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Andreas Speit Der rechte RandWie die Taliban der AfD im Wahlkampf helfen

Foto: Jungsfoto: dpa

Die AfD hat ihr Wahlkampfthema gefunden: Eine drohende Krise der Flüchtlingspolitik durch die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. „Einen Kontrollverlust wie 2015 darf es in Deutschland nie wieder geben“, sagt Alexander Wolf, stellvertretender Fraktionsvorsitzender derAfD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Aus internen Schreiben, die der taz vorliegen, geht hervor, dass die Landesverbände im Norden unzufrieden mit dem laufenden Wahlkampf sind. Ein starkes Auftreten wird vermisst. Ängste vor größeren Fluchtbewegungen zu schüren, ist ein Terrain, das die AfD kennt und das sie bisher für sich nutzen konnte.

Während die Landesregierungen im Norden anbieten, Ortskräfte aus Afghanistan aufzunehmen, hält die AfD dagegen. Claus Schaffer, Mitglied der AfD-Gruppe im schleswig-holsteinischen Landtag, erklärte zwar, dass „die afghanischen Ortskräfte (…) in den Fokus der Evakuierungsoperation genommen werden“ müssten, er betont in einer Pressemitteilung allerdings: „Afghanistan darf jedoch nicht zu einer Neuauflage des Jahres 2015 mit ungeregelter Massenmigration nach Deutschland werden.“ Und er wettert: Das „Mantra ‚Wir schaffen das!‘“ wäre „ein fatales Willkommens-Signal in Richtung Afghanistan“.

Die Ankündigung der rot-schwarzen Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, lehnt die dortige AfD-Landtagsfraktion ebenfalls ab. Der Vorsitzende der Fraktion, Nikolaus Kramer, warnt vor einer „Büchse der Pandora“ durch „weitere Flüchtlinge“. Und Dirk Nockemann, Hamburger AfD-Vorsitzender meint: „Hamburg hat als eng begrenzter Stadtstaat keinen Platz. Die gleichen Leute, die gegen steigende Mieten und Wohnungsmangel auf die Straße gehen, sagen im nächsten Atemzug, ‚Hamburg hat Platz‘.“

Auch Unions-Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet war schnell dabei zu warnen: „2015 darf sich nicht wiederholen.“ So schnell lässt sich die AfD jedoch ihr Wäh­le­r:in­nen­kli­en­tel nicht abspenstig machen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende aus Niedersachsen, Jens Kestner, macht sich via Twitter lustig: „Ob das Auswärtige Amt beim ­Schreiben an die Taliban auch gendert?“

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Der Bremer Politologe Lothar Probst schätzt, dass wenn „tatsächlich ein Flüchtlingsstrom Richtung Europa und Deutschland“ einsetze, die AfD ein Thema hätte, das sie aus dem Umfragetief herausbringen könnte. In Umfragen ist sie gerade noch zweistellig. Im Juni 2015, vor der Krise der Flüchtlingspolitik, lag die AfD zur Bundestagswahl bei 4 bis 5 Prozent. 2017 zog sie mit 12,6 Prozent in den Bundestag ein.

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