piwik no script img

Missbrauch in der KircheEntsolidarisiert euch!

Kommentar von Daniela Ordowski

Vor der zweiten Synodalversammlung muss gefragt werden: Wie weit kann ich gehen, um die katholische Kirche zu reformieren?

Der Papst Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

H eute beginnt in Frankfurt die zweite Versammlung des Synodalen Weges, des Reformprozesses der katholischen Kirche – und die Stimmung könnte kaum angespannter sein. Große Teile der Synodalversammlung kritisieren die päpstlichen Entscheidungen, den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, sowie die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff im Amt zu belassen. Alle außer Woelki hatten dem Papst ihren Rücktritt angeboten.

Es herrscht Erschütterung darüber, mit welcher Begründung der Papst die Rücktrittsgesuche abgelehnt hat. Die Tagesordnung mit 16 zu beratenden Texten der vier Arbeitsgruppen ist kaum leistbar – und all dies in dem Dilemma, bitter nötige Reformen auf den Weg zu bringen, aber eigentlich nicht mit Vertuschern zusammenarbeiten zu wollen.

Nach mehr als einem Jahr findet endlich die zweite Synodalversammlung statt, in der nun konkret zu diesen Texten Stellung bezogen werden kann. Doch bevor dies überhaupt möglich ist, ist es von enormer Relevanz, sich insgesamt zu positionieren. Stehe ich auf der Seite der Menschen – oder auf der Seite der Institution?

Wir jungen Teil­neh­me­r*in­nen an der Synode haben diese Frage auf Transparente geschrieben, denn sie ist für unser Handeln zentral – und sie sollte es auch für die Bischöfe sein. Die Studien der vergangenen Jahre, zum Beispiel die MHG-Studie, haben deutlich aufgezeigt, welche Faktoren in unserer Kirche und ihren Strukturen geistigen und sexuellen Missbrauch fördern. Diesen Machtmissbrauch zu stoppen muss das höchste Ziel des Synodalen Wegs sein.

Fatales Zeichen des Papstes

Doch die Entscheidung des Papstes, Woelki im Amt zu lassen, ist hierbei ein fatales Zeichen, vor allem an jene, die noch daran geglaubt haben, dass Taten auch echte Konsequenzen folgen. Ein Erneuerungsprozess, die Übernahme von Verantwortung und ein Aufbrechen der Machtstrukturen werden hierdurch verhindert oder es wird gar erneute Vertuschung ermöglicht.

Wo sind die Bischöfe, die mutig aufstehen und sich für ihre Werte und dann eben auch gegen die Institution wenden?

Aber wo ist der Aufschrei der Empörung darüber, dass die Ergebnisse von Gutachten in Bedenkzeit, der keine Konsequenzen folgen, und selbst gesetztem Neuanfang münden und die Beteuerung von Einsicht zu genügen scheint, um als Bischof weiterhin in einer Machtposition zu bleiben? Wo bleibt die Entsolidarisierung unter den Mitbrüdern? Wo sind die Bischöfe, die mutig aufstehen und sich für ihre Werte und dann eben auch gegen die Institution wenden? Bischöfe, die deutlich zeigen, dass es nicht die Worte eines Papstes braucht, um Verantwortung zu übernehmen. Menschen in dieser Kirche, die laut sagen, dass es in ihr keinen Raum für Menschenfeindlichkeit gibt.

Wie viel Wut können wir noch ertragen? Eine Bedenkzeit und eine brüderliche Aufforderung zur Einkehr an einen mächtigen Kardinal wie Woel­ki zu richten ist keine angemessene Reaktion. Immer wieder stilisieren sich Bischöfe – und mit ihnen ihre Kirche – zu Opfern. Doch es muss uns allen klar sein, dass die Kirche als Institution nicht das Bewahrenswerte ist, sondern die Menschen, die in dieser Kirche Heimat finden.

Es ist nicht meine Aufgabe, diese Kirche zu retten. Meine Aufgabe ist es, mutig diese Kirche zu erneuern, um sie zu einem sicheren Ort für alle zu machen. Als Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung, die seit ihrer Kindheit in der Jugendverbandsarbeit sozialisiert ist, habe ich glücklicherweise früh lernen dürfen, was es heißt, in einer Glaubensgemeinschaft verwurzelt zu sein, die Kritik als Zeichen der Liebe versteht. In meinem Jugendverband konnte ich meinen Glauben und meinen Demokratieanspruch miteinander verknüpfen.

Stärkende Erfahrungen

Mein Verband hat mir ein Fundament gegeben, das aus wundervollen Erinnerungen, Misserfolgen, die mich stärker gemacht haben, unvergesslichen Begegnungen und vor allem Vertrauen in mich selbst besteht. Ein tiefes Vertrauen darauf, dass ich einer Berufung folge und auf diesem Weg immer Menschen um mich herum habe, die mich inspirieren weiterzumachen.

Ich durfte gemeinsam mit anderen Menschen erfahren, was es bedeutet, aus dem Glauben heraus politisch aktiv zu sein, mich für die Umwelt einzusetzen, politische Beteiligung junger Menschen einzufordern – allesamt Erfahrungen, die mich stärker gemacht haben. Ich hatte immer auch weibliche Vorbilder, die mir gezeigt haben, dass Verantwortung übernehmen zu wollen nichts mit dem Geschlecht zu tun hat und dass Gleichberechtigung keine Maximalforderung ist. Unsere Posten sind paritätisch besetzt, auf Zeit gewählt und wir sind rechenschaftspflichtig.

Wir haben den Anspruch, diese Werte auch in unserer Kirche wiederzufinden, in einer Kirche, die an der konkreten Lebensrealität junger Menschen ansetzt. Das wird eine Hürde sein, die der Synodale Weg hoffentlich meistern wird: die Kirche wieder näher an die relevanten Themen zu rücken. Bedeutung zurückzugewinnen, indem die Kirche aus ihren Fehlern lernt, Schuld anerkennt, Machtstrukturen abbaut und den Menschen wieder in den Fokus nimmt.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben leider deutlich gemacht, dass die Strategie der „Null Toleranz“ bezüglich des Missbrauchs und seiner Vertuschung, von der Papst Franziskus spricht, nicht ernst genommen wird.

Vor allem habe ich für mich allerdings auch gelernt, dass wir nicht auf Rom warten dürfen, wenn wir echte Reformen umsetzen möchten, die den Fokus des Synodalen Weges im Blick behalten. Noch bin ich unsicher, ob es sich lohnt, auf die Bischöfe zu warten, dass sie mutiger werden und nicht nur von Erschütterung und Unterbrechung sprechen, sondern sie in konstruktive und authentische Reformen umwandeln. Und zuletzt bleibt die Frage, wie weit wir gehen müssen, um die katholische Kirche zu erneuern, um unserem Glauben und unseren Werten treu zu bleiben.

Hinweis:

Dieser Artikel wurde korrigiert. In der ersten Version hieß es irrtümlich, auch Kardinal Woelki habe seinen Rücktritt angeboten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Nicht reformieren - abschaffen!

  • Die Diskussion liegt leider zur Zeit sehr schief. Die W8ieheämter in der katholischen Kirche sind zunächst einmal Ämter der sakramentalen Repräsentation. D.h.: Die Bischöfe sind lineare Nachfolger der Apostel, die die Gegebwart des Wirkens Jesu zu allen Zeiten repräsentieren und garantieren. Darüber kann man nicht abstimmen. Das ist ein theologisch-geschichtliches Faktum, dass dem Zugriff von wechselnden Mehrheiten entzogen ist.

    Die Reformer werde noch merken, dass sie da gegen eine Wand rennen, egal wieviel Getöse sie in der deutschen Öffentlichkeit machen. Sie werden auch noch merken, dass die zahlreichen migrantischen Katholiken (immerhin 5 von 22 Millionen) sich in keinster Weise für ihre Anliegen interessieren. Ich habe von "Reformkatholiken" schon oft abschätzige Bemerkungen über polnische, italienische und vor allem afrikanische Katholiken gehört. Sie werden sich aber daran gewöhnen müssen, dass die jetzt hier sind und auch nicht mehr weggehen werden. (Im ZDK gibt es bei 230 Mitglieder nur die 3 Vertreter der "Fremdsprachigen Gemeinden", sprich: "Gastarbeiter", die eine Migrationsgeschichte haben. Alles andere sind deutsche Mittelstandsmenschen.

    Worüber man aber sehr wohl abstimmen kann, sind Fragen der weltlichen Macht und der Finanzverwaltung. Die sollen die Apostel und ihre Nachfolger nämlich gar nicht haben, das kann man an mindestens 20 Stellen im Evangelium nachlesen. D.h. der notwendige Schritt ist, die Kirchensteuer abzuschaffen. Die ist sowieso ein Unding. Die Spendung von Sakramenten von einer Geldzahlung abhängig zu machen, ist Ablasshandel im Quadrat.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es wäre schon einen Ausnahmesituation, wenn Kriminelle entscheidend zur Aufklärung ihrer Verbrechen beitragen würden.



    Kirchenrecht darf bei Pädophilie nicht greifen! Hier muss der Staatsanwalt einschreiten und zwar immer!



    Erwägt irgendwer noch seine Kinder in die Hände von katholischen Priestern zu geben, wenn er halbwegs bei Verstand ist?



    Die Chance ist vertan und das ist gut so. Je länger Typen wie Woelki im Amt bleiben, um so höher dürften die Kirchenaustritte sein.



    Was fehlt ist das Einschreiten des Staates. Kein direkter Griff mehr in die Lohntüten der Beschäftigten!!!!

    Und nicht vergessen. Der Papst ist der Chef dieser Vereinigung!

  • Christen müssen bedingungslos bei den Menschen, bei den Opfern, sein. Folglich muss auch die Kirche bedingungslos bei den Menschen sein. Ist sie das nicht, ist sie sinnlos. Sie ist ganz einfach kein Wert an sich, das aber wollen viele Klerikale einfach nicht einsehen. Damit zerstören sie die Kirche, jedenfalls auf Deutschland bezogen. Ich habe aber schon den Eindruck, dass manche Bistümer deutlich engagierer und ehrlicher aufklären. Dass der Papst versagt, kann jedenfalls auf keinen Fall den Glauben der einzelnen Christen beschädigen. Die Kirche von unten ist ziemlich intakt und lebendig, sie muss sich natürlich noch klarer gegen die Woelkis in der Kirche positionieren, aber sie muss auch begreifen, dass die Wut auf die Amtskirche letztendlich einer Hoffnung auf die Amtskirche entspringt. Auch dieser Beitrag ist letztendlich Ausdruck dieser kaum realistischen Hoffnung. Aber weder muss man diese Kirche retten noch erneuern, man muss noch nicht mal mit ihr reden. Sie ist einfach nicht die Kirche, wenn sie Täter schützt und Taten verschweigt und damit weitere Taten begünstigt.

  • Ihr Leben ist zu kurz, um gegen die "Hohen Herren" anzurennen, die doch immer nur den Status Quo moderieren. Da ist einfach nicht der Wille vorhanden und war es nie, substanziell etwas zu verändern. Wie viele Generationen vor Ihnen haben das schon versucht, auf der halben Welt? Wenn es jemand wirklich durchgezogen hat, gab es Kriege deswegen.

    Diese Institution braucht niemand mehr, sie verrät und missbraucht die ursprünglichen Ideale, und das schon seit vielen Jahrhunderten.

    Leben Sie ihren Glauben in einer Gemeinschaft, die Ihre Werte teilt, und in der Anspruch und Wirklichkeit nicht in krassem Gegensatz zueinander stehen.

  • Wie wäre es damit, aus der Kirche auszutreten, die Mitmenschen ebenfalls zum Austritt bewegen, damit diesen "Vereinen" keine Kirchensteuer mehr zuzugestehen, für Laizismus einzutreten und dafür, dass die Kirche keinen Cent mehr vom Staat kriegt? So kann mensch den Druck auf die Kirchen erhöhen bzw. ihnen ihre schädlichen Einflüsse verringern. Wenn mensch unbedingt glauben will, kann mensch das auch ohne bzw. außerhalb Kirche.

    • @Uranus:

      Sie haben den ganzen Artikel entweder übethaupt nicht verstanden, oder sie wollen ihn einfach nicht verstehen. Kirchenkritik als Katholik ist etwas ganz anderes als die generelle Ablehnung von Kirche oder gar Religion an sich. Mit Austritt ist weder der Autorin noch der Kirche geholfen. Der so erzeugte "Druck" ist eher gering. Mehr Druck erzeugt man sicherlich, wenn sich eine "Kirche von unten" formiert. Und was soll eigentlich Laizismus, also die klaren Trennung von Staat und Kirche, mit all dem zu tun haben?

      • @Benedikt Bräutigam:

        Den Ansatz, den ich vorschlage, ist der, den Einfluss der Kirche und damit auch die angeprangerten schlechten Einflüssen und Missbräuche zu verringern. Weniger Kirchenmitglieder bedeuten weniger Einfluss und weniger "Schaden" gegenüber den Menschen. Es bräuchte eine Austrittskampagne. Der Laizismus kann die Reduzierung des Kircheneinflusses verstärken, indem staatliche Finanzierung der Kirche auf Null gefahren wird. Defund the Catholic church.

        • @Uranus:

          Das ist aber kein Ansatz zur Reform sondern zur Zerstörung, jedenfalls in Deutschland. Rom wird dann noch ungehemmter wie gehabt weiterverfahren, sich auf Südamerika, Afrika, Polen oder Südostasien stützen, ohne Kritiker und ohne Stachel.



          Und dann noch: Wieso sollte die Kirche eigentlich weniger Einfluss haben? Finde ich nicht, ich finde Rom sollte innerhalb der Kirche weniger Einfluss haben.

          • @Benedikt Bräutigam:

            ... weil es eine patriarchale, hierarchische Institution ist. Ich halte sie für schwerlich reformierbar und finde, dass die Mitglieder sich darüber ehrlich machen sollten, was sie da alles an Gewalt, Ignoranz, Misogynie, Homofeindlichkeit und Arroganz mitfinanzieren und so sie gegen all das sind, sie konsequenterweise einen Schlussstrich ziehen sollten.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Gibt es solche Fälle eigentlich in anderen Religionsgemeinschaften auch?