topklubs
In der Folge hat der Aufsteiger den mutigen Stil eines Topklubs der zweiten Liga aus der vorherigen Saison den neuen Gegebenheiten angepasst. Mittlerweile verteidigt die Mannschaft nicht nur leidenschaftlich, auch die Risikobereitschaft im Spielaufbau wurde überdacht. Kein Bundesligaverein schlägt mehr lange Bälle, ein elaboriertes Passspiel durchs Mittelfeld birgt zu viele Gefahren.
„Wir haben gesagt, wir müssen unseren Fußball der Liga angleichen, das war ein Prozess“, hat Reis neulich erklärt. Das funktioniert mittlerweile derart gut, dass Reis am Samstag sogar gefragt wurde, ob er den Blick auf die Tabelle langsam nach vorne richte.
Das war dem Trainer dann doch zu viel. „Für mich wäre es vor der Saison ein Wunder, wenn wir die Klasse halten“, und auch jetzt noch wäre er sehr zufrieden, wenn sein Klub „Fünfzehnter werden und die Liga halten“ würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!