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Die WahrheitPurple Bullerbü

Aufhören mit dem andauernden Schlechtmachen von Bullerbü, aufhören, hört ihr? Was ist bloß schlecht an diesem „Bullerbyn“ in Schweden und sonstwo?

W er hat’s gesagt? Lassen Sie jetzt das im Folgenden Gesagte auf sich wirken, entspannen Sie sich, liebe Leserschaft, nichts muss, alles kann …: „Nichts ist schlecht an Bullerbü. Und Astrid Lindgren war eine Sozialrevolutionärin, […] das Bild vom Haus mit Garten, Butterblumen, Schaukel im Apfelbaum und Räubertochter-Nächte. Die Hecken müssen nicht in den rechten Winkel geschnitten werden, das Haus darf ein bisschen windschief sein, und es dürfen auch ein paar Würmer in den Äpfeln leben. Aber wenn ich Apfelbaum, Kind und Haus sage, bin ich schon ziemlich dicht bei Martin Luther. Bürgerlichkeit schlechthin.“

Tja, wer hat es gesagt? Das kann nur einer gewesen sein, und hier auch noch richtig zitiert aus der FAZ von 2013: Ja, es war Robert Habeck, Obergrüner und Oberbürger eines hübsch bürgerlichen Deutschlands. Und wo Habeck im rechten Winkel recht hat, da hat er recht. Ich kann mich ihm in diesen noch ad hoc alles und jeden und jede verteufelnden Zeiten in jenem einen Punkt, also, ich kann mich einmal nur Habeck anschließen!

Aufhören mit dem andauernden Schlechtmachen von Bullerbü, aufhören, hört ihr? Was ist schlecht an Bullerbyn, am, wörtlich übersetzt, „Lärmdorf“, das später die legendären lindgrenschen „Kinder aus der Krachmacherstraße“ inspirierte? Falunrote Holzhäuser, klare Seen, grüne Wälder, Elche, glückliche Menschen und Mittsommersonne – allemal eine zünftigere Kann-Vorstellung, ja eine gar knorke Illusion, die, ordentlich vor sich hin geträumt, auch mehr abgeht als jeder Köttbullar-Besuch in diesem pseudoschwedischen Möbelhaus.

Und viel mehr hygge ist (sorry, dänisch und mir so rausgerutscht), als zum Beispiel in Berlin von einer trutschig bauernschlauen Franziska Giffey von der SPD regiert zu werden, die sich hellsichtig humorlos im just vergangenen örtlichen Bürgermeisterinnenwahlkampf mit der Antiphrase „Berlin ist nicht Bullerbü“ geoutet hatte. Ja, Berlin ist nicht Bullerbü! Wo sie recht hat, hat sie recht, Franziska, die Kleinbürgerin Giffey.

Berlin ist zwar Bullerbü hier und da und dort – straßen-, platz-, hausweise – aber ansonsten ist Berlin ein derbes Purple Bullerbü. Sprich in etwa so etwas wie das Ende der Welt, vom singenden Gesamtkunstwerk Prince erstmals 1984 „Purple Rain“ getauft. Leider, oder ganz im Gegenteil – den Propheten sei Dank, geht Berlin, jenseits des Tourismus, nicht so gut wie jenes Vokalstück von Prince über den Ladentisch. Das hat sich nämlich seither mehr als 25 Millionen Mal verkauft und damals 24 Wochen ständig Platz eins der US-amerikanischen Albumcharts belegt.

Purple Bullerbü, auf dich mit Gebrüll! Und mit Liebe auch. Wie heißt es doch herzerwärmend bei Prince: „I never meant­ to cause you any sorrow, I never meant to cause you any pain, I only wanted one time to see you laughing, I only wanted to see you laughing in the purple rain“. Berlin? Rocks!

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Harriet Wolff
Wahrheit-Redakteurin
Seit 2013 bei der taz-Wahrheit, zeitweise auch Themenchefin in der Regie und Redaktionsrätin. Außerdem Autorin mit Schwerpunkt Frankreich-Themen
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5 Kommentare

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  • Liggers. Son lübscher Däne - a gähne! But. Ergänz hier Vorgänger mal:

    “Die Wahrheit: Ich sah schwimmende Lokomotiven.

    Bis in die Haarspitzen von Drogen inspiriert: Berühmte Kinderbuchautoren packen aus, wie sie ihre Gedankenwelten entstehen ließen.



    „Der einzig gute Weg, kindgerechte Bücher zu verfassen, sind saugute Halluzinogene“, schrieb einst Astrid Lindgren“ & das ist ihr unverwechselbar gelungen & der schnöde Krittelrest - soll schlicht den Rand halten! Gellewelle!



    Dank im Voraus. Wollnichwoll •

    Ende des Vorstehenden

    unterm——- servíce—-



    taz.de/Die-Wahrheit/!5506909/



    (e-kommune - bomfurzionös - echt -

    • @Lowandorder:

      .....„Meine Pupillen weiteten sich, meine Körperhärchen richteten sich auf, eine kolossal euphorische Grundstimmung breitete sich in mir aus. Monotone Birkenlandschaften, matschige Moore, ja das gesamte schwedische Hinterland und alle hässlichen Bälger darin empfand ich plötzlich als schön!“.....



      Das ist ein schöner Gegensatz zu... Falunrote Holzhäuser, klare Seen, grüne Wälder, Elche, glückliche Menschen und Mittsommersonne ....

      • @Ringelnatz1:

        Berliner Variante:

        “Hach - sind das aber so was von allerliebste - Ihre Kinderchens!“



        & Däh!



        “Das sind gar nicht meine Kinder!“



        “Na ditte - hab ich mir doch gleich jedacht! Daß diese verwerchelt anjepopelten Rotznasen nich Ihre Kinner sin - wa!“*

        unterm——-* ©



        Unsere alte Dame*04 (einst Fürsorgerin Roter Wedding & wohnhaft Dahlem & Charlottenburg!;))



        ps (was “n Charlottenburger🤧“ mit der 👃 - sowie dem “ewigen Taschentuch“ eines Wilhelm Busch zu tun hat - ein andermal!;)) - 🤣 -

  • Ach ja, dit tut jut.



    Wenn de sonn kleenes Tal hast, holt dir das Geschreibe wieder raus.



    Für mir is wichtig das- Wie immer erscheint dann diese blonde Frau, deren Augen und Worten ich nicht trau- i. B. einjearbeitet is.



    ...es dürfen auch ein paar Würmer in den Äpfeln leben. ..



    Erst dachte ick so schreibt nur ne Frau.



    Hab ick mir geirrt. Macht nüscht.



    ..ja eine gar knorke Illusion, die, ordentlich vor sich hin geträumt, auch mehr abgeht ..



    Auch hier großeFreude.



    Die vorherige, etwas seichte Aufzählung wird durch das, nur mir bekannte und geliebte- KNORKE- auf den richtigen Weg gebracht.



    Eigentlich hätte mir och schon ditte gereicht

    Berlin? Rocks!

    Yeah, Bethbaby



    Jeff Beck & Beth Hart - Purple Rain



    www.youtube.com/wa...eK9m4y73HY&index=5

  • Ganz starker Text. Der packt mich richtig an. Dabei kenne ich Berlin - fast – gar nicht. Nur einmal war ich dort, vor Jahrzehnten, als die Mauer noch stand. Trotzdem. Kaum gereist, lebte ich auch in „solchen“ und „solchen“ Orten und Städten. Da springt vielleicht der Funke des Gesagten zu mir über. Da werde ich so richtig knurrig, sogar so richtig fies knurrig, wenn sich Politikerinnen/Politiker die eine Stadt mitregieren wollen, hinstellen und Sätze wie eben „Berlin ist nicht Bullerbü“ „zum Schlechten“ geben. Ha Ha – selten so schlecht gelacht. Was denken die sich? Dass die mal wie eben so Leuten vorschreiben könnten, wie sie ihre Lebensumwelt erleben sollen? Ja, doch. Das ist eine ziemlich arrogante Killerphrase, das eben zitierte, die obendrein dumm ist. Mit einer Killerphrase kriegt man alles kaputt. Berlin ist nicht…! Spricht Frau Oberlehrerin. Wie kommen sie überhaupt dazu, mit eigenem Kopf über ihre Stadt zu sprechen? Wir sagen ihnen das schon. Ein „SIE können das doch gar nicht richtig“, steckt da auch mit drin. Da fängt es an dumm zu werden. Und wenn man da nicht aufpasst und sich wiedersetzt, dann läuft man Gefahr, dauerbelehrt zu werden, mit der alles klein und tot machenden Killerphrase: Das Leben ist kein Ponyhof. Ha Ha. Wer hätte das gedacht. Selten so schlecht gelacht. Kann man jemandem hinterlistiger in´s Gesicht sagen: "Halt´s Maul"? Nein.



    Kurz um (dann halt ich den Schnabel): Da muss die Kralle von der Tatze der Taz ausgefahren werden. Eine reicht aus. Die wird fein säuberlich in die Tinte getaucht und mit ihr scharf ritzend das Notwendige zu solchen Sätzen gesagt. So wie oben geschehen. Plus einer so sympathischen Sympathieerklärung an eine Stadt. In diesem Sinne: Purple Rain.