piwik no script img

Wahlkampf in BerlinGiffey will es grau

Wieder wird ein Gesetz von Rot-Rot-Grün durch Giffey gestoppt. Doch in der SPD erwacht die Kritik an ihrem Kurs Richtung CDU und FDP.

Bauen, bauen, bauen. Die ganze SPD ist jetzt eine Betonfraktion. Die ganze? Foto: Christian Mang

Berlin taz | Beton. Das war einmal der liebste Werkstoff der Sozialdemokraten. Mit Beton wurde die Kahlschlagsanierung im Wedding und in Kreuzberg vorangetrieben, mit Beton verdienten sich die von der SPD protegierten Baulöwen goldene Hände, und wer in der SPD was werden wollte, zählte sich natürlich zur Betonfraktion.

Zwar schienen die Berliner Sozialdemokraten in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwas bunter geworden zu sein. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey die Partei wieder auf die traditionelle Farbe einschwören will – grau.

Jüngstes Beispiel ist die Berliner Bauordnung. Zwei Jahre lang haben Sozialdemokraten, Linke und Grüne an einer Novelle des Regelwerks gearbeitet, es sollte noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. Mit der neuen Bauordnung wären Dächer und Fassaden grüner geworden. Das Bauen wäre erleichtert worden, der alternden Gesellschaft wäre mit mehr Barrierefreiheit Rechnung getragen worden. Doch am Montag teilte die SPD-Vertreterin Iris Spranger Grünen und Linken mit, dass die Gespräche beendet seien. Dem Tagesspiegel verriet Spranger, diese Kehrtwende sei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey abgestimmt.

Neben dem Mobilitätsgesetz ist die Bauordnung das zweite Vorhaben aus dem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag, das kurz vor Ende der Legislatur platzt. „Ein starkes Stück“, nennt das der grüne Bauexperte Andreas Otto, der den Entwurf mit seinen Kollegen Daniel Buchholz (SPD) und Michail Nelken (Linke) ausgehandelt hat. „Es gab eine Beteiligung der Verbände und der Bezirke, vor allem aber gab es einen Senatsbeschluss, dem auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller zugestimmt hat“, ärgert sich Otto. „Und jetzt plötzlich zieht die SPD die Notbremse.“ Für Otto ist die Sache klar: „Das ist die Giffey-Linie. Die wollen jetzt eine andere Koalition.“

BBU diktiert Giffeys Agenda

Tatsächlich gab es kaum inhaltliche Bedenken, die nicht aus dem Weg geräumt hätten werden können. Der Verband Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen BBU etwa hatte kritisiert, dass die Quote der barrierefreien Wohnungen im Neubau von 50 auf 66 Prozent erhöht werden solle. Das sei eine Neubauhürde, weil diese Wohnungen bis zu 15 Prozent mehr kosten.

„Sollte die Novellierung so beschlossen werden“, hieß es in einer Pressemitteilung des BBU vom 18. August, „wäre das ein weiterer harter Schlag gegen bezahlbaren Wohnraum in Berlin.“ Im BBU sind nicht nur die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften organisiert, sondern auch private wie die Deutsche Wohnen. Sie diktieren jetzt offenbar der SPD die Agenda.

In einer letzten Runde hatten sich die drei Fraktionen nach der Kritik des BBU allerdings darauf verständigt, es bei 50 Prozent barrierefreien Wohnungen zu belassen. Der einzige Kritikpunkt, den Iris Spranger noch vorbringen konnte, war deshalb die mangelnde Ausstattung der Bezirke, die neue Ordnung umzusetzen. „Wenn das jetzt das Kriterium ist, ausgehandelte Vorhaben platzen zu lassen, kann man die Arbeit gleich einstellen“, sagt dazu ein Sozialdemokrat.

Auch SPD-Mann Buchholz ist überrascht. Noch vor ein paar Tagen hat der Umweltexperte der Fraktion mit Franziska Giffey in der Wilmersdorfer Straße Wahlkampf gemacht. Nach dem Aus für die Bauordnung fragt er sich nun: „Wie wollen wir die Absenkung des CO2-Ausstoßes um 70 Prozent bis 2030 ohne Maßnahmen im Gebäude-Sektor bewerkstelligen?“ Für Buchholz ist Klimaschutz nicht nur ein Lippenbekenntnis. „Man kann doch nicht immer über Klimaschutz reden, ihn aber da, wo er beschlossen ist, wieder kippen.“

Andere Sozialdemokraten werden noch deutlicher. Gegenüber der taz kritisiert ein Genosse, dass nun auch dem letzten klar werden müsse, mit wem Giffey koalieren wolle, nämlich mit CDU und FDP in einer Deutschlandkoalition.

Mieterberatung gegen Mietenwahnsinn

Tatsächlich macht Giffey aus ihren Vorstellungen zur Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Mietenpolitik keinen Hehl mehr. In einem Namensbetrag im Tagesspiegel vom Samstag breitete sie ihre mietenpolitische Agenda aus. Die besteht in der Bestandspolitik lediglich aus einer etwas passgenaueren Mietenbremse. Ansonsten verweist sie auf mehr Angebote bei der Mieterberatung. Über Maßnahmen gegen Umwandlung in Eigentumswohnungen oder Luxusmodernisierung verliert Giffey kein Wort. Mieterberatung gegen Mietenwahnsinn: Bei solchen absurden Vorschlägen muss sich Giffey nicht wundern, wenn der Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen am Ende erfolgreich ist.

Das seien Vorschläge, die noch hinter die Politik der SPD-Bausenatoren Müller und Geisel zurückfallen, sagt ein Sozialdemokrat der taz, der davon spricht, dass Giffey nun den Bogen überspannt haben könnte. In einem aber blieb sie sich treu. 20.000 Wohnungen pro Jahr will Giffey bauen – und gleich nach der Wahl damit starten.

Da ist er wieder, der Beton. Im Gründe ist er das Ende der rot-rot-grünen Koalition. Nicht nur bis zum Wahlabend, sondern darüber hinaus. Denn grau können CDU und FDP besser. Und auch dem Grauen wird kein Einhalt geboten. Auch Steingärten sollten in der Bauordnung verboten werden. Jetzt sind die Gärten des Grauens wieder en vogue, Franziska Giffey sei Dank.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Plagiieren, Blockieren und Betonanrühren sind nunmal die Kernkompetenzen von Frau Giffey. Schade für die engagierten SPD-Wahlkämpfer, dass sie praktisch für CDU und FDP werben. Und schade für Berlin, dass das heimische Wahlvolk so dumm ist, die SPD hier zur stärksten Partei zu wählen.

    • @Dorian Müller:

      Das wird sich noch zeigen. Nach einer Groko in Berlin plus FDP-Implantat kann Giffey gleich die Schrippen für den Beerdigungsschmaus ihrer Partei bestellen. Für die vielen schwarzen Limousinen würde dann sicher auch der Platz auf den Straßen reichen.

      Das ginge übrigens gegen die Stimmung in der Stadt, die ja der jetzigen Dreier-Koalition nicht vorwirft, dass sie zu forsch vorgegangen ist, sondern dass sie zu wenig umgesetzt hat. Siehe die ungebremste Freude, die schon bei ein paar pop-up Radwegen aufkam. Angesichts der AfD und Quarkdenker brauchen wir überparteiliche linke Solidarität mehr als je zuvor, Madame Giffey!

  • Was will die Titelbelügerin eigendlich noch in der Politik ?

    Eine Schande dass die noch immer in Amt und Würden ist.

    Eine Schande für die SPD !!!!

    Eine Partei die das duldet zeigt überdeutlich, dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt - und ist unwählbar.

  • 8G
    8190 (Profil gelöscht)

    Tja, wer wird uns verraten?

  • Giffey tritt in die Fußstapfen von Ebert, Noske, Schröder und Co. nach dem Motto:

    Wer hat uns an die Kapitalisten verraten, die Sozialdemokraten!