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Beschränkungen für FußballfansMotor des Fortschritts

Zugangsprivilegien für Geimpfte? Das war hoffentlich am ersten Spieltag der Bundesliga nur ein Anfang, denn der Fußball kann noch viel mehr.

Doppelt- und kreuzgeimpft: der Kölner Geißbock Hennes, Wahrzeichen des 1. FC Köln Foto: Marius Becker/dpa

H andeln hat Konsequenzen, vor allem Nichthandeln, das muss jedem Bürger klar sein in diesen Monaten. Die pandemische Notlage von nationaler Tragweite kann nur mithilfe des Fußballs gelöst werden. Von daher war es ungemein wichtig, dass große Bundesliga-Vereine an diesem Wochenende ein Zeichen gesetzt und Impfpatrioten den Vorrang beim Stadioneintritt gegeben haben.

Dass die Klubs allerdings auch potenziellen Viruslastträgern den Zugang – freilich nur im überschaubaren Rahmen – erlaubten, ist eine Unvorsichtigkeit, die hoffentlich bald vom RKI und dem Gesundheitsministerium aufgearbeitet wird, zumal die Inzidenzen wegen der Impfleugner überall durch die Decke gehen. Karl Lauterbach sollte diese Inkonsequenz der Klubs bei seinem nächsten Talkshow-Auftritt thematisieren. Vor Beginn der kommenden Spieltage sollte klar sein, dass es nur ein Entweder-oder geben kann, kein Sowohl-als-auch.

Zum Glück hat sich ja bereits die Koordinierungskommission der Bundesligisten zur Förderung des Fanverhaltens (KdBFF) Mitte August gegründet und Anfang dieser Woche eine Sondersitzung in Frankfurt am Main anberaumt, um Vereinsführungen, die noch am Primat der Gesundheitsprävention zweifeln, auf die richtige Spur zu setzen.

Es kann nur über eine Vereinheitlichung der Ansichten und Maßnahmen funktionieren, auch das muss jedem klar sein, ebenso wie die Pandemiebekämpfung nur ein Anfang sein kann bei der Überzeugung von zumeist männlichen Fans, die von Natur aus ja rassistische, homophobe und politisch anrüchige Ansichten inkorporiert haben.

Starker Wille zur Umsetzung

Deswegen ergingen zuletzt von allen Erst- und Zweitligisten Vorschläge zur Verhaltensverbesserung, über deren stufenweise Einführung diskutiert werden soll. Der Zeithorizont: kurzfristig. Die Maßnahmendynamik: groß. Der Umsetzungswille: stark.

Der SC Freiburg schlug vor, nur noch Vegetarier ins Stadion zu lassen, eine naheliegende Idee aus Gründen des Klimaschutzes. Dass die Breisgauer dem Bratwurstbrater nicht explizit verbieten wollen, Schweinswürste auf den Grill zu legen, gilt als Beleg für den liberalen Ansatz des Klubs.

Borussia Dortmund möchte nicht nur die 2G-, sondern auch die BMI-Regel durchsetzen. Alle Personen, die über dem Wert von 26 liegen, also nach dem Body-Mass-Index schon leicht zur Korpulenz neigen, dürfen nicht mehr ins Stadion, da hilft auch die Erklärung, man habe sich zu einer Diät entschieden, nicht. Um das zu kontrollieren, werden demnächst sogenannte Durchzwingtore am Einlass installiert, die nur Dünne passieren können.

Der FC Bayern München möchte künftig nur noch eingetragene Mitglieder ins Stadion lassen. Bei Überbuchung haben die dienstälteren Mitglieder Vorrang. Bei Hertha BSC soll der Nachweis der Fußballfachkompetenz erbracht werden: Passieren darf fürderhin nur, wer beweisen kann, dass er mindestens einmal sechst- oder höherklassig in einem Verein Fußball gespielt oder Fußball-Kolumnen in einschlägigen Magazinen veröffentlicht hat.

Eintracht Frankfurt wirbt damit, jedem Fanklub einen Covid-Liaison-Officer nach dem Vorbild der Olympischen Spiele von Tokio beizuordnen – sowie einen Beauftragten für zivilgesellschaftliches Engagement; Mitglieder von Fanklubs, die sich dieser Maßnahme zur Disziplinierung von Aerosol-Assis und Betonköpfen entziehen, erhalten keinen Eintritt mehr.

Der FC St. Pauli forciert eine paritätische Verteilung von Frauen und Männern im Stadion. Drängen zu viele männliche Fans hinein, werden diese abgewiesen. Dies soll begleitet werden von einer massiven Werbekampagne, die sich an potenzielle Anhängerinnen wendet; außerdem verbilligen sich deren Tickets um 50 Prozent.

Das alles zeigt: Die KdBFF erweist sich als verantwortlicher gesellschaftlicher Rollenspieler. Der Fußball geht voran als Motor des Fortschritts.

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