piwik no script img

Misshandelte Geflüchtete in Heim BurbachGeldstrafe fürs Einsperren

Vier Männer haben zugegeben, Geflüchtete in einem Heim in Burbach misshandelt zu haben. Dafür erhielten sie nun eine milde Strafe.

Die vier Angeklagten im Landgericht Siegen am 15. Juni Foto: Rene Traut/dpa

Siegen taz | Mit Geldstrafen in Höhe von 350 bis 2.500 Euro endete am Mittwoch der Prozess gegen vier verbliebene Angeklagte, die wegen der Misshandlung von Flüchtlingen in einem Heim in Burbach angeklagt waren. Das Landgericht Siegen verurteilte sie wegen neun Fällen von Freiheitsberaubung und einem Fall von Nötigung.

Die drei Wachleute und ein Sozialbetreuer hatten nach einer umfangreichen Beweisaufnahme eingeräumt, dass sie Geflüchtete in ein sogenanntes „Problemzimmer“ eingesperrt hatten. Grund für diese Bestrafung waren Verstöße gegen die Hausordnung, wie etwa Alkohol- und Drogenkonsum, körperliche Auseinandersetzungen mit anderen Bewohnern oder z.B. Rauchen auf dem Zimmer.

Die Ermittlungen zu dem Fall begannen 2014, nachdem ein Handyvideo aufgetaucht war, das zeigte, wie ein Mann gezwungen wurde, sich auf eine Matraze zu legen, die von seinem Erbrochenen beschmutzt war. Fotos kursierten im Netz, die einen Wachmann zeigten, der einem Mann, der gefesselt am Boden lag, den Fuß auf den Hals setzte.

Angeklagt wurden 2018 – vier Jahre später – rund 30 Personen, Männer wie Frauen. Ihnen wurde Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung in mehr als 45 Fällen vorgeworfen. Für das Verfahren musste eigens eine Halle angemietet werden, um so viele Verfahrensbeteiligte unterzubringen. Nach und nach wurden dann Verfahren gegen einzelne Angeklagte abgetrennt, bis nun noch die vier nun verurteilten und weitere acht Personen übrig blieben, deren Prozess noch läuft.

Viele Anklagepunkte mussten aufgegeben werden

Das Gericht hatte sich während des Prozesses intensiv um eine vollständige Beweisaufnahme bemüht, nach so langer Zeit gab es aber erhebliche Probleme. Viele Zeugen und Opfer der Straftaten waren nicht mehr aufzufinden. Sie waren in der Zwischenzeit in andere Einrichtungen verlegt worden, einige hatten das Land verlassen.

Ein Zeuge wurde aus Gaza extra eingeflogen, er kam nur, weil man ihm freies Geleit zusicherte, also die Garantie, dass er wieder nach Gaza zurückkehren könne, ohne festgenommen zu werden. Er selbst soll auch Straftaten begangen haben. Viele Zeugen hatten keine klare Erinnerung mehr an einzelne Vorwürfe und Vorkommnisse, so dass von ursprünglich 45 Anklagepunkten am Ende nur neun übrigblieben.

Das Gericht erklärte in seinem Urteil am Mittwoch, die vier Verurteilten seien in die Sache „hineingeschlittert“, sie hätten keinerlei Ausbildung erhalten für den Umgang mit einer großen Anzahl von Menschen, von denen viele traumatisiert und auch psychisch krank seien.

Die Siegerlandkaserne in Burbach war zum Tatzeitpunkt zur Notaufnahmeeinrichtung umfunktioniert worden. Bis zu 1.200 Menschen aus vielen Kulturen und Religionen waren dort untergebracht. Konflikte zwischen Bewohnern waren häufig, die Polizei mußte oft einschreiten. Darauf seien die Angeklagten nicht vorbereitet gewesen, argumentierte das Gericht nun in dem Urteil.

So habe man mit der Einrichtung eines „Problemzimmers“ dafür sorgen wollen, dass die Polizei nicht so oft gerufen werden musste und der Ruf der Einrichtung gewahrt blieb. Dieser Versuch sei aber aus dem Ruder gelaufen. So sei ein Bestrafungssystem entstanden, das auch Vorkommnisse ahndete, die außerhalb der Unterkunft stattgefunden hätten.

Der damalige Leiter des Heims, ein Kaufmann, der ebenfalls keinerlei Erfahrung im Sozialwesen hatte, war schon vor zwei Jahren zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Wegen Unterlassung waren 2018 auch zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg angeklagt worden. Ihnen war vorgeworfen worden nichts unternommen zu haben, obwohl sie die Zustände in der Einrichtung kannten. Das Gericht war vor zwei Jahren jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die beiden keine Kenntniss vom „Problemzimmer“ gehabt hätten und sprach sie frei.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Mann gezwungen wurde, sich auf eine Matraze zu legen, die von seinem Erbrochenen beschmutzt war. Fotos kursierten im Netz, die einen Wachmann zeigten, der einem Mann, der gefesselt am Boden lag, den Fuß auf den Hals setzte."

    Dinge die ziemlich sicher den Tatbestand der Folter erfüllen.

    Und am Ende... soll's keiner gewesen sein? Alle überfordert?

    Wer mir sagt, dass sei nicht politisch so gewollt, das hätte kein system -- dem lache ich ins Gesicht.

    So gesehen haben m.E. die Gerichte versagt, in ihrer primären Aufgabe, die Vorgänge aufzuarbeiten die zu solchen Ungeheuerlichkeiten geführt haben.

    Vielleicht werden diese Abscheulichkeiten als nicht so gravierend betrachtet, weil sie ja "nur" Flüchtlinge getroffen haben?

  • "und da wundert man sich das Menschen austicken und Attentate wie in Würzburg geschehen"



    Zitat: von denen viele traumatisiert und auch psychisch krank seien.

  • Flüchtende in bewachte und umzäunte Lager zusammen zu pferchen ist ein Verstoss gegen die Menschenwürde. Diese Horrorlager müssen sofort aufgelöst werden. Eine Unterbringung kann nur in Wohnungen erfolgen, das kostet unterm Strich auch nicht so viel. Geflüchtete brauchen nämlich keine Bewachung. Sie brauchen lediglich angemessenen Wohnraum nicht mehr und nicht weniger