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Neues Regierungsbündnis in SchottlandGrüne regieren mit SNP

Zwei Grüne treten in Schottlands Regionalregierung ein, weil Nicola Sturgeons SNP keine Mehrheit im Parlament hat.

Schottland feiert gern. Hier nach dem 0:0 gegen England, 18. Juni Foto: Robert Perry/ap

London taz | Zum ersten Mal treten Grüne in Großbritannien in eine Regierung ein. Dies ist das Resultat eines am Freitag angekündigten Kooperationsabkommen zwischen Schottlands Grünen und der in Schottland regierenden SNP (Scottish National Party). Es benötigt jedoch noch die Plazets des SNP-Parteivorstands und der grünen Basis in Schottland.

Zusammen halten die beiden Parteien die Mehrheit der 129 Sitze des schottischen Parlaments. Der SNP fehlte nach den schottischen Parlamentswahlen im Mai, in welcher sie 64 Sitze holten, die erhoffte absolute Mehrheit. Diese besteht nun mit Hilfe der acht grünen Abgeordneten.

Aus Sicht der SNP-Regierungschefin Nicola Sturgeon ebnet das den Weg zu einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum. Die beiden Parteien haben unter anderem vereinbart, ein solches bis spätestens 2023 und je nach Weiterentwicklung der Pandemie durchzuziehen. Dennoch bedarf es nach wie vor hierfür der Zustimmung der britischen Regierung in London, die das bisher entschieden ablehnt – das letzte Unabhängigkeitsreferendum fand 2014 statt.

Aus Sicht der Grünen kommt das Mitspracherecht pünktlich vor der Weltklimakionferenz Cop26 im schottischen Glasgow im November. Da trifft es sich auch, dass der Co-Leiter der schottischen Grünen, der 48-jährige Patrick Harvie, ein Berater in sexueller Gesundheit und Aktivist für Gleichberechtigung der LGBTQIA+-Community, selber Abgeordneter Glasgows ist. Die Grünen erhalten zwei mindere Regierungsposten, welche Harvie selber und seine 45-jährige Co- Chefin Lorna Slater, Ingenieurin in Elektromechanik und Klimaexpertin, einnehmen werden.

Geeinigt haben sich die beiden Parteien zu gemeinsamen Zielen in der Verkehrs-, Energie-, Bau- und Wohnungspolitik, die im Einklang mit Klimazielen stehen, etwa eine Erhöhung der Leistung der Offshore-Windkraft auf bis zu zwölf Gigawatt bis 2030, eine Überprüfung von bestehenden und zukünftigen Öl- und Gaslizenzen und Berichten zu einer emissionsfreien Zukunft Schottlands. Auch wollen die beiden die Menschenrechte in Schottlands Justizsystem stärker verankern, Gendergesetze reformieren und den Natur- und Artenschutz ausweiten, darunter neue Limits für den Fischfang vor der schottischen Küste setzen.

Um Uneinigkeiten zuvorzukommen, sind einige Themen ausgenommen. Dazu gehören die Außenpolitik im Falle der Unabhängigkeit Schottlands und die Beibehaltung der Fuchsjagd und der Privatschulen – beides wollen die Grünen nicht, die SNP aber schon.

„Wir kommen aus unseren Komfortzonen heraus“

Sturgeon sagte, das Übereinkommen „trifft die Herausforderungen und Chancen der Zeit, mit Verweis auf den Klimanotstand und die wirtschaftliche Rehabilitation nach der Pandemie und dem Brexit.“ Sie betonte, dass die Parteien ihre unterschiedlichen Identitäten beibehalten. „Dies ist keine Koalition, wir stimmen nicht in allen Punkten überein. Aber wir kommen aus unseren Komfortzonen heraus, um uns auf das zu konzentrieren, bei dem wir miteinander übereinstimmen“, sagte sie am Freitagnachmittag.

Dort unterstrich auch Harvie, dass dieses historische Abkommen nicht zu einem bedeutenderen Zeitpunkt hätte kommen können: „Wir müssen ein faireres und anteilnehmenderes Land aufbauen und alles in unserer Macht stehende tun, um die Oberhand über den eskalierenden Klima- und Naturnotstand zu erlangen und einen gerechten Übergang für alle zu schaffen. Dieser Deal wird das liefern.“

Umweltorganisationen wie Friends of the Earth hießen das Abkommen willkommen. Die Gewerkschaft GMB, welche auch Ar­beit­neh­me­r*in­nen in der Öl- und Gaswirtschaft vertritt, sprach sich besorgt aus.

Die Opposition aus Konservativen, Li­be­ral­de­mo­kra­t*in­nen und Labour ist dagegen. Für die Konservativen schadet das Regierungsbündnis der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen, während Labour die Grünen als Lakaien der Nationalisten beschimpft, die sich lieber auf Umweltpolitik konzentrieren sollten.

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