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Niemand hat die Absicht, ein Hotel zu bauen

Wie eine grüne Elbphilharmonie soll ein Kriegsbunker in Hamburg bald erstrahlen. Doch der Hotelpartner ist abgesprungen. Die Gründe liegen im Dunkeln

Von Katharina Schipkowski

Das H-Wort wollte am Anfang niemand in den Mund nehmen. Pfui, ein kommerzielles Hotel, das passte gar nicht zu der angeblich von An­woh­ne­r*in­nen initiierten Aufstockung des ehemaligen Flakbunkers am Hamburger Heiligengeistfeld. Auch die Rede von der „Aufstockung“ vermieden die Projektverantwortlichen lieber, besser klang es, von der Begrünung des Daches zu sprechen, das wie nebenbei, quasi als notwendige Begleiterscheinung der Begrünung, um fünf Stockwerke, also 20 Meter, wachsen sollte – und nun auch wächst.

Als die Pläne für den massiven Aufsatz im Jahr 2014 bekannt wurden, regte sich Widerstand im von Massentourismus und Großevents geplagten Viertel. Ein Kriegsdenkmal verschandeln? Die angrenzende Straße verschatten? Noch ein Hotel, noch ein Konzertsaal, noch mehr Touris? Das schmeckte den An­woh­ne­r*in­nen gar nicht. Die Pla­ne­r*in­nen um die Gruppe „Hilldegarden“ gaben sich deshalb alle Mühe, die Vorzüge der innerstädtischen Erholungsoase in allen Grüntönen auszumalen und statt von einem Hotel lieber von einem „Gästehaus“ und von „Artist Residences“ zu sprechen. Nebenbei versuchten sie, den Protest mit ihrem besonders nachbarschaftlich-lockeren Jargon wegzukuscheln.

Schnell wurde aber klar, dass es einen Park in 60 Meter Höhe nicht umsonst geben würde – obwohl die Stadt dem Großinvestor Thomas Matzen die Kosten für die von 60 auf 99 Jahre verlängerte Erbpacht erlassen hatte. Von solchen Millionengeschenken können andere in der Branche nur träumen. Trotzdem sollte ein Luxus-Designhotel inklusive Bar und Restaurant zur Gegenfinanzierung des Dachgartens herhalten – das „Gästehaus“ entpuppte sich als 160-Zimmer große Tourist*innen-Melkmaschine, für die die spanische Kette NH Hotels im Herbst 2019 den Zuschlag bekam.

Das Unternehmen mauert

Doch im Juni dieses Jahres platzte der Deal, NH Hotels sprang ab. Warum? Das sagt das Unternehmen nicht. Die Coronakrise sei auch an der Hotelbranche nicht spurlos vorbeigegangen, hieß es schwammig in Medienberichten. Auf taz-Nachfrage sagt eine Unternehmenssprecherin lediglich: „Die Weiterführung des Projektes war fest gebunden an bestimmte Meilensteine, deren Erreichung nicht der Kontrolle der NH Hotel Group unterlagen und die bei Nichterfüllung zu einer Beendigung des Projektes führen würden.“ Dieser Fall sei leider eingetreten. Welche Meilensteine gemeint sind? Das Unternehmen mauert.

Auch das Projektmanagement des Bunkers, beziehungsweise die für solche Anfragen beauftragte Kommunikationsagentur, trägt nicht zur Aufklärung bei. Zu Vertragsinhalten äußere man sich grundsätzlich nicht, sagt der Sprecher Frank Schulze und verweist abermals auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Hotelbranche in der Pandemie. Der Branchennewsletter Hotelaffairs meldete im Mai 2020, die NH Hotel Group habe die Coronakrise im ersten Quartal 2020 deutlich zu spüren bekommen: Der Gesamtumsatz habe mit 279 Millionen Euro um 20 Prozent unter dem Wert des Vorjahreszeitraums gelegen. Das Unternehmen habe sich deshalb ein Sparprogramm auferlegt, Instandhaltungskosten und Neuinvestitionen reduziert.

Andererseits: So schlecht scheint es der Hotelkette mit 380 Hotels in 30 Ländern nun auch wieder nicht zu gehen. 2019 erzielte das Unternehmen einen Nettogewinn von 90 Millionen Euro. Noch in diesem Monat steht eine Neueröffnung in Kopenhagen an, im kommenden Jahr stehen zwei in Frankfurt an.

Während das Bunkerdach auf St. Pauli täglich wächst, ist noch nicht gänzlich entschieden, was unter der grünen Tarnkappe passieren soll. Die Gespräche laufen aber, sagt Bunkersprecher Schulze. Man werde sich für ein „sehr individuelles und maßgeschneidertes Konzept“ entscheiden, das sich „intensiv mit der Idee des frei zugänglichen Stadtgartens und dem dahinterstehenden Partizipationsgedanken“ beschäftige. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn uns das erspart geblieben wäre.

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