Regisseurin über die Klimakrise: „Wir laugen den Planeten aus“
Marta Górnicka hat ein pessimistisches Stück über die Klimakrise geschrieben. Eine klimaneutrale Welt ist trotzdem möglich, glaubt sie.
taz: Was tun Sie, um klimafreundlicher zu leben?
Marta Górnicka: Ich reise anders als früher, mit dem Zug statt mit dem Flugzeug. Aber wir dürfen die individuellen Möglichkeiten nicht überschätzen: Wie groß ist unser Einfluss wirklich? Ich sehe meine Rolle eher darin, meine Stimme zu erheben: Ich muss die Maschinerie der Desinformation bekämpfen. Die will uns glauben machen, dass unsere individuellen Entscheidungen zum Beispiel beim Essen und unserem Lebensstil wichtiger seien als strukturelle Änderungen. Dabei kommen 71 Prozent der globalen Emissionen allein von 100 Unternehmen. Was wir tun können, ist die richtigen Politiker zu wählen und Druck zu erzeugen.
ist eine polnische Regisseurin und Sängerin. 2016 führte sie ihr erstes Stück in Deutschland auf. Seit vergangenem Jahr ist sie als künstlerische Beratung im Gorki Thater in Berlin.
Was ist Ihre Rolle als Künstlerin? Haben Sie damit nicht die Macht, etwas zu ändern?
Meine Pflicht als Künstlerin ist es, die drängendsten und unbequemsten Fragen zu stellen. Wir laugen den Planeten aus. Wir nutzen ihn und die Menschen darauf aus. In meinem letzten Stück “Still Life – A chorus for animals, people and all other lives“ habe ich gefragt: Wie können wir uns eine andere Welt vorstellen, die alle miteinbezieht – auch Tiere, Pflanzen und alles was lebt? Ich kann die Menschen dazu zwingen, darüber nachzudenken. Das kann einen Dialog starten.
Sehen Sie Ihre Kunst als Klima-Aktivismus?
Ja, ich sehe meine Theaterstücke als politischen und humanistischen Aktivismus. Der Auslöser für das Stück war die Wand der Biodiversität im Naturkundemuseum Berlin, eines der größten Stillleben der Welt: Die Sammlung von 3.000 toten Tiere wurde aus allen möglichen Ländern zusammengetragen und so präsentiert, als würden sie noch leben. Das wird Biodiversität genannt. Das ist für mich eine Metapher unserer Zeit, der Einstellung des Westens in Bezug auf das Leben. Das zu zeigen ist meine Art des Aktivismus, meine Methode.
Haben Sie mehr Angst vor dem Klimawandel oder haben Sie die Hoffnung, dass wir ihn aufhalten können?
Wenn man das Stück anguckt, kann man sehr pessimistisch sein. Aber die Frage ist offen: Wie kann unsere Zukunft aussehen? Wir sind Zeugen eines Klimakrieges. Wenn wir unsere Stimmen erheben und wir Politiker überzeugen können, einen grünen Planeten anzustreben, ist eine klimaneutrale Welt noch erreichbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“