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Jung und alt im WahlkampfZoomer gegen Boomer

Gastkommentar von Arnd Pollmann

Frühreife KlimaaktivistInnen versus bornierte EgoistInnen: Wie wir aus der Wahlkampf-Logik des inszenierten Generationenkonflikts herauskommen.

Der Wahlkampf wird medial als Showdown eines ramponierten Generationenverhältnisses arrangiert Foto: Michael Debets/Pacific Press Agency/imago

D as Wahlkampffinale wird medial als Showdown eines ramponierten Generationenverhältnisses arrangiert: Sat.1 zitiert die Kan­di­da­t:in­nen ins Klassenzimmer, Pro7 flüstert Kindern frühreife Fragen ein, um die Be­wer­be­r:in­nen entsprechend alt aussehen zu lassen. Die Website enkelkinderbriefe.de, unterstützt von Fridays for Future und kulturschaffender Prominenz, macht aus geliebten Nachkommen plagiierende Plagen. Dort steht ein Vorlagengenerator für emotionale Erpresserbriefe bereit: „Liebe Oma, lieber Opa, ich wollte euch mal wieder schrei­ben, weil ich mir Sorgen um die Zukunft mache.“ Und ein anderer Enkeltrick sorgte jüngst auf Twitter für Furore: Die Familie einer 96-Jährigen verkündete, sie sei der Oma bei der Briefwahl behilflich gewesen. „Wo steht die CDU?“, hatte sich Oma erkundigt. Aber man versicherte ihr: „Mutter. WIR wählen die Grünen“. Und so geschah es.

Diese „verkehrte“ Nachhilfe wirkt bisweilen unappetitlich. Nicht nur werden hier Minderjährige und deren berechtigte Zukunftsängste instrumentalisiert. Zugleich wird ein identitätspolitisch bizarres Bild vom realen Zusammenleben der Generationen gezeichnet: „Wir, die Jungen, werden von euch, den Alten, unterdrückt und unserer Zukunft beraubt!“ Aber stimmt es eigentlich, dass die Älteren bloß egoistisch sind und widerwillig, den Planeten zu retten?

Wer Generationengerechtigkeit fordert, setzt zu Recht voraus, dass die Welt nicht allein den heute Lebenden gehört. Schon Karl Marx mahnte angesichts des kapitalistischen Raubbaus, die Erde sei „den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen“. Zwar muss man so weit gar nicht gehen. Es würde schon reichen, die Welt einfach nicht kaputtzumachen. Das moralische Mindestgebot lässt sich auf eine einfache sanitäre Formel bringen: „Bitte hinterlassen Sie diesen Ort so, wie Sie ihn vorzufinden wünschen!“

Manche deuten diese Pflicht religiös im Sinne einer zu bewahrenden „Schöpfung“. Andere vertragstheoretisch: Da ich niemandem zugestehe, egoistisch „unsere“ Ressourcen zu verschwenden, muss ich mich auch selbst zurückhalten; und zwar selbst noch ungeborenen Generationen gegenüber. Dritte betrachten das Problem familiär. Schon Immanuel Kant gab zu bedenken, dass Eltern ihre Kinder „ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt“ haben und damit die Verpflichtung eingehen, ihre Nachkommen „mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen“. Salopp formuliert: Statt mich zu zeugen, hättet ihr ja auch eine Viertelstunde spazieren gehen können!

Woraus aber resultiert der üble Beigeschmack jener „Zoomer gegen Boomer“-Kampagnen? Sind diese nicht einfach nur konsequent? Die zugespitzte Frontstellung wird befeuert von der Selbstgerechtigkeit tonangebender Jugendfunktionäre, die ganz genau zu wissen scheinen, wer schuld an der Katastrophe ist. Die Großeltern werden längst unironisch als „Umweltsäue“ markiert, die von ihrer automobilen Dreckschleuder nicht lassen wollen und Discounterfleisch futtern.

Es ist wohlfeil, mit dem Katastrophenwissen von heute Lebensstile von gestern zu skandalisieren

Abgesehen davon, dass es wohlfeil ist, mit dem Katastrophenwissen von heute Lebensstile von gestern zu skandalisieren: Diese denunziatorische Pauschalität wird weder dem individuellen ökologischen Fußabdruck jener hinterherhinkenden Ahnen gerecht – im Vergleich etwa zur industriell organisierten Verantwortungslosigkeit. Noch wird gesehen, dass dieser Fußabdruck von Oma zu Opa sehr verschieden ausfällt, und zwar abhängig von Diversitätskriterien, die eine „intersektionale“ Gerechtigkeitstheorie heute zu beachten hätte: Einkommen, Bildung, Herkunft, Geschlecht usw.

Arnd Pollmann ist Professor für Ethik und Sozialphilosophie an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und Autor sowie Mitheraus­geber zahlreicher Publikationen zur Philosophie der Menschenrechte.

Zweitens irritiert die Scheinfrömmigkeit, mit der man sich darüber hinwegtäuscht, dass der ökologische Raubbau Folge eines kapitalistisch produzierten Wohlstands ist, von dem auch die Kri­ti­ke­r:in­nen profitieren: reduzierte Säuglingssterblichkeit, höhere Lebenserwartung, bessere Gesundheitsversorgung, Mobilität, Online-Shopping. Man darf heute kiffen, ohne in den Knast zu wandern, die Regierung beschimpfen, ohne nachts aus dem Bett geholt zu werden, lieben, wen man will, freitags die Schule schwänzen, ohne von den Lehrern verprügelt zu werden. Wem hat die Jugend das eigentlich zu verdanken? Sich selbst?

Die dritte Aversion betrifft die undemokratische Präpotenz, mit der sich die Apparatschiks der Nachwelt nach einer „Entmündigung“ der senilen Altvorderen sehnen. Sicher, bei Wahlen geht es stets auch um die Zukunft, und an dieser ist die Jugend von heute naturgemäß mehr interessiert als die Jugend von gestern. Aber die Demokratie muss auf dem Unterschied von „überzeugen“ und „überrumpeln“ beharren. Ich persönlich kenne keine Eltern, die rufen: „Nach uns die Sintflut“. Sondern nur Eltern, die beim Wählen auch an ihre Kinder denken. Daher ein Vorschlag zur Güte.

Undemokratisch ist vor allem, dass Ältere bei Wahlen viel stärker als Jüngere ins Gewicht fallen. Das ist nicht nur der Demografie, dem Trend zur Kinderlosigkeit sowie dem Umstand geschuldet, dass Ältere häufiger zur Wahlurne schreiten. Das Wahlrecht selbst ist nicht mehr zeitgemäß. Die Stimmen eines kinderlosen Paars zählen am Wahlsonntag genauso viel wie die einer sechsköpfige Familie mit Kindern unter 18. Eine Absenkung des Wahlalters ginge da nicht etwa zu weit, sondern nicht weit genug. Wir brauchen ein „Familienwahlrecht“, bei dem Eltern für ihre Kinder mitwählen dürfen.

Leicht lässt sich erahnen, wie rasch sich die Wahlprogramme ändern würden. Der Einwand, Kindern fehle die politische Reife und Eltern könnten ihr Stimmrecht missbrauchen, geht am Kern des Problems vorbei. Mangelnde Reife herrscht auch aufseiten vieler Erwachsener. Und die Warnung vor Wahlrechtsmissbrauch übersieht einmal mehr, dass Eltern zuzutrauen ist, sich um die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen. Es bedarf also keiner Enkeltricks, damit die Demokratie aus den Kinderschuhen herauswächst, sondern einer „kleinen“ Revolution des Wahlrechts.

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36 Kommentare

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  • Zum Beitrag "Zoomer gegen Boomer"



    Konkret: "Und die Warnung vor Wahlrechtsmissbrauch übersieht einmal mehr, dass Eltern zuzutrauen ist, sich um die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen."

    Entsetzt bin ich, dass viele Eltern in der Coronazeit mit Schulschließung, Anwesenheit der Kinder zu Hause, Unterstützung bei Aufgaben für die Schule und sogar das Zubereiten eines Mittagessens zur Belastung erklärt haben!



    Zu meiner Zeit war es normal Mittagessen zu kochen, Grundschulkindern bei den Hausaufgaben zu helfen und auch die Anwesenheit der Kinder ab mittags - es war keine Belastung und die Mütter haben auch gearbeitet und das über Jahre (nicht nur ein paar Monate)!

    Zu keiner Zeit hat es mehr Unterstützung der Eltern gegeben und doch soll es immer mehr Kindern geben, die in Armut leben.



    Ist es da Eltern wirklich zuzutrauen, dass sie ein Wahlrecht für ihre Kinder verantwortungsvoller ausüben und der Rest der Wähler unverantwortungslos gegenüber Kindern und Jugendliche sind?

    Ich habe den Eindruck, dass heutige Eltern wenig zu Gunsten ihrer Kinder verzichten wollen. Weshalb sollten sie dann für ihre Kinder eine andere Partei wählen als für sich selbst?



    Wählen ältere Menschen tatsächlich nur Parteien, die ihre aber nicht die Interessen ihrer Kinder und Enkel vertreten?

    Seit langer Zeit berücksichtigt die Politik die Interessen der Kinder und Jugendlichen. Andernfalls würde es kein Kindergeld geben (ab 1955 für das 3. Kind, ab 1961 für das 2. und ab 1975 auch für das 1. Kind), zumindest aber deutlich weniger. Kinder-, Eltern- und Betreuungsgeld, Kinderfreibetrag, Förderung von Kitas und Nachmittagsbetreuung an Schulen gibt es alles ohne Familienwahlrecht!

    Der Gesellschaft kann also zutrauen werden, dass verantwortungsvoll gehandelt wird. Wenn es hinkt - das Bundesverfassungsgericht hat gezeigt, dass es auch eingreifen kann (z.B. Klimaschutzentscheidung).

    Brauchen wir tatsächlich ein praktisch nicht umsetzbares und gegen das Grundgesetz verstoßendes Familienwahlrecht?

  • Beim Familienwahlrecht (obiges Beispiel 4 Kinder) würden Vater + Mutter je 3x wählen + damit zählen die Stimmen auch 3x. Wähler, die keine minderjährigen Kinder haben wählt nur 1x und haben also nur eine Stimme.

    Zum Wahlmaximalalter: Es gibt Menschen, die noch mit 100 Jahren geistig topfit sind. Denen das Wahlrecht zu entziehen verstößt eindeutig gegen das Grundgesetz. Das vorhandene Wahlrecht schließt bereits Menschen aus, die geistig nicht mehr in der Lage sind selbst zu wählen! Da dürfen andere (Ehepartner, Kinder) für diese nicht wählen.

    Ältere Menschen sind nicht per se von der Gesellschaft abhängig (zB. Privatiere). Sie haben für Rente + Pflege mit ihren Beiträgen einen Anspruch erworben! Wenn sie "von der Gesellschaft "unabhängig" sein sollen, müsste das Generationenprinzip der gesetzlichen Renten- + der Pflegeversicherung geändert werden. Die Rentenversicherung muss + hat (leider nicht genug) Rücklagen gebildet + der Staat kräftig in die Rentenkassen gegriffen. Das müssen heutige Neu-Rentner bereits ausbaden (sinkende Rentenansprüche - zunehmende Altersarmut).



    Renten werden versteuert! Damit zahlen Rentner/innen für die Gesellschaft + auch für Ausgaben, die allen Kindern zukommen. Wenn der Staat künftig für die heutigen + künftigen Kinder Rücklagen für deren Renten bildet, zahlen die "Alten" auch für deren Renten. Damit wird das Generationenprinzip erstmals durchbrochen, in dem die Rentner und alle anderen Zahler nicht nur für die Renten ihre Eltern- + Großelterngenerationen sondern zusätzlich für die Kinder-, Enkel- + Urenkelgeneration aufkommen müssen. Ihnen dann auch noch das Wahlrecht zu entziehen oder zu kürzen?



    Und: Wie soll die vorgeschlagene Minderung des Stimmrechts praktisch umgesetzt werden? Das Geburtsdatum auf den Wahlzettel schreiben + damit das Prinzip der geheimen Wahl durchbrechen? Wie lang soll die Auszählung der Wahlzettel dauern? Eine Wochen oder länger?



    Und: Seit wann setzen Parteien ihre Wahlversprechen tatsächlich auch um?

    • @Aguileno:

      Der Text bezieht sich auf Shasus Beitrag vom 22.06.2021 um 12.46 Uhr

  • Nun, lange nichts so Kluges zum Thema gelesen. Aber wie auch andere hier, habe ich meine Zweifel in die Sinnhaftigkeit eines Familienwahlrechts.

    Es würde allemal schon etwas bringen, wenn das Gegeneinanderhetzen der Generationen endlich aufhören würde ...

  • Jede/r, der hier ein Familienwahlrecht fordert, sollte in das Grundgesetz sehen: Das Stimmrecht wird in gleicher Wahl ausgeübt. Absolut keiner kann für eine andere Person wählen. Was wäre, wenn ein politische interessiertes Kind mit z.B. 14 Jahren nicht die Partei wählen will, die die Eltern wählen? Und: Würde das Wahlrecht geändert, wo wäre die Grenze? Nur Eltern für ihre minderjährigen Kinder (bei Uneinigkeit wird 2 x gewählt oder der Stimmzettel von beiden und damit ungültig ausgefüllt - geht schon praktisch nicht, weil nur eine Person in die Wahlkabine darf)?



    Wer ist zuständig, wenn diese Kinder einen Vormund haben, der kein Elternteil ist? Dürfen Eltern und der Vormund das fremde Wahlrecht ausüben, also gleich 3 Stimmen für ein Kind abgegeben werden? Bei Kindern, die sich in Obhut befinden der Heimleiter? Eltern für ihre volljährigen Kinder, die ihr Wahlrecht wegen einer geistigen Behinderung nicht selbst ausführen können? Bei alten Menschen, die nicht mehr selbst wählen können die Ehepartner oder Kinder? Das lässt sich weiter spinnen bis zur Frage, ob z.B armer Mensch sein Wahlrecht verkaufen darf. Hier soll also das Wahlrechts aufgelöst werden, das unsere Vorfahren mühsam erkämpft haben?



    Zudem stellt sich die Frage, wer denn die Interessen der Jugendlichen nicht beachtet. Wirklich nur die alten Menschen (Großeltern, Urgroßeltern) oder nicht auch die Eltern selbst, die - wie sich auch in den Schulferien 2020 + 2021 gezeigt hat, selbstverständlich mit der Familie in den Urlaub geflogen sind und ihre Kinder auch weiterhin mit dem Auto zur Schule fahren und abholen? Das sieht man auch am Geschrei um die CO 2-Abgabe und die damit vor allem vorgerechneten Mehrkosten für Familien. Licht aus, Heizung unter 21 Grad und zu Fuß zum Bäcker statt mit dem Auto kann auch von Familien gelebt werden. Soweit es um Klima- und Umweltschutz geht, kann das von der Bevölkerung gelebt werden, eine gesetzliche Regelung bedarf es dafür nicht zwingend! Man muss es aber wollen!

  • Sehr gelungener Beitrag!

    Aber dann das:

    Wir brauchen ein „Familienwahlrecht“, bei dem Eltern für ihre Kinder mitwählen dürfen.

    Hat der Autor sich mit den Konsequenzen eines solchen Wahlsystems auseinandergesetzt?

    Welcher Elternteil kriegt denn dann das Stimmrecht? 50/50? Und wenn die Anzahl der Kinder ungerade ist und die Eltern getrennnt leben? Was dann?!

    Außerdem wäre das wie ein Mutterorden und könnte Menschen dazu bringen, aus ideologischer Überzeugung heraus ganz viele Kinder zu bekommen;



    Angenommen die Nationalisten oder Islamisten würden dann ganz viel Nachwuchs machen und die "woken" und diversen nicht (ist tatsächlich der Fall?), dann könnte es zu einem Geburtenwettrennen kommen und die Klimakrise wird dann nie bewältigt werden. Wir brauchen kein weiteres Bevölkerungswachstum



    sondern eher eine Schrumpfung, auch wenn Kapitalisten Weltweit kolabieren wüden, weil dann Die Wohnraumverknappung endlich ein Ende hätte (ist auch mein Argument gegen zu viel Migration) und die Preise für Grund und Boden erschwinglich würden und die Massenproduktion (Umweltschäliche wie Massentierhaltung) keinerlei Legitimität mehr hätte.

    Meiner Meinung nach könnte man damit Anfangen entweder diese unsägliche 5% Hürde abzuschaffen, damit nicht 9% der Wählerstimmen für die Tonne sind

    und zusätzlich mal auf Minderheitsregierungen statt Koalitionen zurückgreifen, damit die Stimme der Opposition und somit der Demokratie endlich wieder zählt! Und es sich von Thema zu Thema auch mal positionen durchsetzen können, die nicht vom Regierungsblock diktiert werden. Könnte ja sein, dass Grüne in Punkto Umwelt und Fortschritt eher mit FDP abstimmen, aber in Punkto Soziale Gerechtigkeit mit der Linken. Durch diese Ständigen Koalitionen wird Demokratie ausgehebelt und nicht durch einen fehlenden "Mutterbonus"

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Der Text hat da seine Qualitäten, wo er zum Nachdenken anregen möchte.



    Der Begriff des 'Familienwahlrechts' hilft mir gedanklich erst einmal nicht weiter.

    Mehr noch: in Zeiten der Vereinzelung stellt sich mir die Frage, wie viele Menschen überhaupt noch Familie haben. Nicht nur auf dem Papier, sondern auch in ihrem Alltag.

    Ein, wie auch immer gemeintes 'Familienwahlrecht' macht nur da Sinn, wo Familie noch Sinn- oder Strukturgebende Funktionen besitzen.

    Dies wäre im Kontext weiterer Fragen zu klären:



    ° wie sehen individuelle Vorlieben und Wünsche innerhalb von Gruppen und Systemen aus?



    ° Welche Optionen wären kurzfristig umsetzbar?



    ° Welche Optionen setzen erst einmal Veränderungsprozesse voraus, die in Gang gesetzt werden müssen?

    Fragen über Fragen. Als geistige Nahrung für mich willkommene 'Kost'.

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @32533 (Profil gelöscht):

      Mediale Darstellungen sind halt häufig nur entfernte Verwandte von realen Lebenswelten.

      Deshalb gehören für mich auch Medien - nicht nur Politik und Konzerne - auf den Prüfstand.

      Es muss ja nicht gleich der Pranger sein. :-)

  • Ja, wir brauchen ein Familienwahlrecht.



    Denn eine "Wahl" soll die Interessen von Bürgern repräsentieren und Kinder sind zweifelsfrei "Bürger", mit eigenen Interessen.



    Das sie zu vielen Dingen noch zu jung sind, um diese selber zu regeln, ist überhaupt kein Argument.



    Niemand würde z.B. ernsthaft fordern Kinder müssten enteignet werden, nur weil diese zu jung für eine eigene Vermögensverwaltung sind. Hier ist es selbstverständlich, daß die Eltern, treuhänderisch, im Sinne der Kinder die Dinge regeln.



    Genauso sollte es auch beim Wahlrecht sein.



    Wir dürfen Bürger nicht von ihrem Recht an demokratischer Interessenvertretung ausschließen genauso wie wir Bürger nicht von ihrem Recht auf Eigentum ausschließen dürfen, nur weil sie das falsche Alter haben.

    • @Paul Rabe:

      Die Vermögensvorsorge, also das Verwalten des Vermögens eines minderjährigen Kindes durch die Eltern ist nicht uneingeschränkt. So haben Eltern für bestimmte Handlungen/Verfügungen das Familiengericht einzuschalten.

      Damit müsste entsprechend Paul Rabes Vortrag also bei wichtigen Wahlentscheidungen das Familiengericht und nicht die Eltern entscheiden? Wohl kaum machbar!

  • Wahlrecht herabsenken, ja bitte.



    Familienwahlrecht, dazu habe ich keine Meinung. Ich bin Babyboomer Generation. Viele meiner Rentner Geschwister haben Große Häuser, Zweitwohnung, Zweithaus. Wohnmobil, Segeschiffe haben 2. Denken links oder Grün, aber das jeweilige Leben ist umwelttechnisch problematisch. Klar, alles selber erarbeitet. Aber sich selber mit Anfang, Mitte 70 verkleinern sollen, beschränken. Dieses Verkleinern wird wohl erst werden, wenn die biologische Uhr ein bisheriges Wohlstandsleben nicht mehr zulässt. Wie wohl bei vielen Menschen meiner Generation, wenn sie wohlhabend geworden sind.

    • @Manfred Teske:

      Was Ihre Ausführungen mit dem Wahlrecht zu tun haben soll, wird nicht deutlich.

      In vielen Bundesländern dürfen Jugendliche ab 16 wählen (Kommunalwahlen Niedersachsen seit 1996).



      Ab welchem Alter soll das Wahlrecht auf Bundesebene beginnen? 14? 16? oder doch 18?



      Der Gesetzgeber hat sich etwas dabei gedacht, dass das Wahlrecht mit der Volljährigkeit beginnt.



      Mit 18 stehen den Rechten in der Regel die volle Verantwortung gegenüber, Beispiel Strafrecht, Verträge mit einhergehenden Pflichten. Soll das Jugendstrafrecht dann in der Regel auch mit 16 enden, alle Verträge ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten bindend sein? Sollen sich nicht nur Volljährige sondern künftig auch Jugendliche hoch verschulden und Privatinsolvenz anmelden?

      Bei uns wird seit langer Zeit auf die Umwelt geachtet, Müll mitgenommen und nicht in die Natur geworfen. Keine Einrichtungen weggeworfen, weil sie nicht mehr modern ist (der 1. Wohnzimmerschrank, Sessel, Esstisch in der Stube, 1. Küchenschränke in der Küche, etc.). Bei uns werden keine T-Shirt für 2,00 Euro gekauft und nach 3 Monaten weggeschmissen. Auch fremdes Eigentum wird geachtet. Bei jüngeren Leuten ist das zu häufig nicht der Fall. Können sie dann tatsächlich schon verantwortlich handeln?



      Wie passt es zusammen, wenn Kleidung nicht nachhaltig gekauft, Müll in die Natur geworfen, Taxi Mutter genutzt wird, Flugreisen erfolgen und von älteren Generationen vermeitlich die Zukunft geraubt wird? Das zeigt für mich, dass die jungen Leute überwiegend noch keine Verantwortung übernehmen wollen oder können. Nicht für sich selbst, nicht für ihre Zukunft und nicht für andere.

      Solange wir noch Parteien haben, die hinter der Demokratie stehen, wird ein Wahlrecht ab 16 sicherlich keine negativen Folgen haben. Wie aber sieht es aus, wenn politische" Blender" zur Wahl stehen? Oder (wie sich in vielen Beiträgen leider deutlich zeigt) die Kenntnis von Demokratie verloren geht?

      Anmerkung: Reichtum bedeutet nicht mangelndes Umweltbewusstsein.

  • Gruppenbezogene Menschenfeinlichkeit nennt man das, was hier in einigen Kommentaren geschrieben steht. Diesmal gegen Ältere gerichtet, denen man mangels gesellschaftllicher Nützlichkeit die politische Teilhabe verweigern will. Widerlich. Und an den Herrn Philosophen: Schon mal was davon gehört, dass Demokratien auf der Idee der Gleichheit und nicht der Reproduktionsfähigkeit basieren?

    • @border_line:

      Gleichheit möchte man doch aber mit dem Familienwahlrecht gerade erreichen - denn die Stimmen von Kindern sind momentan eben nichts Wert. Niemand wird auf einmal mehr Kinder in die Welt setzen, um für drei oder vier Wahlen (bis das Kind alt genug ist) ein Kreuzchen mehr machen zu dürfen.

      • @Daij_Djan:

        Gleichheit wird man dadurch aber gerade eben nicht erreichen.



        Wer bekommt den die Stimme des Kindes?



        Vater? Mutter? Die Stimmen der Söhne an den Vater, die der Töchter an die Mutter? Beide sprechen sich ab und wählen nicht mehr geheim?

        Abgesehen davon gibt es Menschen, die keine Kinder bekommen können. Ist das denen gegenüber gerecht?

        Was ist mit Eltern, die ihre Kinder verwahlosen lassen? Bekommen die auch mehr Stimmgewichtung?

        Abgesehen davon sehe ich häufig gerade bei sehr kinderreichen Familien eher wenig Interesse am Wohl der Kinder. Das ist nur eine persönliche Beobachtung, emirische daten habe ich dazu keine.

      • @Daij_Djan:

        Gab es das nicht schon früher mal ? Nur da ging es nach dem jeweiligen gesellschaftlichen Stand des Wählers: Adelige 10 Stimmen, Handwerker 3 Stimmen, Bauern und Leibeigene 0 Stimmen... Tja, so kommt alles wieder ;-)

        • @Logisch denken:

          Ich sage nicht, dass das Familenwahlrecht perfekt wäre - im Gegenteil ;) Ich teile selbst die Vorbehalte dagegen.



          Aber von vermeintlicher "Ungerechtigkeit" zu sprechen, wenn Kindern einen politische Stimme gegeben werden soll, ist halt in meinen Augen einfach nur vollkommen unangebracht.

  • Radikale Idee: Ein Jahr lang Aktionen betreiben gegen Gruppenkonkurrenz. Ziel: Akzeptanz und Toleranz gegenüber allen Gruppen, die friedlich leben wollen, statt sie gegeneinander aufzubringen. Akzeptanz von alt gegen jung, arm gegen reich, einflussreich gegen relativ machtlos, gebildet gegen ungebildet, Toleranz gegenüber allen Religionen, allen politischen Haltungen, allen Ethnien usw.



    Aber das schafft keiner.



    Dafür glauben zu viele, dass es legitim wäre, bestimmte Gruppen hämisch und herablassend zu behandeln und Stimmung gegen sie zu machen sowie niederträchtiges Reden und teils Verhalten gegen sie zu legitimieren.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Die Großeltern haben, als sie jung waren, gegen den Willen der Urgroßeltern, Hitler gewählt.



    Also um so älter, um so mehr Schuld.



    Anderseits, auch Junge können Bullshit anrichten.

  • Mannmannmann, was fuer ein intellektuell duerftiger Text. Da werden Horrorstories aus obskuren Quellen weiterverbreitet ueber Omas, die angeblich von ihren Angehoerigen gezwungen werden, gegen ihren Willen die Gruenen zu waehlen. Dann dient "Ich persoenlich kenne keine Eltern, die..." noch als "Argument", die Forderung nach dem "Familienwahlrecht" aus der Mottenkiste hervorzukramen! : (



    Dem Philosophieprofessor ins Stammbuch: Si tacuisses...

  • Es ist schon unglaublich, wie hier "Altenbashing" betrieben wird. Ältere Menschen sollen also weniger Rechte haben als junge. Vielleicht entziehen wir dann auch einem 30jährigen schwer kranken Menschen das Wahlrecht?



    Junge Leute wählen möglicherweise eher sorgenvoll-verträumt die Parteien, die eine tolle Zukunft versprechen. Ältere Menschen haben dagegen Lebenserfahrung und damit Realitätssinn, dass viele Dinge nicht so einfach zu lösen sind, wie manche es versprechen.



    Übrigens gibt es ein "einfaches" Mittel gegen die Übermacht der Boomer: Kinder kriegen. Dann haben wir in 18+Jahren möglicherweise wieder einen Überhang an jungen Wählern. 😉



    Sagt jemand, der weder boomer noch zoomer ist.

    • @Emsch:

      Nein, es geht explizit nicht darum, dass Ältere weniger Rechte haben sollen als Jüngere. Es geht darum, dass Kinder momentan eben Null Rechte haben - und man das "eventuell" mal ändern sollte.

    • @Emsch:

      Niemand fordert weniger Rechte für Ältere. Aber man fordert, völlig zurecht, daß auch Kinder im demokratischen Willensbildungsprozess "Macht" also "Wählerstimmen" bekommen.



      Das deren Eltern diese Macht dann "treuhänderisch" einsetzen, wäre logisch.

  • Die Boomer haben ihren Eltern vorgeworfen, dass sie von ihnen einen schmutziggrau-verseuchten Himmel über Bitterfeld und dem Ruhrgebiet übernehmen mussten.



    Für die Eltern dagegen bedeuteten wieder rauchende Schlote die Verheißung von Wohlstand und Frieden.

  • "Die Stimmen eines kinderlosen Paars zählen am Wahlsonntag genauso viel wie die einer sechsköpfige Familie mit Kindern unter 18. Eine Absenkung des Wahlalters ginge da nicht etwa zu weit, sondern nicht weit genug. Wir brauchen ein „Familienwahlrecht“, bei dem Eltern für ihre Kinder mitwählen dürfen."

    Nein, wir bräuchten ein Wahlmaximalalter, wie es auch ein Wahlmindestalter gibt. Den Jungen spricht man die Urteilsfähigkeit ab eine klare politische Meinung zu haben (das ändert sich auch nicht durch eine Bevormundung durch d. Eltern), dann sollte man auch konsequent sein, und den Älteren eben jene Mündigkeit auch absprechen, da diese am Ende ihres Lebens weitestgehend von der Gemeinschaft abhängig sind, sei es durch Pflege, Rente, o.ä.

    Wenn man einen solchen radikalen Schritt nicht will, dann gäbe es auch noch die Möglichkeit Stimmen nach Alter zu gewichten. Warum? Ein 20-jähriger muss mit der Politik, die er gewählt hat, deutlich länger zu Rande kommen als ein 80-jähriger, und auch trägt er im Normalfall aktiv zum Staatshaushalt bei. Da macht es also nur Sinn, dass jemand, der die Rechnungen bezahlt auch mehr Mitspracherecht bzgl. der Investitionen hat.

    Wahlalter absenken auf 16 Jahre sollte aber in allen Überlegungen gesetzt sein.

    • @Shasu:

      Oder wir führen einen Test vor der Wahl ein zu verschiedenen Fragen über das Funktionieren der Gesellschaft. Da könnte dann zum Beispiel auch jemand aussortiert werden, dem nicht bewusst ist, dass das Beziehen von Rente keine Abhängigkeit ist, sondern das Resultat von 45 Jahren Einzahlen in eine Sozialversicherung. Mit mathematischen Fragen könnte man auch Leute aussortieren, die glauben, dass ein sozial abhängiger 20 Jähriger Student/Azubi im Regelfall mehr zum Staatshaushalt beiträgt, als ein 80-Jähriger, der Rente bezieht, Aktien und ein Haus hat und seine Ausgaben voll versteuert.

    • @Shasu:

      Auch wenn Ihre Vorschläge auf den ersten Blick verlockend klingen, dennoch gehen diese an der Realität der Demokratie vorbei.

      Maximalalter: Wie wollen Sie bestimmen wer noch mündig ist und wer nicht? Oder einfach pauschal allen ab 70 oder besser mit dem Renteneintrittsalter die Mündigkeit aberkennen!?



      Wieso dann nicht gleich die linken und die rechten Ränder beschneiden?

      Gewichtung: In den allermeisten Fällen muss der 20 jährige genauso lange mit der gewählten Politik leben wie der 80 jährige, nämlich genau 4 Jahre. Es sei den er stirbt, was auch leider den 20 jährigen treffen kann.



      Wenn wir schon die Gewichtung einführen dann doch bitte auch nach Bildungsstand, nach Steueraufkommen oder nach Gesellschaftsbeitrag. Jemand der 12 Millionen steuern zahlt, sollte doch 120mal mehr Gewichtung bekommen als derjenige mit nur 100.000.



      Jemand der einen Doktor hat doch bitte 100mal soviel wie jemand mit Hauptschuleniveau.

      Wenn Sie anfangen die Demokratie zu modellieren wie es ihnen passt, dann sind wir Putin und Erdogan näher als uns lieb sein sollte.

    • @Shasu:

      Maximalalter? Das wäre aber gegen irgendein Recht. Außerdem können dann die Jungen doch nicht mehr bei der Briefwahl helfen.



      Was kommt als nächste das Geschäftsunfähige nicht mehr wahlen dürfen?

  • "... dass es wohlfeil ist, mit dem Katastrophenwissen von heute Lebensstile von gestern zu skandalisieren [...]"

    Aber die Lebensstile von heute darf mensch wohl ein Bisschen skandalisieren, oder?

    Ich schlage ja immer vor, dass die Stimmen der Alten weniger zählen: proportional zur statistischen Restlebenserwartung [1].

    Zumindest, wenn's um Entscheidungen geht, die weit in die Zukunft reichen, wie derzeit.

    Ich verstehe nicht, warum ich dabei auf so wütende Reaktionen stosse ;-D

    [1] Full disclosure: bin selber 65. Mein Stimmfaktor betrüge also irgendwo um die 0.2 oder 0.3.

    • @tomás zerolo:

      Dass die Erstähler mehrheitlich die FDP gewählt haben, ist an Ihnen vorbeigezogen?

  • Alles was in der Politik entschieden wird und vor allem alles, was nicht entschieden und verschleppt wird, trifft langfristig vor allem die junge Generation. Daher wäre ich für eine Stimmengewichtung: Die Stimmen der jungen Wähler (18-40) zählen dreifach, die der mittleren (41-64) doppelt und die der alten (65-) einfach. Dann werden die Jungen viel mehr als heute wahlentscheidend. Wenn sie dann immer noch Parteien des Weiter-So wählen, sind sie halt selber schuld und müssen verdient die Folgen tragen.

    • @steschlieb:

      Denkanstoß:

      Demnach müssten auch die Stimmen der unteren Einkommensschicht viel mehr Gewicht haben, den Sie haben eine geringere Teilhabe am Wohlstand und müssen Ihr Interesse besser vertreten bekommen.

      Das Spielchen lässt sich beliebig weit spinnen und darf sich meiner Meinung nach nicht mehr Demokratie schimpfen!

    • @steschlieb:

      Und wer eine deutlich geringere Rest-Lebenserwartung hat (männlich, Unterschicht), dessen Stimme wird besonders gering gewichtet?



      Dann sind wir (fast) wieder beim preußischen Dreiklassenwahlrecht gelandet.

  • Wahre Worte, gut geschrieben.

    Wobei, bei aller



    "„intersektionale“ Gerechtigkeitstheorie heute zu beachten hätte: Einkommen, Bildung, Herkunft, Geschlecht usw."



    die stärkste Korrelation zum individuellen CO2 Fussabdruck wohl am Einkommen hängt. Der Gesellschaftsabdruck belastet aber stark.

    Bei der Schlussfolgerung "Familienwahlrecht" sollte man aber nicht zuviel erwarten.

    1. Werden Eltern heute immer älter ( bleiben aber trotzdem Zoomer, wie auch die Boomer, jedenfalls die, die nicht an Skype hängen).

    2. Selbst bei einer Wahlumfrage unter Jugendlichen kamen die Grünen nur auf ca 20% (und das wohnortabhängig).

    Jugend ist also nicht alles.

    • @fly:

      Ich würde auch das "Familienwahlrecht" weniger als Optimierung Richtung Grün sehen, sondern eher Richtung einer näheren Idealdemokratie "Jede Stimme zählt".

      • @ROM:

        "Ich würde auch das "Familienwahlrecht" weniger als Optimierung Richtung Grün sehen..."

        Meine Eltern haben mal gesagt, sie hätten solange wir Kinder noch nicht erwachsen waren immer die CDU gewählt, weil das einfach die familienfreundlichste Politik für Familien mit drei oder mehr Kindern gemacht haben.



        erst als wir alle 18 waren, haben sie zum ersten Mal was anderes gewählt.