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„Für Billstedt bedeutet das Urteil einen Verlust“

Zwei Ki­ta­be­trei­be­r*in­nen wollten zum ersten August eine neue Kita in Billstedt eröffnen, scheiterten aber an der Baugenehmigung. Schuld daran ist ein Gerichtsurteil, das nicht nur vielen Kitas, sondern auch den zuständigen Behörden Probleme bereitet

Ohne Spielplatz keine Kita – aber Zugang zu einem Spielplatz zu bekommen, wird für manche Kitas zum Problem Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Interview Sarah Mahlberg

taz: Sie wollten eine Kita in Billstedt eröffnen und durften nicht. Warum nicht?

Kolja von Busch:Kitas brauchen ein Außengelände von sechs Quadratmetern pro Kind. Für Krippenkinder muss das direkt am Gebäude anliegen, für ältere Kinder reichte es bisher aus, einen Spielplatz in der Nähe zu haben, der innerhalb von 15 Minuten fußläufig zu erreichen ist. Wir haben bereits in Winterhude eine Kita eröffnet, da war das gar kein Problem. Für Billstedt haben wir also auch Spielplätze rausgesucht, aber jetzt erfahren, dass wir sie nicht nutzen dürfen.

Was spricht dagegen?

Melisa Suhonjic:Es gibt ein Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts vom letzten Herbst. Es besagt, dass die Stadt einem ein Sondernutzungsrecht erteilen muss, wenn man als Kita ihre Spielplätze nutzen will. Dann müssten die Kitakinder den Spielplatz allerdings exklusiv nutzen und würden ihn den anderen Kindern wegnehmen. Deshalb haben wir dieses Recht vom Bezirksamt nicht bekommen.

Von Busch:Wir können auch verstehen, warum. Natürlich geht das nicht, dass ein Spielplatz nur einer Kita gehören soll. Es ist für die Gruppen doch interessanter, wenn da noch andere Kinder sind.

Worauf zielt der Urteilsspruch?

Von Busch: Das Urteil sollte eigentlich eine Signalwirkung haben, dass Kitas Spielfläche brauchen und es Außenspielplätze geben muss. Der Anlass für den Prozess war, dass ein Kitaträger zur Kasse gebeten wurde, weil er die öffentlichen Spielplätze nutzte. Er hat geklagt und Recht bekommen, die Stadt darf kein Geld von ihm verlangen. Allerdings hat sie jetzt ein Mitbestimmungsrecht, wer auf ihre Spielplätze darf.

Wie haben die Umweltbehörde und die Ämter für Grünflächen das Urteil aufgenommen?

Um eine solche Regelung hatten sie nicht gebeten und wissen wohl gerade selbst nicht, wie sie damit umgehen sollen. Wie kann man einer Kita erlauben, einen Spielplatz zu nutzen, aber einer anderen nicht? Nach welchen Kriterien soll entschieden werden? Wir glauben, dass dem Verwaltungsgericht die Auswirkungen dieser Entscheidung nicht so bewusst waren.

Kommt es denn oft vor, dass Spielflächen nicht direkt an der Kita sind und Kinder so weit laufen müssen?

Suhonjic:Das Gesetz, das vorschreibt, dass eine Kita überhaupt ein Außengelände braucht, gibt es erst seit einigen Jahren. Dass es keine Spielfläche direkt am Haus gibt, ist nicht unüblich. Aber bisher konnte man sich befreien lassen von der Regel, wenn man Grünflächen in der Umgebung vorweisen konnte.

Was bedeutet das für Sie und andere Kitaträger*innen?

Von Busch: Es wird noch schwieriger, Räumlichkeiten zu finden. Es ist bisher schon schwierig, Räume zu finden, die das Außengelände für die Krippenkinder bieten. Wenn das Urteil gültig bleibt, bräuchten wir in Zukunft viel größere Flächen. In Hamburg gibt es solche Flächen aber kaum.

Suhonjic: Es könnte dann passieren, dass irgendwann nur noch Krippen neu eröffnet werden. Dann müssten wir die Kinder mit drei Jahren rausschmeißen. Einen Raum zu finden, ist ohnehin sehr schwierig bei einer Kitagründung. Schwieriger, als Personal zu finden.

privat

Melisa Suhonjic,

30, ist Sozialpädagogin und betreibt mit Kolja von Busch die Kita „Die Helden“ in Winterhude. Die Eröffnung verzögerte sich wegen des ersten Lockdowns.

Kolja von Busch,

34, ist Sozialökonom. Gemeinsam mit Melisa Suhonjic will er eine Kita in Billstedt eröffnen

Denken Sie, dass das alle Viertel gleichermaßen treffen wird, oder ärmere Viertel wie Billstedt besonders?

Suhonjic: Das wird sich durch alle Viertel ziehen, aber Billstedt ist nicht der beliebteste Stadtteil. Die meisten Träger suchen sich lieber Viertel aus, die weniger „schwierig“ sind, weshalb das Urteil für Billstedt auch einen Verlust bedeutet.

Was für eine Kita haben Sie denn geplant?

Suhonjic: Wir haben einen künstlerischen Schwerpunkt mit Theater und Musik. Die Idee dahinter ist, dass Theater das Selbstbewusstsein von Kindern stärkt und ihnen ermöglicht, besser für sich einzustehen. Mit Kinderrechten haben wir uns auch viel beschäftigt. Außerdem enthält Theater Sprachförderung, die aber nebenbei läuft und in den Alltag integriert ist. Gerade in Billstedt wohnen viele Menschen mit Migrationshintergrund, sodass das ganz besonders nützlich wäre.

Wie wollen Sie jetzt gegen die Auflagen vorgehen?

Suhonjic:Es ist geplant, dass Behörden und Betroffene sich zusammensetzen und eine Lösung finden, die für alle Kitas und Spielplätze gut ist. Leider wird das noch dauern. Wir wollten eigentlich zum 1. August eröffnen und haben auch schon Kinder auf der Warteliste, die wir jetzt auf den Dezember vertrösten mussten. Die Nachfrage ist aber so groß, dass eigentlich keine Zeit ist, dieses Problem so lange zu betrachten. Es ist Platz für alle da. Die meisten Kinder sind vormittags in der Kita und erst nachmittags mit Freunden auf dem Spielplatz. Von daher würden wir niemanden stören.

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