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Waffenschiebering angeklagtRechtsextreme vor Gericht

Reichs­bür­ge­r:in­nen und mutmaßliche Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen sollen mit Pistolen, Schnellfeuergewehren und Pumpguns gehandelt haben.

Wegen Waffenhandels angeklagt: Mutmaßliche Rechts­ex­tre­me und Reichs­bür­ge­r:in­nen Illustration: Eléonore Roedel

Berlin taz | Die Waffen stammten aus Kroatien, als Codenamen benutzten sie Bezeichnungen von Kfz-Teilen, etwa „Mofagetriebe“ oder „langes Getriebe mit manueller Pumpe“. Verkauft wurden die Pistolen und Gewehre dann mutmaßlich in Deutschland: von einem Waffenhandelsring mit klar rechtsextremen Bezügen. Gegen acht Personen in diesem Fall hat die Generalstaatsanwaltschaft München nun Anklage erhoben. Das sei bereits Anfang September erfolgt, wie Oberstaatsanwalt Florian Weinzierl der taz bestätigte. Den Angeschuldigten werden Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz beziehungsweise das Waffengesetz vorgeworfen.

Laut Staatsanwaltschaft waren alle acht Personen An­hän­ge­r:in­nen der rechtsextremen Szene. Mindestens drei von ihnen sind den Ermittlungen zufolge „Anhänger der Reichsbürgerideologie“. Auch eine ehemalige Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro des bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron ist unter den Angeschuldigten. Insgesamt hat die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus in dem Komplex gegen 17 Beschuldigte ermittelt. Vier Ermittlungsverfahren wurden abgetrennt und ebenso abgeschlossen, die anderen laufen noch.

Die beiden mutmaßlichen Haupttäter sitzen nach wie vor in Untersuchungshaft. Sie sollen von 2015 bis 2018 Schusswaffen vom Balkan in die Bundesrepublik Deutschland gebracht haben, um diese hier zu verkaufen. Es handele sich dabei vor allem um Pistolen unterschiedlicher Hersteller, eine Uzi-Maschinenpistole, Sturmgewehre vom Typ AK-47 und Pumpguns. Um wie viele Waffen es geht, wollte die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen. Klar ist aber: Nicht alle davon konnten sichergestellt werden. Die weiteren Angeschuldigten sollen beim Verkauf der Waffen beteiligt gewesen sein oder welche gekauft haben. Sie waren laut Staatsanwaltschaft aber nicht so sehr eingebunden, dass die Voraussetzungen für eine Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vorliegen.

Einer der beiden Hauptangeschuldigten ist Alexander R., 49, ein ehemaliger Zollbeamter aus München. Wie taz-Recherchen Anfang des Jahres ergeben hatten, war er früher bei der NPD aktiv und hat sich seit 2016 systematisch mit vielen rechtsextremen Organisationen vernetzt, unter anderem mit der Identitären Bewegung und der Europäischen Aktion, und trat auch in die AfD ein.

„Für nationale volksbewusste Deutsche und Europäer“

In einem internen Dokument schrieb Alexander R., dass es ihm darum gehe, „zielorientiert und effizient Kräfte zu bündeln und Parallelstrukturen zu schaffen für nationale volksbewusste Deutsche und Europäer.“ Es gab internen Unterlagen zufolge auch Pläne, deutsche Siedlungen in Ungarn, Russland und Kroatien aufzubauen, als Rückzugsort „fernab von Gender-Mainstreaming und geschichtlicher Indoktrinierung“. Auch von Kampftrainings und Sicherheitsunternehmen war die Rede.

Ursprünglich hatten die Er­mitt­le­r:in­nen den Verdacht, dass die Beschuldigten mit den Erlösen zumindest teilweise die „Patriotischen Alternative“ finanzieren wollten. Nach taz-Recherchen waren mehrere der Beschuldigte treibende Kräfte beim Aufbau eines bayerischen Landesverbandes der Organisation, die zunächst in Hessen als eine Art Förderverein zur Unterstützung des rechtsextremen „Flügels“ der AfD um Björn Höcke entstanden war. „Im Rahmen der Ermittlungen haben sich schließlich keine Anhaltspunkte für eine geplante Verwendung der Erlöse zum Aufbau eines Landesverbands der von Ihnen genannten Gruppierung ergeben“, teilt Oberstaatsanwalt Weinzierl nun mit.

Das Landgericht München I prüft derzeit, ob es die Hauptverhandlung in dem Verfahren eröffnet. Der Anwalt von Alexander R. reagierte bislang nicht auf eine taz-Anfrage.

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