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Airbnb will mit Berlin „kooperieren“„Der Vorschlag ist dreist“

Airbnb will Ferienwohnungsvermieter selbst registrieren. Das hieße, den Bock zum Gärtner zu machen, sagt Dominik Piétron vom Bündnis digitale Stadt.

Airbnb aus der Stadt jagen Foto: Florian Boillot
Erik Peter
Interview von Erik Peter

taz: Herr Piétron, Airbnb hat angekündigt, auf Berlin zuzugehen und etwa ein Online-Registrierungssystem für Ver­mie­te­r*in­nen von Ferienwohnungen entwickeln zu wollen. Was ist davon zu halten?

Dominik Piétron: Es gibt schon lange Auseinandersetzungen zwischen Berlin und Airbnb. Vor dem Hintergrund des bisherigen Mauerns des Konzerns ist das eine Ablenkungsstrategie. Der Vorschlag, das Genehmigungsverfahren der Stadt durch ein Registrierungsportal von Airbnb zu ersetzen, ist dreist. Die Probleme müssen von der Stadt gelöst werden.

Im Interview: Dominik Piétron

30, Soziologe an der Humboldt Universität und Mitglied im Bündnis digitale Stadt Berlin.

Was genau stellt sich Airbnb vor?

In Berlin gilt seit einiger Zeit, dass jeder, der seine Wohnung zwischenzeitlich an Tou­ris­t*in­nen vermieten will, eine Genehmigung samt einer Registriernummer beim Bezirksamt beantragen muss. Airbnb geht es darum, dies zu umgehen. Sie wollen selbst die Genehmigung und Registriernummern erteilen und im Gegenzug dafür ein paar Daten an die Stadt geben.

Der Konzern verweist auf Hamburg und andere Städte, wo das gut laufen soll.

Airbnb wendet hier das Prinzip „teile und herrsche“ an und hat so manche Städte über den Tisch gezogen. In Barcelona war ein Großteil der von Airbnb bereitgestellten Daten fehlerhaft. Das Unternehmen hat zunächst ein Interesse daran, die Zahl der Vermietungen hochzuschrauben. Eine Begrenzung wie in Berlin steht dem entgegen. Man sollte den Bock nicht zum Gärtner machen und Exekutivaufgaben nicht an Airbnb übergeben. Die Erteilung einer Genehmigungspflicht ist Aufgabe der Lokalverwaltungen und sollte mittelfristig auch digital erfolgen – dann aber bitte auf Open-Source-Basis und datenschutzkonform.

Um was für Daten geht es da, und könnten die für Berlin auch nützlich sein?

Airbnb stellt wenn überhaupt nur aggregierte Daten bereit, die monatsweise die Anzahl der Gäste pro Stadt oder deren Herkunft ausweisen. Die aber helfen wenig, um eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung voranzutreiben. Zur Bekämpfung illegaler Vermietung und Zweckentfremdung braucht es einen Zugang zu fehlerfreien, nicht-aggregierten Daten, mit denen illegale Vermieter identifiziert werden können – Falschparker genießen auch keinen Datenschutz.

Warum ist der Kampf gegen Ferienwohnungen wichtig?

Steuerbetrug

Daten Im Juni 2020 hatte die Steuerfahndung Hamburg gerichtlich etwa 10.000 Datensätze von Airbnb-Vermietern aus 2012 bis 2014 vom Konzern erstritten. 4.626 davon werden seitdem durch Berliner Finanzbehörden ausgewertet.

Betrug 1.382 Fälle wurden bislang untersucht, in 650 davon Einkünfte aus der Vermietung nicht oder nicht vollständig erklärt. In 95 Fällen wurden sie nachträglich erklärt. Die Steuern, die auf Mieteinnahmen fällig sind, wurden damit von mehr als der Hälfte der Vermieter nicht vollständig gezahlt. (epe)

Es gibt zahlreiche negative Effekte: Hohe Ferienwohnungsdichte führt zu durchschnittlichen Mietsteigerungen für die Nachbarschaft von über 200 Euro jährlich. Teilweise übersteigt das Angebot von Airbnb-Wohnungen das der freien Mietwohnungen um ein Vielfaches. Der Missbrauch von Airbnb-Wohnungen ist wissenschaftlich gut erforscht, viele vermieten mehrere Wohnungen gleichzeitig, weil das lukrativer ist als Langzeitvermietung. Dazu kommt: Die bisherigen Regelungen in Berlin werden nur von wenigen eingehalten. 80 Prozent der Wohnungen auf Airbnb haben keine Registriernummer und sind somit illegal.

Was sollte Berlin tun?

Man muss die Kontrollen erhöhen, auch wenn das aufwändig ist ohne die Vermieterdaten, die Airbnb mit dem haarsträubenden Verweis auf irisches Recht und Datenschutz nicht herausgibt. Es braucht eine europäische Lösung, nicht durch die EU-Kommission, sondern durch die Bereitschaft der Städte, ihre Interessen gegenüber Airbnb geltend zu machen. Statt dass in Berlin einzelne Bezirke gegen Airbnb klagen, muss man Ressourcen bündeln und genug Personal bereitstellen, um ein Datenzugangsrecht für die Städte durchzusetzen. Nur so kann jede Stadtgesellschaft für sich entscheiden, welchen Raum sie Tourismus einräumt, ohne dass es die Lebensqualität einschränkt.

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