piwik no script img

Ausstellung feministischer Pop-ArtStaubsauger und Science-Fiction

Die Kieler Kunsthalle zeigt 40 Künstlerinnen der Pop-Art in den Jahren 1961 bis 1973. Viele von ihnen wurden lange zu unrecht links liegen gelassen.

Viel Pop in Pop-Art: Lucia Marcuccis Collage „Whop!“ von 1970 Foto: Paolo Mariani © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Die Kunsthalle Kiel widmet sich auf eine verblüffend nüchterne wie selbstverständliche Weise immer wieder der Kunst von Frauen, seitdem 2010 Anette Hüsch die Leitung des Hauses übernahm, als erste Frau in der damals 101-jährigen Geschichte des Hauses. Mit Werkschauen zu Corinne Wasmuth, Anita Albus, Lotte Laserstein oder der Schottin Rachel Maclean wurde so der Blick auf die Kunstwelt erweitert, ohne dass die Welt-Entwürfe von Männern unter den Tisch fielen.

Zugleich haben Hüsch und ihr Team immer wieder Zwischenbereiche der neueren Kunstgeschichte ausgeleuchtet, wenn sie etwa unlängst mit Albert Aereboe einen zeitübergreifenden wie verlorenen Maler vorstellten, der weder zum Expressionismus noch zur Abstraktion gehören wollte oder konnte.

Nun werden auf interessante Weise diese beiden Fäden verknüpft: „Amazons of Pop – Künstlerinnen, Superheldinnen und Ikonen“, titelt eine Sammelausstellung, die sich der sich auf den Weg machenden feministischen Kunst der Jahre 1961 bis 1973 widmet, eine Gemeinschaftsproduktion mit dem ­MAMAC in Nizza und dem Kunsthaus Graz. So geht es in eine Zeit, die – bis auf das bis heute magisch aufgeladene Doppeljahr 1967/68 – derzeit ein wenig aus der Zeit gefallen scheint.

Und man muss nicht verlegen sein, wenn einem Namen wie Evelyne Axell, Isabel Oliver oder Marjorie Strider nichts sagen. Denn dazu ist eine solche Ausstellung ja da, dass Vergessenes ans Licht geholt wird und dass es Unbekanntes zu entdecken gibt.

Raus aus der engen Welt der 1960er: Kiki Kogelniks „Miss Universe“ von 1963 Foto: Sammlung Natalie Seroussi, Paris © 1963 Kiki Kogelnik Foundation

Martha Rosler, Niki de Saint Phalle oder auch Elaine Sturtevant sind da noch zu sehen. Letztere kopierte künstlerisch die Werke der Pop-Art-Männer, wurde dafür lange links liegen gelassen, bis sie nach langem Schweigen und einem zweiten Anlauf endlich als Künstlerin anerkannt wurde. 2013 bekam sie in Hannover den Kurt-Schwitters-Preis, ein Jahr vor ihrem Tod.

Dabei ist diese Ausstellung zunächst angenehm unspektakulär und unaufdringlich, selbst suchend und mäandernd: Bild für Bild, Objekt für Objekt, Video für Video werden die keineswegs gradlinigen Suchbewegungen der überwiegend jungen Künstlerinnen deutlich und erfahrbar.

Und es wird sichtbar, wie sie ihr Material aus der seinerzeitigen Alltagswelt schöpften, die damals in die Konsumsphäre katapultiert wurde: mit schnellen Autos und Frauenkörpern nachempfundenen Sitzmöbeln, mit Werbeplakaten für jede Gelegenheit und erotisch aufgeladenen Haushaltsutensilien.

„Do I Love You“, fragt ein Bild von Evelyne Axell mit Lippen, aufgeschnittener Erdbeere und Papiermaske 1964. 1973 malt Isabel Oliver „Ich möchte nicht Marilyn sein“: ein Blick auf zerschnittene Spielkarten, Männerbeine in Anzughosen, die in schwarzen Schuhen enden – und auf die Beine und den wehenden Rock von Marilyn Monroe in „Das verflixte 7. Jahr“.

Hilfreich ist dazu eine Art Datenleiste oben auf der Galerie, die das Ausstellungserdgeschoss mit den Kabinetten im oberen Teil verbindet. Denn wer hat noch parat, was sich in jenen Jahren ereignete, außer der Mondlandung oder den tödlichen Schüssen auf John F. Kennedy?

Nun aber wird reaktiviert, dass im Januar 1965 der Couturier André Courrrèges den ­Minirock in seine Collection aufnimmt, zwei Monate später die US-Luftwaffe mit der Bombardierung Nordvietnams beginnt, dass am 12. März 1967 das Debütalbum von The Velvet Underground & Nico erscheint, dass am 21. Oktober 1969 Willy Brandt zum Kanzler gewählt wird oder dass sich am 6. Juni 1973 die Stil­ikone Brigitte ­Bardot aus dem Filmgeschäft zurückzieht.

So geerdet, wird einem langsam klar, in welchem Spannungsfeld von weltumspannenden Umbrüchen und einer sich bunt und aufgekratzt gebenden Alltagswelt sich die Künstlerinnen seinerzeit zu bewegen hatten.

Pseudo-Erotik im Trash-Gewand

Von Martha Rosler, der mittlerweile Grand Dame der feministischen Kunst, sind dazu einige ihrer damaligen Collagen ausgestellt, die nichts von ihrer Kraft verloren haben. Hervorgehoben werden soll ihre ausgestellte Collage „Woman With Wacuum, or Vacuuming Pop Art“: Eine schlanke Frau im figurbetonenden Rock führt galant ihren Staubsauger vor, umgeben von Ausstellungspostern mit bunten Farben und poppigen Motiven, selbstverständlich gerahmt, als seien es heutige Alte Meister.

Wie Pop-Art sich mit Pop im Sinne von Populärkultur verknüpfte und wieder trennte, das wird exemplarisch anhand einer Filmikone erzählt: Jane Fonda. Sie ist das Gesicht und die Figur und auch das Label des Films „Barbaralla“, ein pseudo-erotisches ­Sciene-Fiction-Märchen im grellen Trash-Gewand, damals ein finanzieller Misserfolg, aber wie man so sagt: oft zitiert und stilbildend (der eindrückliche Trailer ist auf Youtube zu sehen).

Die Ausstellung

„Amazons of Pop“: bis 6. 3. 22, Kunsthalle Kiel; am 7. 11. um 18 Uhr zeigt das Kieler Kino „Die Pumpe“ Ulrike Ottingers „Paris Calligrammes“

Man begegnet Fonda bald wieder: Da ist sie in einem schlichten Schwarz-Weiß-Mitschnitt einer Pressekonferenz zu betrachten, in der sie ihre Regierung anklagt. Sie war zuvor ins umkämpfte Nordvietnam gereist und hatte sich kundig gemacht. Von ihrer Rolle als Barbarella hat sie sich da längst distanziert.

Einen breiten Raum nimmt das beginnende Werk von Niki de Saint Phalle ein, ihre „Schießbilder“ inklusive. Spannend ist auch ein Blick auf das Frühwerk einer Künstlerin, die wir heute selbstverständlich als Dokumentarfilmerin kennen: Ulrike Ottinger. Sie war seinerzeit nach dem Kunststudium nach Paris gezogen, hatte sich in die dortige Künstlerszene gestürzt – und sie hat damals gemalt.

Es ist verblüffend, wie gut, wie sicher und wie pointiert ihre Malerei ist; wie sie in quadratischen Bildern aus Werbe- wie aus Zeitungs- und Fernsehbildern Grundmotive ­destilliert, die für sich stehen können, die aber auch eine szenische Anordnung ergeben. Bis sie 1969 wieder zurück nach Deutschland geht, einen Filmklub gründet und ein anderes Künstlerinnenleben beginnt. Eines, das sich auf seine Fundamente verlassen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Interessanter Beitrag!



    Ich als totaler L(u)eie finde das oben Dargebotene(Jut, wa) zeitlos.



    Der Jane Fonda Link ist, lange nicht gesehen, Supi-Quadro!



    Da stecken so viele leider nur millisekunden lang" Anspielungen" drinn, klasse.



    Klar, mußte ich los suchen.



    www.provokr.com/ar...-eternal-activist/



    Und schon trage ich wieder etwas in die PHP.



    Natürlich lese ich das zum ersten Mal. Was es doch nicht alles gibt.



    .....am 12. Februar 1961 fand im Hinterhof ihres Pariser Ateliers Niki de Saint Phalles erste von zwölf Schießaktionen statt (bis 1963). Geladene Künstlerfreunde schossen auf weiße Gipsreliefs, in die mit Farbe gefüllte Blasen eingearbeitet waren. Die sogenannten „Schießbilder“ (franz. tirs) wurden im Laufe der 1960er Jahre zuerst zu öffentlichen Aktionen und dann zu immer größeren Happenings. Ihre erste Einzelausstellung in Paris war mit „Tirs à volonté“ betitelt: Für zwei Wochen durften alle Besucherinnen und Besucher auf die Werke an der Wand schießen (Juni 1961)....



    artinwords.de/niki...-phalle-biografie/



    Ich könnte ja Bekannte*in einladen und auf die PHP schießen lassen. Getarnt durch Borhammereinsatz.



    Man ist das Aufregend!

    • @Ringelnatz1:

      Dolle Sache, wa?

      Ich kannte von Niki de Saint Phalle bisher nur die Kunstwerke im Strawinski-Brunnen in Paris.

      Ulrike Ottinger fand ich schon immer cool:

      www.youtube.com/watch?v=HRrwpPnVGdQ

      Also: Ab nach Kassel, ähm, Kiel.

      • @Jim Hawkins:

        Schön!,



        da sie ja, schreibhart, ihrer GUTEN Linie treu bleiben. (Watten sonnst!) fühle ick mir off die Kunstseite nich allene.



        OFFTOPIC!



        Berlin 2078..



        Pirat, Lawi,Wolfgang Leiberg,



        taz.de/!1529643/



        WMAJS(so long) und Freunde*in ballern auf die PHP.



        Juti!