„Polizeiruf 110“ aus München: Kammerstück ohne Mehrwert
Die neue „Polizeiruf“ aus München ist der Versuch, etwas Neues auszuprobieren. Doch Spannung will in „Bis Mitternacht“ nicht aufkommen.
Natürlich, es war im Januar. Ein Blick ins Presseheft bestätigt den Verdacht: Die neue „Polizeiruf“-Folge aus München, mit Verena Altenberger als Elisabeth Eyckhoff, ist in der Hochphase der dritten Pandemiewelle entstanden.
Denn das Ganze ist ein Kammerstück. Also übersichtlicher Raum, übersichtliches Ensemble. Die Geschichte beginnt an einem Abend um 22 Uhr in einem Verhörraum, noch zwei Stunden Zeit, um den Mordverdächtigen ohne richterlichen Beschluss festzuhalten, „Bis Mitternacht“ eben, wie die Folge heißt.
Na ja, und damit ist eigentlich schon alles erzählt. Da sitzt ein junger Typ, Jonas, Physikstudent (Thomas Schubert). Verdacht: Serienmord. Und die Eyckhoff, einigermaßen frisch im Team, versucht, ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Aber es ist nur küchenpsychologisierender Smalltalk. „Da hast du dich doch so und so gefühlt, oder?“
So geht das die ganze Zeit. Dazwischen Rückblenden, die Jonas mit Kapuzenpulli in Hausfluren zeigen. Als sie mal kurz aufs Klo geht, haut ein anderer Beamter dem Verdächtigen eine rein, das war’s an Aufregung. Die Folge ist sichtlich der Versuch, mal etwas „anders“ zu machen. Dafür ist der „Polizeiruf“ ja auch da!, mag man sich in der zuständigen Redaktion gesagt haben. Nur: wozu? Spannend isses nicht. Gibt ja keinen Fall zu lösen. Krass gefilmt isses auch nicht. Irgendein Mehrwert: öh – nö.
Ah, ja, der Soundtrack ist super
Dass, wie es dann gerne heißt, „der große“ Dominik Graf Regie führte, ist ebenso wumpe wie dass das Drehbuch von Filmjournalist Tobias Kniebe ist. Ah, ja, okay, der Soundtrack ist super, klingt zwischendurch gar nach ’nem seltenen Bowie-Song.
Auch Folge 4 mit Verena Altenberger lässt einen nur wieder einmal daran denken, in was für einer traditionsreichen Filiale sie gelandet ist. Vor ihr Matthias Brandt, davor Edgar Selge und Michaela May.
Polizeiruf 110: „Bis Mitternacht“, So., 20.15 Uhr, ARD
Wie schwer ihr Spiel auszuhalten ist, fällt erst recht auf, als auf einmal Michael Roll auftaucht. Als Ex-Kommissar. Er hatte Jonas drei Jahre zuvor schon mal am Wickel. Aber ihm nix nachweisen können. Nun holt man ihn dazu, die Zeit rennt. Ausgerechnet Roll, der eher roboterhaft in Erinnerung ist, Rosamunde Pilcher, „Traumschiff“, „Um Himmels Willen“, „Die schnelle Gerdi“, na ja, aus Zeiten, als man halt noch Fernsehen geschaut hat.
Roll also, der ein derart souveränes Spiel aus dem Ärmel schüttelt, dass es einen ganz verdattert. Vielleicht könnte man ja seinen Vertrag verlängern? Auf unbestimmte Zeit? Bayerischer Rundfunk, wie wär’s?
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