piwik no script img

Kitaplatz vom Jobcenter

Für Alleinerziehende auf Jobsuche soll es flexiblere Kinderbetreuung geben. Das Modell­projekt soll ein Bremer Problem lösen – nirgends sind so viele Alleinerziehende arbeitslos

Noch keinen Kitaplatz für die Kinder? Dann wird’s schwer im Bewerbungsgespräch Foto: Jens Ressing/dpa

Von Eiken Bruhn

Alleinerziehenden, die einen Job oder einen Ausbildungsplatz ablehnen müssen, weil sie keine Kindertagesbetreuung finden, will Bremen mit einem Modellprojekt helfen. Dieses solle im Herbst beginnen, wie am Freitag die Senatorin für Arbeit, Kristina Vogt (Die Linke), mitteilte. Das Angebot richte sich an Eltern von Kindern zwischen einem und sechs Jahren und stehe vorrangig alleinerziehenden Arbeitssuchenden in allen Bremer Geschäftsstellen des Jobcenters Bremen zur Verfügung, so die Senatorin in einer Pressemitteilung.

Der Hintergrund: Bisher haben arbeitssuchende Alleinerziehende häufig das Problem, dass sie zwar wie alle Eltern einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung haben, aber bei der Platzvergabe gegenüber denjenigen, die Arbeit haben, benachteiligt werden.

So kann es passieren, dass sie ganz leer ausgehen oder keinen wohnortnahen Platz bekommenund lange Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen. Zudem gilt ihr Rechtsanspruch nur für 20 Wochenstunden bei Kindern unter drei Jahren und sechs Stunden täglich bei Kindern über drei Jahren. Das passt selten zu Arbeits- und Ausbildungszeiten.

Das Modellprojekt, das auf drei Jahre angelegt ist und Räume in der Innenstadt haben wird, soll tägliche Betreuungszeiten zwischen sechs und 19 Uhr bieten. Möglich sei es, so die Senatorin, die Betreuung für einzelne Tage in Anspruch zu nehmen oder alternativ für einen längeren Zeitraum bis zu maximal drei Monaten. In dieser Zeit würden die Alleinerziehenden durch das Jobcenter Bremen bei der Suche nach einem regelhaften Betreuungsplatz unterstützt.

„Das Angebot orientiert sich an der Lebensrealität vieler Alleinerziehenden.“

Kristina Vogt, Senatorin für Arbeit

Das Angebot passe möglicherweise nicht für alle, sagte Vogts Sprecher Christoph Sonnenberg auf Nachfrage. Denn wer einen Platz hat, der aber zu wenig Stunden abdeckt, müsste das Kind dann bei der alten Kindertagesstätte abmelden, es für drei Monate in das Modellprojekt geben und dann hoffen, dass es einen Anschluss geben wird. Es kommt also eher für diejenigen infrage, die derzeit gar keinen Platz haben. „Wir werden das Projekt im Anschluss auswerten und schauen, was verbessert werden kann“, so Sonnenberg.

Wie notwendig das Modellprojekt ist, zeigt eine aktuelle Erhebung der Bertelsmann Stiftung zur Situation Alleinerziehender in Deutschland. Danach bezogen im Land Bremen im Jahr 2020 überdurchschnittlich viele Alleinerziehende staatliche Hilfsleistungen über das Jobcenter. Waren es im Bundesdurchschnitt 33,5 Prozent, lag die Quote in Bremen bei 62,4 Prozent. Den nächsthöchsten Anteil hatte Berlin mit 43,3 Prozent. Und: Bremen ist das einzige Bundesland, in dem sich der Anteil in einem Fünfjahreszeitraum erhöht hat. 2015 lag dieser bei 53,6 Prozent.

Die Arbeitssenatorin Kristina Vogt hofft nun, diesen Anteil mit dem Modellprojekt etwas senken zu können. „Es gibt mehr Alleinerziehenden die Möglichkeit, langfristig einer existenzsichernden Beschäftigung nachzugehen“, sagte sie. Und: „Das Angebot orientiert sich an der Lebensrealität vieler Alleinerziehenden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen