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Grenzregion zwischen Polen und BelarusZynischer Machtpoker

Kommentar von Barbara Oertel

Der Streit zwischen Polen und Belarus fordert erste Tote. Die EU darf dem grausamen Spiel nicht tatenlos zusehen, wenn sie neue Opfer verhindern will.

Warschau, 20. September: Kerzen für die an der Grenze tot aufgefundenen Geflüchteten Foto: Piotr Lapinski/NurPhoto/imago

W enn es noch eines Beweises für den zynischen Machtpoker auf dem Rücken Wehrloser bedurft hätte, so ist er jetzt auf schreckliche Weise erbracht: Vier Menschen haben den Versuch, über die belarussisch-polnische Grenze nach Europa zu gelangen, mit ihrem Leben bezahlt. Dieses menschliche Drama spielt sich quasi in einer Blackbox und jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit ab.

Nicht zufällig hat Polens nationalpopulistische PiS-Regierung über die Grenzregion den Ausnahmezustand auch deshalb verhängt, um Jour­na­lis­t*in­nen ihre Arbeit unmöglich zu machen. Dass sich Warschaus „christliche Nächstenliebe“ in der Flüchtlingsfrage „in Grenzen“ halten würde, war nicht anders zu erwarten. Schon in der Vergangenheit hat Polen im Gleichschritt mit Ungarn alles erfolgreich dafür getan, sich lästige Geflüchtete vom Leib zu halten.

Auch jetzt ist die Antwort eindeutig: Abschottung in Form von noch mehr Stacheldraht und Soldaten, um das Bollwerk Europa gegen unerwünschte „Eindringlinge“ abzuriegeln. Ja, nicht einmal Hilfsorganisationen werden vorgelassen, um die im Niemandsland Gestrandeten mit dem Nötigsten zu versorgen. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, dass internationale Abkommen, wie die Genfer Flüchtlingskonvention, auf der Strecke bleiben und billigend in Kauf genommen wird, Hilfesuchende elend verrecken zu lassen.

Die EU macht sich derweil als teilnehmende Beobachterin eher einen schlanken Fuß. Sie arbeitet sich – zu Recht – vor allem an dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko ab, der bei seinem Rachefeldzug gegen Brüssel Geflüchtete als politische Waffe einsetzt und von seinem schändlichen Treiben nicht ablassen wird.

Die Anzahl Geflüchteter, die schon schon jetzt zu Dutzenden unter unmenschlichen Bedingungen an der Grenze ausharren müssen, wird weiter ansteigen. Genau aus diesem Grund werden kritische Worte und Lippenbekenntnisse nicht reichen. Vielmehr muss Brüssels Maxime lauten: Aufnahme jetzt! Sonst werden die vier Toten nicht die letzten Opfer gewesen sein.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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5 Kommentare

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  • Was soll die EU machen? In Weißrussland einmarschieren um Erfrierenden dort zu helfen?

    • @Rudolf Fissner:

      Warum sollte es einen Einmarsch brauchen? Auf europäischer Seite sind es polnische Soldaten die den Geflüchteten den Weg aus dem Niemandsland versperren. Alles was es bräuchte wäre der politische Wille den dort Festsitzenden zu helfen.

      • @Ingo Bernable:

        Wenn dort ein Erfrierender ankommt wird dem geholfen. Auf weißrussischer Seite offenbar nicht. Ein Niemandsland dazwischen existiert nicht. Wo da der Wille zu helfen fehlt ist doch offensichtlich.

  • Gibt es eigentlich keine Grenzübergänge von Belarus nach Polen? Warum müssen diese Menschen über unsicheres Terrain über die "grüne" Grenze gehen? Wer als Asylsuchender einfach an einem Grenzübergang zur EU vorstellig wird, der darf nach geltendem EU-Recht nicht abgewiesen werden. Notfalls könnten internationale Journalisten diesen Vorgang von belarussischer Seite beobachten, wenn Polen die Berichterstattung behindert.

    • @Winnetaz:

      "Notfalls könnten internationale Journalisten diesen Vorgang von belarussischer Seite beobachten"



      Mir war so als ob Weißrussland eher kein so gutes Pflaster für unabhängigen und kritischen Journalismus sei.



      "nach geltendem EU-Recht"



      De facto gilt es eben nur auf dem Papier. Illegale Push-Backs und routinemäßiger Rechtsbruch findet praktisch an allen EU-Grenzen statt an denen Geflüchtete ankommen und zumindest mittelbar führt das auch dort zu Toten. Die neue Qualität am polnischen Vorgehen besteht eher in der Unmittelbarkeit mit der die Menschen dort durch die aktive und mit militärischen Mitteln durchgesetzte Festsetzung und Verweigerung von Nahrung, Wärme, ... zu Tode gebracht werden.