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Polizeigewalt im Hambacher WaldFast ein Meilenstein

Bernd Müllender
Kommentar von Bernd Müllender

Der Einsatz des gewalttätigen Ersten Hauptkommissars im Hambacher Wald war rechtswidrig, urteilt ein Gericht. Konsequenzen muss er aber nicht tragen.

Todde Kemmerich wurde Opfer von Polizeigewalt im Hambacher Forst Foto: Heike Lachmann

D er süßeste Traum des polizeilichen Gewaltopfers Todde Kemmerich hätte wohl so ausgesehen: Schadenersatz – wie jetzt bekommen – und üppiger Verdienstausfall, vorneweg aber Konsequenzen für den Täter: Vermerk in der Personalakte, am besten Entfernung aus dem Dienst. Und vor allem: endlich strafrechtliche Ermittlungen, Haftstrafe, Abführen in Handschellen, die er, Kemmerich, am besten noch selbst hätte anlegen dürfen.

Das konnte das Aachener Landgericht am Dienstag nicht leisten. Immerhin verurteilte es das Land NRW als Dienstherrn des übergriffigen Polizisten auf Schadenersatz. Dessen Einsatz: rechtswidrig. Punkt. So ein Urteil ist fast ein Meilenstein. Der gewalttätige Polizist war nicht etwa ein nervenschwacher Jungbulle, sondern Erster Polizeihauptkommissar mit fünf stolzen Sternchen auf jeder Schulter.

Er müsste als Anführer einer Einsatzhundertschaft eigentlich ein Vorbild sein. Völlig ohne jede Not und Hektik hatte er den offensichtlich gewaltfreien Demonstranten im Hambacher Wald angesprungen, zu Boden gerissen und gemeinsam mit herbeieilenden Kollegen massiv verletzt. Einfach weil er glaubte, die Macht dazu zu haben. Der Erste Polizeihauptkommissar Dietmar Z. darf als Schandbegriff in die deutsche Polizeigeschichte eingehen.

Herzlichen Glückwunsch! Dennoch: Solch ein einzelnes Erfolgserlebnis gegen Polizeiwillkür macht die vielen unbeachteten Fälle nicht ungeschehen. In Polizei- und Justizkreisen gilt eisern: Ein Huhn hackt dem anderen kein Auge aus. Verfahren werden verschleppt, Ermittlungen fantasiereich abgeblockt. PolizistInnen als Angeklagte vor Strafgerichten sind in der deutschen Justiz fast so selten wie eierlegende Hähne.

So hat das Verfahren für den sprunggewaltigen Mann auch keine Folgen. Er selbst ist nicht verurteilt. Er bleibt im Dienst. Das ist der dicke Wermutstropfen. Ein Kilometerstein bleibt das Urteil trotzdem. Und die ermittlungsunwilligen StaatsanwältInnen hätten für ihre Tatenlosigkeit guten Grund, sich zu schämen.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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10 Kommentare

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  • Vermisse den Zusammenhang zu "gemeinschaftlichen Totschlag" bzw. Mord. Gibt es niemand der Berufung gegen das Urteil einlegt? Eltern? Schadenersatz in Höhe von *.......* Euro. Ist dem Staat kein Menschenleben wert?



    "Im Namen des Volkes" kann es nicht sein.

  • Mal vom Thema abgesehen: Dieser Kommentar klingt wie "Post von Wagner", nur ohne das Bild von dem Großohrenzombie. Gruselig

    • Bernd Müllender , Autor des Artikels,
      @Samvim:

      Das finde ich skurril. Was genau bitte löst bitte die Assoziation zu diesem Wagner aus?

  • RWE = Heimat- und Umweltzerstörer!



    Stop Kohle (und Atom) sofort!

  • RS
    Ria Sauter

    Ein Land in dem wir gut und gerne leben.



    Mir wird übel!

  • Polizeibashing vor allem mit diesen Worten finde ich absolut nicht angebracht.

    • @Der Cleo Patra:

      Dann mal mit ehra Worten. Nur Mut.



      Wir dürfen sicher gespannt sein. Gelle.

      unterm—— kl Vorlage



      “ Laschie von 11/12jährige Kids im Interview abgeledert!



      “VG Köln - AG Aachen!?“ -



      De Öcher Prent am fuuteln: “Es gibt ja noch Obergerichte!“



      Kids“ACH DAS GERICHT LÜGT?!“ “



      direkted by Lowando 🥳 -

  • Mit gut 10 Jahren Dienstrecht - aktiv in der Friedensbewegung aktiv & persönlichen Erfahrungen kann der Einschätzung nur zustimmen.

    unterm——- btw kl. Tipp —



    Liggers. Strafrechtlich wird gegen den feinen Herrn nichts laufen. But!



    Dienstrechtlich aber schon=> Dienstaufsichtsbeschwerde •



    Die von mir gerade etwas karikierte - FFF - ist hier begrenzt probates Mittel!



    Gerade weil - die anschließenden Tätlichkeiten unaufgeklärt sind.



    Zwar is mit Karriere bei sonem Fünf-Sterne-Lulli nich mehr viel!



    Aber seine Personalakte versauen! Lohnt immer!



    Im günstigsten Falle langt es i.Ergebnis für einen - EDEKA-Vermerk!



    ENDE DER KARRIERE - Is doch auch was!

    kurz - Die Hoffnung stirbt zuletzt!

    (ps & Däh - in meiner letzten entsprechenden “Unternehmung“ - wa!



    vs nen komplett durchgeknallten Drei-Pickeligen strotzte die Entscheidung des Vierpickeligen nur so vor Dienstpfichtverstößen!!



    Uns reichte es aber - Der Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang bleibt - Ergebnis egal - unausrottbar in der Fünfpickeligen Personalakte.



    Was hier angesichts der staatsanwalt-&gerichtlichen Feststellungen ein “echtes Pfund“ ist •



    Nur Mut & 🍀 - Lowando - 🥳 -

  • Ich als völlig unbescholtener Normalo, seit 15 Jahren auf keiner Demo gewesen, wechsle mittlerweile die Straßenseite, wenn ich einen Bullenwagen sehe. Das ist einfach ein gewalttätiges Milieu, mit dem ich nichts zu tun haben möchte...

    • 0G
      02854 (Profil gelöscht)
      @kditd:

      Dann auch besser nicht anrufen wenn Mann/Frau mal Hilfe braucht!