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OECD-Studie zur AlterssicherungDruck auf Rentensysteme wächst

Lebenserwartung und Rente sollten verknüpft werden, so die OECD. Außerhalb Deutschlands werden Ge­ring­ver­die­ner im Alter oft besser unterstützt.

Der OECD-Bericht geht von einem Renteneintrittsalter von 74 Jahren im Jahre 2060 in Dänemark aus Foto: Saba Laudanna

Berlin taz | Die Einkommen von Rent­ne­r:in­nen wurden in der Coronapandemie durch das gesetzliche Verbot einer Rentensenkung relativ gut geschützt. Aber in Deutschland wie in anderen Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) „wächst der Druck auf die Rentensysteme, insbesondere durch die Bevölkerungsalterung“, hieß es in einer Erklärung der OECD in Berlin anlässlich der am Mittwoch vorgestellten OECD-Studie „Pensions at a Glance 2021“.

Den OECD-Projektionen zufolge wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis 2060 in den meisten süd-, -mittel- und osteuropäischen Ländern sowie in Japan und Korea um mehr als ein Viertel zurückgehen, in Deutschland um 21 Prozent.

Die Au­to­r:in­nen des Berichts sowie der Rentenexperte Axel Börsch-Supan sprachen sich dafür aus, die steigende Lebenserwartung künftig automatisch bei der Berechnung der Renten in Deutschland zu berücksichtigen. In der Politik „drücke“ man sich davor, sagte Börsch-Supan.

Im Bericht zeigte sich, dass etwa in Dänemark das Renteneintrittsalter beträchtlich steigen könnte, weil die Höhe auch an die Restlebenserwartung geknüpft wird. Der OECD-Bericht geht von einem Renteneintrittsalter von 74 Jahren im Jahre 2060 in Dänemark aus.

Steuerzuschuss muss steigen

Ein 22-jähriger Däne, der heute ins Erwerbsleben eintritt, bekommt nach dieser Rechnung später bei Beginn der gesetzlichen Rente im Schnitt eine Bruttorente von 75 Prozent des vorherigen Bruttolohns. In Deutschland mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren liegt dieser Wert laut der OECD-Berechnungen nur bei rund 42 Prozent. Im Durchschnitt der OECD-Länder beträgt der Vergleichswert 51 Prozent.

Die künftigen Senkungen der Lohnersatzquoten in Deutschland werden dabei laut dem OECD-Bericht vor allem vom sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor verursacht. Dieser misst das Verhältnis von Rent­ne­r:in­nen und Ar­beit­neh­me­r:in­nen und lässt dies in die Berechnung des Rentenwertes einfließen.

Greifen allerdings auch in fernerer Zukunft die von der neuen Ampelregierung versprochenen „doppelten Haltelinien“ für Rentenhöhe und Beitragssätze, müssten künftig die Steu­er­zah­le­r:in­nen mit einem immer höheren Bundeszuschuss das Rentensystem stabilisieren, warnte Börsch-Supan.

In vielen OECD-Ländern werden Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen im Rentensystem unterstützt. Bei Arbeitnehmer:innen, die nur die Hälfte des Durchschnittslohns verdienten, liegt die Bruttorente im OECD-Schnitt künftig bei rund 65 Prozent, in Deutschland mit der neu eingeführten Grundrente nur bei 47 Prozent des Bruttolohns, so der Bericht.

Grundrente verhindert Armut nicht

Die Grundrente sei „kein Instrument zur Verhinderung von Altersarmut“, sagte Reinhold Thiede, Entwicklungsexperte bei der Deutschen Rentenversicherung. Es gehe um die „Honorierung von langen Erwerbsbiografien“.

Thiede räumte ein, dass es bei der Berechnung des Grundrentenanspruchs, der rückwirkend ab Januar gilt, für ältere Be­stands­rent­ne­r:in­nen noch „hake“. Die Daten in den alten Unterlagen entsprächen mitunter nicht den heutigen Erfordernissen.

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5 Kommentare

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  • Rente nach Lebenserwartung ...

    Wie soll das ausgestaltet werden: Rente für die zu erwartenden letzten 15 Jahre?



    Wird eine persönliche Lebenserwartung kalkuliert? Das ist mit AI durchaus machbar.



    Ach ja, Frauen haben im allgemeinen eine längere Lebenserwartung, gerecht wäre in dieser Ausgestaltung dann wohl eine spätere Rente?



    Wenn die Lebenserwartung durch eine Pandemie oder andere Einflüsse sinkt, bekommt man dann rückwirkend Rente?

    Man sieht, dass diese Konzepte im Grund lediglich verschleiern sollen, dass der Anteil des gesellschaftlichen Einkommens und Vermögens, der für die soziale Versorgung und Daseinsvorsorge aufgebracht werden muss, möglichst klein gehalten werden soll.

  • Da ist Sie wieder, die periodisch wiederkehrende Forderung nach einer Renten-"Reform" = Rentenkürzung !!!



    Das sogenannte Problem wäre um ca. 100Mrd € pro Jahr geringer, wenn eine ehrliche Finanzierung der beitragsfremden Leistungen aus Steuermitteln erfolgen würde.



    • @Thüringer:

      Der Bund stiehlt jedes Jahr 30Mrd Beitragsmittel, da er die von ihm bestellten und über die RV abgewickelten versicherungsfremden Leistungen nicht ausgleicht.

      Jedenfalls gibt es keinen "Zuschuss" wie so oft von vielen geunkt wird sondern einen "Abfluss".

      Es ist auch eine Form von Diebstahl, da Beitragsmittel ein Eigentum begründen.

  • Es wäre längst an der Zeit den Bürgern zu diesem Thema rasch reinen Wein einzuschenken. Wenn in 10 Jahren die letzten Boomer auch noch in Rente gehen wird es schlimm für die Jungen. Denn wenn nicht vorher reduziert wird, und die alle ihre Ansprüche gewohnt sind wird es schwer dieses Rad zurückzudrehen.



    Die, die sich das eingebrockt haben seit 40 Jahren und keine Lust hatten was zu ändern müssen eben damit klarkommen weniger zu bekommen als gedacht. Auf Kosten der Jungen das weiterlaufen lassen ist für mich ein no-go.



    Mindestrente ja, Deckelung aber bei höheren Renten. Pech für die, die eingezahlt haben, und sich nicht gekümmmert haben.

    • @Tom Farmer:

      Diese Demographie-Propaganda ist einfach sachlich nicht geboten.

      Es wird schlimm für die jungen, wenn wir nicht an der Ungleichheit arbeiten. Nicht die Rentner sind das Problem, sondern dass sich das oberste 1% vom Gesellschaftsvertrag verabschiedet hat.

      Außerdem, was glauben Sie denn wie hoch eine Netto-Rente nach Inflation in 10 Jahren aussieht? Da werden 2/3 unterm oder am Existenzminimum liegen. Und das restliche Drittel wird netto und nach Sozialabgaben auch nur unwesentlich drüber liegen.



      Da ändert sich nur der Topf aber die Kosten bleiben ähnlich.

      Pech für die ganzen Menschen, die nicht vorsorgen konnten - mal a la Lindner.

      Und der Quatsch, dass mehr Kinder die Lösung wären, ist auch hanebüchen. Wenn wir eher weniger (sozialversicherungspflichtige) Arbeit haben, sind mehr Menschen keine Lösung sonder Teil des Problems.

      Es ist irre, wie immer stärker neoliberal ignorant nur über den nächsten Zug, aber nicht über die Folgen nachgedacht wird.