: Der Schwarm als Finanzier
Selbst mit kleinen Beträgen können viele Beteiligte viel auf die Beine stellen: mit sozialem, ökologischem oder finanziellem Ertrag
Von Ansgar Warner
Crowdfunding heißt Schwarmfinanzierung, klar. Doch was finanziert der Schwarm? Seitdem sich das Modell mithilfe von Social Media und elektronischen Bezahlmethoden auch in Deutschland etabliert hat, bildeten sich unterschiedliche Bereiche heraus. Am erfolgreichsten ist derzeit das Crowdinvestment, die renditeorientierte Beteiligung an Unternehmen. Die Rendite kann auch finanziell und ökologisch zugleich sein. Denn hier landet eine Menge „grünes Geld“, das in Projekte wie Null-Energiehäuser, Windkraftanlagen oder Solardächer gesteckt wird. Die Projektmacher erhöhen mit den Mitteln der Crowd ihre Eigenkapitalquote, ohne sich abhängig von Banken oder großen Investoren zu machen.
Gut angekommen ist auch das Pre-Order-Modell, bei dem Produkte mithilfe der Crowd vorfinanziert werden. Hier finden sich nicht selten umweltorientierte Gadgets, etwa innovative Elektro-Bikes. Beim Crowdfunding-basierten Spendensammeln dagegen steht nicht die Coolness eines Produkts oder der Zinsgewinn im Fokus, sondern die soziale Rendite. Auch bei dieser modernen Form des Fundraisings, sprich: Spendensammelns, hat sich die „Plattform-Ökonomie“ durchgesetzt. Große Spendenplattformen bündeln die Aufmerksamkeit und lenken die Schwarmgelder in die gewünschte Richtung.
Wie die Crowd helfen kann, zeigt ein aktuelles Beispiel: Im Kriegsgebiet Jemen herrscht Hunger, die Zahl der Binnenvertriebenen ist hoch. Zu ihnen gehört die 37-jährige Bäuerin Wafa, die jetzt mit ihrem Mann und drei Kindern unter ärmlichsten Bedingungen lebt. Unterstützung erhält sie von der Hilfsorganisation Care Deutschland, die beispielsweise mit Hausgärten-Programmen hilft.
Den bedürftigen Familien werden landwirtschaftliche Werkzeuge und Saatgut zur Verfügung gestellt. Für die Fortsetzung dieser Hilfe ist Geld notwendig. Hier kommt die Crowd ins Spiel: Gesammelt wird aktuell für die Hausgärten auf der Spendenplattform Betterplace.org, mehr als 4.000 Spender:innen haben bereits Geld gegeben. Gezahlt werden kann direkt per PayPal oder Paydirekt, ebenso traditionell mit Lastschrift oder Überweisung. Wer möchte, überweist statt einer einmaligen Spende auch regelmäßig monatlich oder jährlich seine Beiträge. Eine Spendenbescheinigung zwecks Steuerminderung gibt es auch.
Eine Übersicht zeigt, was die einzelnen Crowdfunder beisteuern. Manche geben 2 oder 5 Euro, andere 30, 50 oder 100 Euro. Meist bleiben die Spender:innen anonym, manche sind mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen sichtbar, nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.
Viele prominente Organisationen suchen auf diese Weise nach Unterstützung: SeaWatch.org etwa setzt für die Rettungsmission im Mittelmeer auf das Funding der Crowd, um Werftarbeiten und Treibstoff für die Sea Watch 3 zu bezahlen und die medizinische Ausrüstung zur Erstversorgung der Geretteten an Bord zu sichern.
Jeder Bedarfsbereich ist auf der Spendenplattform in kleinere Pakete aufgeteilt, die maximal 10.000 Euro betragen und über einen „Spendenbalken“ anzeigen, wie viel bereits zusammengekommen ist. Das motiviert zum Mitmachen, wobei eine alte Crowdfunding-Weisheit besagt: Wenn das Projekt zur Halbzeit mindestens zur Hälfte finanziert ist, wird es wahrscheinlich am Ende erfolgreich sein.
Neben Hilfseinsätzen und Projekten in aller Welt gibt es auch sehr viele Möglichkeiten, in Deutschland selbst Gutes zu tun. Etwa für ein Berliner Tierheim, das Leipziger Kinderhospiz Bärenherz oder einen Junghennen-Rettungsverein in Wolfsburg, der verletzte Tiere aus einem Bodenhaltungs-Großbetrieb veterinärmedizinisch versorgt.
Nicht zuletzt hat auch die Hochwasserkatastrophe des Sommers 2021 ihre Spuren auf Betterplace.org hinterlassen. Mit beeindruckenden Zahlen in Sachen Crowdsolidarität: Allein die Aktion „Deutschland hilft“ hat für die Flutopfer in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in nur wenigen Monaten auf der Plattform mehr als 1 Million Euro von mehr als 15.000 Spender:innen gesammelt.
Zu den besonderen Versprechen der Plattform gehören Transparenz und Sicherheit – so werden etwa die Projektfortschritte in den jeweiligen Profilen dokumentiert, teilnehmen können nur Projektträger, die selbst auch als gemeinnützig anerkannt sind. Insofern ist das Ausfallrisiko nicht ganz so dramatisch wie bei renditeorientiertem Crowdinvestment, wo formal immer mit einem Totalverlust gerechnet werden muss. Spenden wird man wohl ohnehin nur Geld, auf das man verzichten kann.
Schwund gibt es aber trotzdem. Denn wie bei anderen Crowdfunding-Formen kostet auch hier der Service etwas. 2,5 Prozent der Einnahmen gehen für die Betriebskosten der Plattform drauf, allein schon für die Transaktionsgebühren. Dafür wiederum sparen sich die spendensammelnden Organisationen wiederum einen Teil ihrer Akquisekosten, da sie auf den Bekanntheitsgrad von Betterplace.org setzen können. Allein im Jahr 2020 kamen mehr als 38 Millionen Euro zusammen, wobei jeder Crowd-Spender im Durchschnitt 72 Euro gab.
Das renditeorientierte Crowdinvestment-Volumen lag im selben Jahr in Deutschland bei 328 Millionen Euro, das meiste davon wurde in Immobilien gesteckt. Ökologisch oder sozial orientierte Plattformen wie Klimaschwarm, ecozins oder GLS Crowd konnten sich im „harten“ Investmentsektor nur einen kleinen Teil des Kuchens sichern. Im direkten Vergleich liegt die Crowd-Spendenplattform Betterplace rein nach Zahlen dagegen auf Augenhöhe mit dem Crowdinvestment-Marktführer Exporo. Aber das ist eher ein Kraut- und Rüben-Vergleich, denn das meiste Geld spenden oder investieren die Deutschen immer noch jenseits der Crowd.
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