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Streit um Klimaschutz in HamburgWahlkampf im Senat

SPD und Grüne streiten um eine Verschärfung des Hamburger Klimaschutzplans. Der Bundestagswahlkampf spielt dabei allerdings eine übergroße Rolle.

Will mit mehr Klimaschutz aus der Krise kommen: Jens Kerstan Foto: Georg Wendt/dpa

Hamburg taz | Es knirscht zwar nicht zum ersten Mal seit der Bürgerschaftswahl im Februar 2020 im rot-grünen Senat, aber: Dass Rote und Grüne wie Ende letzter Woche auch öffentlich übereinander herzogen, gab es lange nicht. Im Streit um eine Verschärfung der Hamburger Klimaschutzziele ging es bei einer Sitzung der Senatskommission für Klimaschutz und Mobilitätswende am Donnerstag hoch her. Dafür, dass keine Einigung zur Verschärfung erzielt wurde, schieben sich beide Seiten die Schuld zu. Dabei wäre Eile geboten.

„Ich finde es bedauerlich, dass wir uns in der Senatskommission noch nicht auf wirklich ehrgeizige Klimaziele und ein Verfahren zur Überarbeitung des Klimaplans einigen konnten“, ließ Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nach der Sitzung frustriert mitteilen. Das wiederum veranlasste die SPD, Kerstan vorzuwerfen, dass er außer großen Plänen kaum etwas Konkretes vorschlage. „Aufgeregte Reaktionen und Anwürfe bringen den Klimaschutz nicht voran“, konterte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf.

Rückenwind erhielt Kerstan von der neuen Grünen-Landesvorsitzenden Maryam Blumenthal. „Es ist mir ein Rätsel, warum die SPD im Senat jetzt blockiert, wenn es um ehrgeizige Klimaziele und konkrete Maßnahmen geht, die wir in einem neuen Gesetz verankern wollen“, sagte sie der Welt. Dass einzig eine blockierende SPD schuld am Streit sei, ist allerdings höchstens die halbe Wahrheit.

Dass es in der Koalition bald Streit geben könnte, hatte sich in den Tagen zuvor angekündigt: Da hatte Kerstan öffentlich einen großen Wurf beim Klimaschutz in Hamburg angekündigt. Kerstan will, dass Hamburg in den kommenden neun Jahren den CO2-Ausstoß auf 70 Prozent reduziert. Klimaneutral soll Hamburg dann bereits 2040 sein. Bislang hatte sich die Koalition auf eine langsamere Reduzierung geeinigt.

Tschentscher mit „irritierendem Selbstlob“

Verbunden hatte Kerstan seinen Vorstoß allerdings mit Wahlkampfforderungen der grünen Kanzlerinkandidatin Annalena Baerbock – mit einem Sofortprogramm wollen die Grünen im Fall einer Regierungsbeteiligung eine Reihe von Klimaschutzmaßnahmen zügig anpacken.

Der Klimaschutzplan

Seit 2011 hat Hamburg einen Klimaschutzplan. Kurz vor der Bürgerschaftswahl hatte der Senat den Plan fortgeschrieben und darin neue Ziele vereinbart.

Um 55 Prozent bis 2030 soll Hamburg den CO2-Ausstoß demnach reduzieren. 2050 solle die Stadt dann klimaneutral sein.

Die Grünen wollen nun, dass Hamburg bereits 2040 klimaneutral ist – etwa durch Solardächer auf Großparkplätzen oder durch die Steigerung des Fernwärmeanteils an der Versorgung auf 35 Prozent.

Doch genau wie Kerstan den Bundestagswahlkampf anzuheizen versucht, hatte es auch Peter ­Tschentscher (SPD) jüngst getan: Für Kopfschütteln nicht nur bei den Grünen sorgte, dass der Erste Bürgermeister der Deutschen Presseagentur sagte: „Die Fridays-for-Future-Bewegung ist Rückenwind für meinen Kurs.“

Das Thema Klimaschutz sei der SPD nicht erst eingefallen, seitdem junge Leute dafür auf die Straße gehen, betonte er. „Irritierendes Selbstlob aus den Reihen des Senats hilft den Bür­ge­r*in­nen und dem Planeten nicht weiter“, entgegnete darauf Annika Rittmann, Sprecherin der Hamburger Fridays-for-Future-Gruppe.

Dass am Klimaschutzplan dringend gebastelt werden muss, ist allerdings seit Monaten klar. Weil das ursprünglich beschlossene Verbot des Neu-Einbaus von Ölheizungen ab 2022 mit Bundesrecht nicht vereinbar ist, stehen Hamburgs Klimaziele ohnehin schon auf wackeligen Beinen. Mit der Maßnahme sollten mehrere Hunderttausend Tonnen CO2 jährlich eingespart werden.

Am Dienstag, so ist aus Rathauskreisen zu hören, soll der Streit, wie es bei der Verschärfung der Klimaschutzziele weitergehen wird, auf Senats­ebene fortgeführt werden. Dass eine Verschärfung der bisherigen Ziele kommt, gilt als sicher. Fragt sich nur, wie viel Tempo der Senat zulegen will.

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