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ALBRECHT VON LUCKE ÜBER Die TV-ABSAGE DER KANZLERINMerkels Medien

Nun steht es also fest: Angela Merkel wird sich keiner TV-Elefantenrunde zur Verfügung stellen. Die Empörung der TV-Verantwortlichen schlägt hohe Wellen. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender meint gar: „Die Verweigerung der Kanzlerin beschädigt die demokratische Kultur.“

Tatsächlich ist es ein erstaunlicher Vorgang, dass sich eine Kanzlerin der Chance begibt, einem Millionenpublikum die Ziele ihrer Politik zu erklären. Gleichzeitig legt Merkels Kaltschnäuzigkeit die Zahnlosigkeit und Liebedienerei der Medien in der letzten Legislaturperiode bloß. Vier Jahre lang waren diese von der Kanzlerin als bewunderter „Physikerin der Macht“ regelrecht in Bann geschlagen. „Macht macht attraktiv“, das galt auch für Merkel – und mit jedem geschlagenen Rivalen, von Helmut Kohl über Wolfgang Schäuble bis Friedrich Merz, bauten die Medien sie mehr und mehr zu einer Lichtgestalt auf.

Insbesondere das Fernsehen sendete lieber schöne Bilder von der charmanten „Weltpolitikern“ im Kreise der Bushs und Putins – anstatt nach den Inhalten und Ergebnissen ihrer Politik zu fragen. Das rächt sich heute. Spätestens mit dem jüngsten Kandidatenduell mit Walter Steinmeier wurde deutlich, über wie wenig inhaltliches Profil die Kanzlerin verfügt.

Doch nun, zehn Tage vor der Wahl zeigt sich die eigentliche Stärke der Kanzlerin, nämlich ihre Fähigkeit, die Medien regelrecht vorzuführen. Merkel zeigt, wer die Zügel in der Hand hat. Man kann bereits heute sicher sein: Auf dem kommenden G 20-Gipfel in Pittsburgh wird die Kanzlerin wieder wunderbar lächeln – und das Fernsehen kurz vor dem Wahltag bereitwillig die schönsten Bilder senden. Wer wollte es Angela Merkel verübeln? Schließlich hätten die Medien vier Jahre lang Zeit gehabt, ihr energisch auf den hohlen Zahn zu fühlen. Welch vertane Chance – vorbei, verweht, nie wieder.

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