Axel Prahl über die Zukunft: „Keine Zeit zum Nachdenken“

Aktuell ist Prahl in einem Hörspiel zu Dystopien zu hören. Ein Gespräch über Klimakrise und das politische Potenzial von Unterhaltung.

Axel Prahl mit Hut und Sonnenbrille

In zwei Folgen der Hörspielserie „Wenn wir morgen sagen“ spielt Axel Prahl mit Foto: Jens Oellermann

taz am wochenende: Herr Prahl, die Apokalypse war schon immer gute Unterhaltung. Aber steckt in der dystopischen Hörspielserie „Wenn wir morgen sagen“ auch ein politischer Anspruch?

Axel Prahl: Unbedingt. Denn „Wenn wir morgen sagen“ heißt ja eigentlich: heute. Heißt, Raubbau an der Erde. Heißt das, was wir unseren Kindern hinterlassen – schon jetzt. Das war meines Wissens auch der Anspruch, mit dem Audible dieses Projekt angeregt hat bei der französischen Drehbuchschule Conservatoire Européen d’Écriture Audiovisuelle.

Wenn wir morgen sagen“ sind fünf Kurzgeschichten in Hörspielform über Gesellschaften in der nahen Zukunft. Und zwar überwiegend dystopisch. Es geht um Knappheit an lebenswichtigen Ressourcen. Zugleich beginnt diese Woche die Weltklimakonferenz in Glasgow

… und die Koalitionsverhandlungen, bei denen sich zeigen dürfte, was wieder alles nicht unternommen wird. Die Fiktion wird erschreckende Realität.

ist „Tatort“-Fans bekannt als Münsteraner Kommissar Frank Thiel. Der 61-jährige Schauspieler und Synchronsprecher tourt aber auch als musikalischer Entertainer durchs Land. In der Hörspielserie „Wenn wir morgen sagen“ übernimmt er zwei Rollen in den Folgen „Pandora“ und „Viola“.

Sie spielen unter anderem in der Folge mit dem Titel „Pandora“ den Leiter einer Forschungsstation, von der aus in der Antarktis nach Erdöl gesucht wird. In dieser Geschichte klammern sich die Menschen an die letzten fossilen Ressourcen. Wirkt symbolisch.

So was wie das Abschmelzen der Permafrostböden in der Hoffnung, dort fossile Brennstoffe zu finden, das spielt natürlich in diese Geschichte mit rein. Das werden die Autoren zumindest im Hinterkopf gehabt haben. Der Schauplatz der klaustrophobischen Forschungsstation macht das Ganze obendrein zu einem Thriller. Das finde ich einfach ein atemberaubendes Hörerlebnis. Vor allem mit den ausgefeilten Sounddesigns und der epischen Orchestermusik. Da hat man mal tief in die Tasche gegriffen.

Sie sind im Bereich Hörspiel nicht neu. Sie erkennen da also einen Unterschied, was diesmal in dieses Genre investiert worden ist?

Durchaus. Auch die Machart war für mich neu. Das Sounddesign hat viel vorgegeben. Wir mussten oft innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens die Dialoge einsprechen. Das war stellenweise anspruchsvoll.

Da steht die zu erzeugende Stimmung über dem Komfort des einzelnen Darstellers?

Naja, nicht ganz, aber es wird miteinander abgewogen. Es heißt dann zum Beispiel: Bis zu dieser Minute sollten wir da und da im Skript ankommen. Aber wenn es mal nicht klappt, dann ist das auch nicht so schlimm, das wird dann im Schnitt gelöst. Es war jedenfalls spannend und neu, so zu arbeiten.

„Wenn wir morgen sagen“ ist eine Hörspielminiserie im Auftrag der Amazon-Tochter Audible. Die fünf in sich geschlossenen Geschichten entwerfen Dys- und Utopien im Zusammenhang mit dem Überleben der Menschheit. Sie wurden verfasst von Au­to­r*in­nen der französischen Drehbuchschule Conservatoire Européen d’Ecriture Audiovisuelle. Die Folgen unterscheiden sich zudem in Genre und Ton. So ist etwa „Pandora“ ein dystopischer Thriller im ewigen Eis, „Viola“ hingegen ist eine skurrile Tragikomödie über eine sprechende Topfpflanze.

Die Dystopie kann einem bei allem Hörvergnügen die Zukunft aber auch vergällen. Kein Öl, keine Atemluft, keine Nahrung, keine Biodiversität mehr.

Das sind ja nicht alle Geschichten. In der Folge „Viola“ geht es um Vereinzelung, nicht zuletzt auch durch Technik. Da geht es um Menschen, die so sehr im eigenen Kosmos schwirren, dass sie anfangen, sich mit Pflanzen zu unterhalten. Darin kann man, hoffe ich, auch eine gewisse Komik erkennen.

Da spielen Sie einen Mann, der sich mit seiner Topfpflanze anfreundet. Gleichzeitig lebt er in einer Welt, in der ihm von einer Roboter-Haushälterin alles bequem vor die Füße gelegt wird. Das hat was von Rückzug ins Einfache, in die Natur angesichts von technischem Fortschritt. Diese Geschichte wirkt wie eine Reaktion auf die anderen vier.

Ist nicht von der Hand zu weisen. Es geht aber auch um den Energieaufwand von Technik. Tablets, E-Autos, das ist etwas, was die Fridays for Future meiner Ansicht nach nicht immer mitbedenken. Der Verbrauch wird ja immer schlimmer.

Sofern man die alten Gepflogenheiten beibehält und die neue Technik parallel benutzt, ja. Den Fridays geht es ja um einen Wechsel vom einen zum andern.

Für mich persönlich stellen sich dann eben so Fragen wie: Fahre ich mein altes Auto jetzt noch weiter, bis der TÜV uns scheidet? Oder hole ich aus ökologischen Gründen ein E-Auto, obwohl mein Auto noch gut ist und fährt. Herstellungskosten der Batterien noch nicht mitgedacht. Ist das zum jetzigen Zeitpunkt das Richtige? Es ist ex­trem kompliziert geworden.

Da sprechen wir über den bestehenden Zwiespalt zwischen einfachen Forderungen, die eher Politik nach vorne bewegen, und dem differenzierteren Blick.

Das Blöde ist, man möchte sich die Zeit nehmen, darüber nachdenken zu können. Aber wir haben die Zeit nicht.

Die Geschichten im Hörspiel haben ja ebenfalls etwas Einfaches. Etwas Mahnendes und etwas Warnendes.

Ich glaube, man hofft, dass man über solche Geschichten ein gewisses Bewusstsein schafft für den Zustand der Erde. Wenn ich mich mit manchen Leuten unterhalte, die ich da und dort treffe, dann weiß ich nicht immer, ob sie sich so eingehend mit der Materie befasst haben. Einige brauchen womöglich einen kreativeren, nachvollziehbareren Zugang. Für sie wäre so eine Geschichte wie „Pandora“ doch noch mal ein anderer, emotionalerer Anknüpfungspunkt als etwa die Nachrichten.

Ihr „Tatort“-Kollege Jan Josef Liefers spricht in einem neuen Video kritisch von einem Alarmismus der Medien beim Thema Corona. Ich übertrage das mal auf die Klimakrise: Sehen Sie das Problem? Dass ewiges Warnen die Leute passiv macht?

Ich möchte eigentlich dazu, wie Jan Josef sich öffentlich äußert, keine Stellung nehmen. Das wird zur Genüge betrieben. In einigen Dingen bin ich da anderer Meinung. Und das kann man ja auch einfach mal so stehen lassen, finde ich.

Das ist Ihr gutes Recht. Sie müssen sich nicht zu seiner Aktion äußern – aber zum Argument?

Zum Argument kann ich sagen: Es mag sein, dass das alles ermüdend ist. Aber wenn ich einen Plastikteppich im Ozean schwimmen sehe, der größer ist als Nordrhein-Westfalen, dann komme ich nicht umhin zu warnen. Und dann muss etwas passieren. Dann müssen die Leute langsam mal aufwachen. Es kann so nicht weitergehen.

Und da ist die emotionale Ebene der Kunst auch dann hilfreich, wenn sie unangenehm ist?

Kunst, im Sinne beispielsweise dieser Hörspiele? Das denke ich. Und hoffe ich! Wenn Dystopien dazu führen, dass kleine Schritte in die richtige Richtung gemacht werden, dann wäre schon mal viel geschafft. Denn momentan sehe ich nicht mal die kleinen Schritte.

Wenn Sie an die Zukunft denken, denken Sie dann eher an eine Dystopie oder an eine Utopie?

Momentan ist natürlich Dystopie vorherrschend. Die mich aber motiviert, Dinge zu tun. Ich hätte Tempo 130 begrüßt, obwohl ich gerne schnell fahre. Das hätte mir nicht wehgetan. Ebenso wenig, wie es mir wehtut, auf Inlandsflüge zu verzichten. Also meinen Zeitplan so zu gestalten, dass es mir möglich ist, diese Wege mit der Bahn zu fahren.

Da gibt es schon länger Impulse, etwa den „Tatort“ ökologischer zu machen, indem man Emissionen beim Dreh reduziert. Sehen Sie da weiterhin ernsthafte Anstrengungen?

Auf jeden Fall. Beim letzten Dreh hatten wir zwei vegetarische Tage. Und haben darauf geachtet, dass wir eben nicht mit dem Flieger durch die Gegend jetten … wobei, da muss ich gestehen, ich musste dieses Mal doch auf den Flieger zurückgreifen, weil ich einen Wasserschaden zu Hause hatte. Da musste ich ganz schnell hin und die Bude ausräumen. Also manchmal kommt man nicht umhin. Aber wo es sich vermeiden lässt, sollte man versuchen, die Dinge anders zu gestalten. Zoom-Konferenzen machen sich gut, man muss nicht für jede Sitzung von Berlin nach Köln fliegen.

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