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Selbst hinter dem Lenkrad sitzen

Srwa Ali Hussain übte nachts heimlich Autofahren. Nun hofft sie, eine eigene Fahrschule gründen zu können

Illustration: Marén Gröschel

Auto fahren wollte Srwa Ali Hussain schon immer. „Sich frei bewegen können, schnell etwas besorgen, einfach unabhängig sein“, sagt die 35-Jährige aus der Kleinstadt Kalar. Aber für Frauen in Nordirak war es lange nicht erlaubt, selbst hinter dem Lenkrad zu sitzen. Über Jahre hielt sie sich an das Verbot. Aber sie hörte nicht auf, ihren Wunsch immer wieder vorzubringen. „Meine Verwandten haben mich ausgelacht und schlecht über mich geredet“, erinnert sie sich. Ihr Mann solle verhindern, dass sie Autofahren lerne, hieß es. Da beschloss Srwa Ali 2009, es sich selbst heimlich beizubringen. Ohnehin hätte niemand sie unterrichten können oder wollen.

Nachts, wenn ihr Mann und die Nachbarn schliefen, nahm die damals 23-Jährige ihre zwei Kinder, verließ leise das Haus und setzte die Kinder auf die Rückbank des Wagens. „Nach 6 Stunden kam ich klar mit Gangschaltung, Gas und Bremsen“, so Srwa Ali lachend, „nach rund 15 Stunden konnte ich mich auf den Straßen und im Verkehr sicher bewegen.“

Nun probierte sie fast alle Fahrzeugtypen: Zweitonner, Pick-ups, Transporter, diverse Pkws. Obwohl sie keine Fahr­erlaub­nis besaß, gab sie ihr Wissen weiter an drei Verwandte, darunter zwei Frauen. Es war eine Sensation, die sich schnell über das Gouvernement Garmian hinaus verbreitete: „ Als erste Autofahrerin von Garmian wurde ich im gesamten Irak bekannt.“ Nun meldeten sich Frauen aus Erbil, Kirkuk und vielen kleinen Orten des Landes: Sie alle hatten den Wunsch, mit Srwa Ali Autor fahren zu üben.

Layla Ahmad Wali

Die Journalistin aus der nordirakischen Stadt Kalar arbeitet als Reporterin bei dem Online-Magazin Kirkuk Now.

Allererste Voraussetzung für eine (inoffizielle) Fahrlehrerin ist aber auch im Irak eine Fahrerlaubnis. Deshalb wollte sie sich in einer Fahrschule auf die theoretische Prüfung vorbereiten. Doch ihr Mann klagte, „man verliere die Ehre, wenn eine Frau zur Fahrschule geht“. Drei Monate lang lernte sie zu Hause – und bestand den Test nicht. Erst im zweiten Anlauf schaffte sie es und erhielt die ersehnte Fahrerlaubnis.

Keine ihrer bislang rund 400 Schülerinnen habe bisher einen Verkehrsunfall verursacht, darauf ist sie stolz. Nach 15 Autostunden melden sich die Frauen bei der Verkehrsbehörde, fahren nochmals drei Stunden und können sich dann offiziell prüfen lassen. Ihre Kundinnen sind meist zufrieden, wie Nigar Rashid, die nach ihrer Scheidung für ihr Kind und sich allein aufkommen muss: „Seit ich mit meinem kleinen Auto als Fahrerin arbeite, ist mein Leben viel besser geworden.“

Srwa Alis Pionierarbeit hat erheblich dazu beigetragen, dass sich das gesellschaftliche Klima ändert und mehr Frauen sich hinter das Lenkrad wagen. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat die Verkehrsbehörde Garmian etwa 600 Frauen eine Fahrerlaubnis erteilt, so Sprecher Abdulrahman Zahawi. Er beschreibt den Prozess des Umdenkens so: „Frauen haben ebenso ein Grundrecht auf eine Fahrerlaubnis und sie halten sich besser an die Verkehrsregeln als Männer.“ Bald sollen in einem neuen Schulungszentrum sogar Fahrschullehrerinnen ausgebildet werden.

Srwa Ali, Fahrlehrerin

Vor zwei Jahren hat Srwa Ali begonnen, etwas Geld für den Fahrunterricht zu kassieren. Finanziell besser gestellt studiert sie jetzt Betriebswirtschaft. Denn: „Sollte sich die wirtschaftliche Lage im Land verbessern, werde ich meine eigene Fahrschule gründen.

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