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Ziviler Ungehorsam bei FFF in BerlinFridays jetzt radikal

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Fridays for Future hat mit der Blockade der SPD einen lang umkämpften Schritt Richtung Zivilen Ungehorsam gemacht. Die Aufregung gibt ihnen Recht.

Die SPD ist eingekreist Foto: dpa

M it bis zu 20.000 Teil­neh­me­r:in­nen gehörte die Demo zum Klimastreik von Fridays for Future am vergangenen Freitag in Berlin nicht zu ihren größten Mobilisierungen, was angesichts der kurzfristig angesetzten, lokal begrenzten Aktion weder eine Überraschung noch eine Enttäuschung war. Ein Meilenstein war es für die Bewegung dennoch.

Noch aus der Demo heraus entstand eine Blockade des Willy-Brandt-Hauses, später wurde auch die Parteizentrale der Grünen blockiert. Die streikenden Kids von FFF, die seit Jahren brav ihre Runden durch die Innenstädte drehen, sind damit einen Schritt der Zuspitzung weiter: Ziviler Ungehorsam, für andere Teile der Klimabewegung konstitutiv, kommt langsam an bei dem größten der Klimaschutzplayer.

Die Frage, wie radikal der Protest sein soll, ist seit langem eine der umstrittensten Strategiefragen bei den Fridays. Noch im August hatte sich der linkere, sprich radikalere Teil zusammen mit Akteuren wie Ende Gelände und der Interventionistischen Linken in Frankfurt versammelt, um den Normalablauf im Bankenviertel zu blockieren. Die medial präsenten Spitzen der Bewegung, die Bundesorga, hielt sich eher am Rande.

In Berlin dagegen waren sie nun in vorderster Reihe dabei: Luisa Neubauer giftete auf der Blockade gegen die SPD, Carla Reemtsma forderte am Tag des Streiks in der taz eine „Radikalisierung der Aktionsformen“. Angesichts einer sich anbahnenden neuen Bundesregierung, die absehbar die letzte Chance vergeigt, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, scheint der Schritt nur logisch.

Druck von der Basis

Daneben war der Druck der Basis groß, sich hier endlich zu bewegen. Die Aktionstage des neuen, von Ende Gelände angestoßenen Bündnisses Gerechtigkeit Jetzt, in deren Rahmen der Klimastreik stattfand, boten darüber hinaus einen gangbaren Rahmen. Angesichts einer Besetzung der Autobahnbaustelle der A100 am Folgetag war FFF trotzdem der zahmere Akteur.

Fridays for Future tut gut daran, sich nicht von vornherein in den Aktionsformen zu beschneiden.

Für einen Aufschrei im bürgerlichen Establishment reichte es dennoch. Ein von FFF gepostetes Instagrambild von der SPD-Zentrale mit dem Spruch „Wer hat uns verraten?“ zog Empörung nach sich. Die Gegner verbreiteten dabei gar ungeniert die Lüge, es handele sich dabei um eine „Nazi-Parole“. Für Reemtsma folgte in der Woche eine Einladung zu Lanz unter der Frage: „Wie radikal wird jetzt Fridays for Future?“

Ganz sicher wird die Debatte weitergehen, ob diese Thematisierung FFF mehr nützt oder schadet. Doch angesichts dessen, dass die Demos nach drei Jahren immer öfter einfach weggelächelt werden, ist diese Aufmerksamkeit ein hohes Gut. Fridays for Future tut gut daran, sich nicht von vornherein in den Aktionsformen zu beschneiden. Der zumindest punktuelle Kooperation mit Akteuren, die sich im Grundsatz radikaler definieren, wird der Klimabewegung gut tun.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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11 Kommentare

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  • Nun rächt es sich, dass FFF vor der Wahl nichts besseres einfiel als "CDU abwählen" Man hat das Ziel erreicht und bekommt die Nicht-CDU-Parteien.

    Wer Politik beeinflussen will muss mehr machen als das. Der muss auch bei kommunalpolitischen und bundeslandpolitischen Themen mehr einwirken

    Man muss Probleme konsequent vor Ort angehen, damit die Politik in die Pötte kommt.

    In Bremen waren 68 die Schüler schon weiter. Dort führten Straßenbahn-Preiserhöhungen zu den sogenannten "Bremer Straßenbahnunruhen". de.wikipedia.org/w...enbahnunruhen_1968

    Dagegen ist an der Aktion gg. die SPD nichts radikales. Es ist eine stinknormale Demonstration die sich eine Partei aus der zukünftigen Koalition herauspickt. Mehr nicht.

    • @Rudolf Fissner:

      Siehe, Staune, Gute Laune.

      Herr Fissner lobt militanten Protest.

      Das ist doch mal was.

  • "In Berlin dagegen waren sie nun in vorderster Reihe dabei: Luisa Neubauer giftete auf der Blockade gegen die SPD"

    Warum tritt sie nicht einfach auch bei den Grünen aus?

  • Und was genau hat das Klima von solchen Protesten?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Demonstranten mögen ja sehr jung sein und zwangsläufig wenig Lebenserfahrung haben, dennoch oder gerade deswegen haben sie meinen Respekt.



    Jahrelang ist doch bei all den Missständen auf den Straßen nichts passiert.



    Zu meiner Zeit verging kein Semester, ohne dass wir auf der Straße waren.

    Was ich nicht verstehe ist, dass junge Leute die FDP gewählt haben. Vielleicht fehlt hier tatsächlich die Erfahrung mit dieser Partei.

  • 2G
    29834 (Profil gelöscht)

    "... In Berlin dagegen waren sie nun in vorderster Reihe dabei ..."

    Die Wahrnehmung scheint ihr aber exklusiv zu haben! Nach Berichten von TeilnehmerInnen haben sich die beiden Kapitalisten-Erbinnen Neubauer und Reemtsma rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Schließlich ist es nicht in ihrem Interesse, wenn sich FFF radikalisiert und womöglich erfolgreicher wird, sondern ihr Job ist die Spaltung und Zersetzung der Bewegung.

    • @29834 (Profil gelöscht):

      Sie sind aber böse.

      Dass die jungen Frauen aus solchen Familien kommen, dafür können sie doch nichts.

      Dass dieser Umstand etwas damit zu haben könnte, dass sie an die Spitze ihrer Bewegung gespült wurden, das ist gut möglich.

      So ist das eben. Die beiden sind intelligent, telegen und in der Lage viele wohlgeformte Sätze hintereinander zustande zu bringen.

      In Talkshow-Deutschland sticht man damit dutzende bräsige Textbaustein-Bastler aus. Das ist auch gut so.

      Liest man das Interview mit Reemstma, dann wird schnell klar, dass sie weder die Bewegung zersetzen noch spalten will.

      Auch dass sie einer möglichen Radikalisierung im Weg stehen soll, konnte ich dort nicht finden.

      Interessanter wäre es doch zu diskutieren, was das Wort Radikalisierung bedeutet.

      Es bedeutet ja nicht, dass man Scheiben einwerfen soll oder Attentate machen sollte, es bedeutet viel mehr, die Ursachen der Misere bloßzulegen und zu erklären, warum man sehr grundlegende Veränderungen vornehmen muss.

      Radix - die Wurzel



      radikal - die Wurzel betreffend

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @Jim Hawkins:

        Die jungen Frauen sind die Spitze der Bewegung und damit , ganz in der Tradition, die daraus folgende Elite. Sie fahren und fliegen nicht, sie werden gefahren und geflogen. Die Bösen sind der Plebs, die SPD und die weniger Gebildeten , auf alle Fälle nicht die Kinder des gehobenen Bürgertums. Die, die in holpriger Sprache sprechen und auch garnicht telegen sind (z.B.wie Saskia Esken/ R. Stegner) , die sind zu verachten. Die beiden jungen Frauen werden auf jeden Fall nicht zu den Verlierern zählen, sondern im schlimmsten Fall die Klimakatastrophe auf einer Familienalm 800mtr. Über dem Meeresspiegel. Was Herkunft und Bildung bedeutet konnte man am Beispiel Sarah Lee Heinrich, auch hier im Forum, studieren. Darüber wurden keine philosophischen Abhandlungen geschrieben.

        • @97287 (Profil gelöscht):

          Na schön, sagen wir mal, ihre Analyse ist richtig.

          Dann wäre es wohl besser gewesen, die junge Leute aus der Mittelschicht hätten ihren Protest mal besser sein lassen und besser gleich straight an ihrer Karriere gebastelt.

          Das Klimathema würde nicht so hoch hängen und alle würden sich mehr um soziale Gerechtigkeit bemühen.

          Scheißele, Herr Eisele. (schwäbisch für: von wegen)

          Das wissen Sie doch genauso gut wie ich.

          Richtig und wichtig wäre es doch, beide Stränge aufzugreifen und miteinander zu verknüpfen. Dann könnte ein Schuh daraus werden, vielleicht auch nicht. Das von FFF einzufordern ist womöglich im Moment noch etwas zu viel verlangt.

          Oder wir spielen bis ans Ende unserer Tage das gute alte: Bashst-Du-mich- dann-bashe-ich-dich-Spiel. Ist ja auch wesentlich einfacher.

      • @Jim Hawkins:

        "... es bedeutet viel mehr, die Ursachen der Misere bloßzulegen und zu erklären, warum man sehr grundlegende Veränderungen vornehmen muss"

        Die Ursache der Misere Klimawandel kennt doch außer den üblichen Verdächtigen inzwischen jeder. Dafür war die Aktion überflüssig.

      • @Jim Hawkins:

        @JIMHAWKINS Große Bewunderung für Ihre Geduld, eine wohl dosierte und nüchtern begründete Antwort auf eine völlig haltlose und diffamierende Behauptung zu formulieren.