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Die WahrheitKartoffeln down under

Neues aus Neuseeland: Ein Aufschrei geht durch Aotearoa. Die heimischen Fritten müssen gegen ausländische Eindringlinge gerettet werden.

W ährend Amerika den Freiheitskampf für eine von ihrem Vater geknechtete Pop-Sängerin anführt, müssen wir endlich einer anderen Ikone zu ihrem Recht verhelfen und sie aus den brutalen Zwängen der kapitalistischen Konsumgesellschaft befreien. Nicht #freebritney heißt der Aufschrei down under, sondern #saveourfries – rettet unsere Fritten.

Wie so vieles Schlechte im vorigen Jahr begann das Drama um den schnöden Erdapfel mit Covid. Da ganz Europa im Dornröschenschlaf des Lockdowns lag und monatelang alle Pommesbuden und Gaststätten geschlossen hatten, konnten niederländische und belgische Kartoffelbauern ihren vorproduzierten Überschuss an Tiefkühlkost nicht loswerden.

Was lag da näher, als ein kleines Land am Ende der Welt, das sich heldenhaft gegen das Coronavirus gewehrt hat, mit einer subversiven Kohlehydrate-Attacke zu unterwandern? In Neuseeland war bis auf sieben Wochen landesweiter Lockdown seit vergangenem Sommer alles wieder offen wie gehabt. Gas­tro­nomen gucken auf den Preis. Und der lag bei den importierten Fritten plötzlich deutlich niedriger als bei den einheimischen.

Der Import gefrorener Pommes aus der EU nach Aotearoa ist seit Juni 2020 um die Hälfte gestiegen – dank der Dumping­angebote aus Übersee. „Gezielt“ haben die Holländer und Belgier unseren Markt torpediert, empörte sich die Lobby „Potato New Zealand“. In einem normalen Kartoffeljahr kommen 85 Prozent unseres Verzehrs aus neuseeländischer Scholle. Das ist rund eine Milliarde Dollar an Umsatz. Und Dumping deshalb so was wie ein Wirtschaftsverbrechen.

Wirtschaftsminister Adam Dubas hat eine Untersuchung gestartet, bis zu sechs Monaten könnten die Ermittlungen dauern. Neuseelands Bauern und Pommes-Produzenten schreien nach strengen Auflagen und Restriktionen für Importeure, um zu überleben. Wie einst im bombardierten England wird außerdem mit Kriegspropaganda gearbeitet und das Volk aufgerufen: Kauft nichts von drüben!

Während Britneys Fans vorige Woche zur Demo in Los Angeles und Washington aufmarschierten, will der Hashtag #saveourfries bei uns die gleiche Sprengkraft an Empörung mobilisieren. Man druckte T-Shirts mit Fritteuse-Motiven und feierte den „International Fry Day“. Fastfoodketten wurden animiert, einen öffentlichen Eid auf einheimische Ware abzulegen. Das „Team der fünf Millionen“ packt auch diese Attacke – Ketchup statt Blut!

Inspirierend für den verordneten „Potato Patriotism“ sind auch da die Amerikaner, und nicht nur wegen Britney. Als sich 2003 die Franzosen gegen den Einmarsch in den Irak aussprachen, reagierten US-Politiker mit einem sprachlichen Geniestreich, der uns Kiwis in der Kartoffelkrise als Vorbild dient. Restaurants, die damals den Kongress bewirteten, servierten keine „french fries“ mehr, sondern „freedom fries“. Unsere Linguistiker tüfteln noch.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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13 Kommentare

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  • Muss warten, beim warten kann man gut lesen. Und schwupp, ertappe ich mich beim Lesen, so kreuz und quer. Jetzt hat es mich via taz nach Neuseeland verschlagen. Kleinlaut muss ich zugeben: Bisher hatte ich noch keine Lesereise dahin gestartet.



    Erst mal ist die Sache ja auch ernst: Eine Dumpingpreisschlacht um gefrorene Pommes aus dem Mutterland aller Fritten: Belgien. Wieso schippert man Fritten um den Globus? Blöde Frage. Warum tut man es mit Lammfleisch? Wenn ich richtig informiert bin, kommt ein Gutteil des leckeren Lammkottelets von „dieser Insel ganz weit weg“ zu uns „Kartoffeln“. Aber die Neuseeländer entfachen jetzt einen Jetzt ist Handelskrieg wegen der „Chips“.



    Aber eigentlich hat ja alles mit Ralf Sotscheck in Irland begonnen. Ist nicht eigentlich Irland überhaupt DAS Land der Kartoffel? Aber da ging es um die Engländer und um Zuckerkuchenraupen. Und darum, dass die Schotten alles, wiederhole alles frittieren. Sogar Kuchen und Speiseeis. Und weil ich nun schon „irgendwie angelsächsisch“ unterwegs war: Neuseeland. Ab jetzt ist klar: „Der neuseeländische Akzent ist sexier als jeder andere der Welt!“ (Anke Richter, 16.05.2019) Ich glaub, mich schert ein Schaf! Aber es muss stimmen. Wer wo sonst könnte „Fish and Chips“ so wunderbar als „Fush’n Chups“ artikulieren, als die auf der Insel ganz weit weg? Ob man dort auch Schokoriegel frittiert? Kohl wird 90 Minuten zu Tode gekocht und es gibt „gefälschte Austernsuppe“. Ja nun, bei uns gibt’s „Falschen Hasen“. Und weil die Kiwis jetzt das Butterbrot entdecken, dreht sich ein Earl of Sandwich im Grabe um. Shocking.

    Hat großen Spaß gemacht, über das alles zu lesen.

    Auch „Das Wurstbrot“ könnte von kulinarischem Interesse sein. Dazu:



    Jochen Malmsheimer - Das Wurstbrot (Früher war alles besser) Eine Einführung in dieses nur vordergründig schlichte Nahrungsmittel. Davor einführendes Kabarett.

    www.youtube.com/watch?v=1iciN5y6nF0

    • @Moon:

      Liggers. Alles mal bei großem Bruderherz downunder gegenchecken.



      Der ist dank unserer alten Dame*04 am liebsten Pellkartoffeln wie Harry Rowohlt! Während ihr früherer Verlobter als Bauernkind03* auf Salzkartoffeln bestand!;)



      Aber 🥔 bleibt naturellement 🥔 •



      & weil wir so viele verschnabulieren



      Zählen wir den Engländern zu den osteuropäischen Völkern! Däh!



      Lexikon

      Pommes Frites

      Obwohl die geschnittenen und fritierten Kartoffelstreifen wohl irgendwann im 17. Jahrhundert in Belgien erfunden wurden, werden sie in den Asterix-Abenteuern, die im Jahre 50 v.Chr. spielen, mehrfach thematisiert und stellen damit einen der vielen Anachronismen dar:

      Zuerst werden sie auf Seite 12 des Albums "Asterix und die Goten" erwähnt. Dort nimmt nämlich mit Spürnix aus Belgae (!) ein Druide beim Karnutenwaldtreffen teil, der einen Trank zubereitet hat, der ihn gegen Schmerzen unempfindlich macht. Dies demonstriert er eindrucksvoll, indem er mit bloßen Händen Pommes frites aus einem Kessel mit heißem Öl nimmt.



      Natürlich darf auch in "Asterix bei den Belgiern" der Hinweis auf Pommes frites nicht fehlen. Auf Seite 25 überrascht Stellartoix während eines Überfalls auf ein Römerlager einen Legionär, der gerade an einem Topf mit siedendem Öl steht und beim Anblick des Belgiers wie ein Sack Kartoffeln umfällt. Dieser Zusammenhang "Kartoffeln / heißes Öl" bringt den belgischen Anführer auf eine Idee, die er unbedingt mit seiner Frau Kantine bereden muss.



      Und schließlich tischt im Film "Asterix erobert Rom" der belgische Koch Mannekenpix Obelix viele Köstlichkeiten auf, darunter auch eigene fritierte Kreationen, zubereitet aus Äpfeln die in der Erde wachsen ...



      Bei der häuslichen Zubereitung werden geschälte, rohe Kartoffeln in Stäbchen von etwa ein bis zwei Zentimeter Dicke geschnitten. Zum Frittieren werden sie eine Zeit lang in siedendes Fett gegeben,…ff



      www.comedix.de/lex.../pommes_frites.php Schotten ts ts



      &



      Beachte Kantine ist eben nicht die Ehefrau von Kant

      • @Lowandorder:

        Wunderschöne Abhandlung. Kommt man noch mal ins Schwärmen - weil meine Asterixsammlung wurde erst von mir verliehen und dann nie wieder gesehen.



        Den Tee verdanken - Asterix u. Obelix bei den Briten - die Kelten der regnerischen Inseln ihren gallischen Vettern. Miraculix verwendet die Blääter ursprünglich "experimentell". Vorher gab´s nur: "Ein Glas von heißem Wasser" Mit einem Tropfen Milch? Please.

      • @Lowandorder:

        Und das Reh heißt trotzdem mit Vornamen Kartoffelpüh!

        • @Ringelnatz1:

          Da war doch schon mal was::: 18.06. noch ganz frisch.



          taz.de/Archiv-Such...777044&s=Codewort/



          Und das ganze mit einem Sößchen von GUTEMIENE

          • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

            Extra noch mal in die Übersetzung gekiekt.(damit das n. d.d.g. )



            ....Eins schon lang vorbei und man fühlt sich einfach gut



            Denn wenn Klein Willy da ist können sie die ganze Nacht durchmachen...



            Sweet - Little Willy



            www.youtube.com/watch?v=NM6I-pmV0RA



            Stell dir vor, ich hatte auch so einen v. O. gehägelten Pullover und Hemd mit großen Ecken.(1970)

            • @Ringelnatz1:

              der Hemdkragen und der Häkelpulli hauen alles um.



              Don't go!

        • @Ringelnatz1:

          Typisch & die Mutter zur Verzweiflung bringen weil “püh püh immer noch zu heiß“ - andächtig Bahnen Höhlen & Schanzen für den ausgelassenen Speck bohren - während schon die ersten Eisberge gesichtet werden - wa!



          Normal Schonn!

          Na Mahlzeit -



          Und die Mutter schaute stumm



          Auf dem ganzen Tisch herum •

        • @Ringelnatz1:

          Reh? Kartoffelpüh? Hier geht es wohl um einen Insiderdisput. Tut mal disputieren, ich geh Pellkartoffeln schnabulieren.

          • @Moon:

            Mal sojet. Es gab en famillie einen - der die eins gepachtet hatte - doch doch Ausreißer gibt’s selbst in den besten Familien - & brachte schwer zerknirscht eine 2 nach Hause! “Opa - sagt aber immer Punding!“ - 🧐 -

            Kartoffelpüh geht im Argot natürlich auch & gerade am&im Rande der Streusandbüchse - erm LückGegend - voll in Ordnung!



            In Kreisen aber - in denen allenfalls transpiriert wird - spricht sich‘s - Na?!



            Genau Kartoffelpüree - Jung!



            Das hat aber gedauert - wa!



            Groschen mit Gummifederung 🪂 &



            Scheibnerweise! Gellewelle&Wollnich!



            Always at your servíce - 🎭 -

            • @Lowandorder:

              Ohuuh. Aber so ist es. Wer DIE WAHRHEIT liest, muss bereit sein, das Weiße im Auge des Irrwirtz zu schauen.



              Blos gut, dass keiner sieht, dass ich rot werde.



              Thank´s for servíce.

              • @Moon:

                "das Weiße im Auge des Irrwirtz zu schauen"



                ist -



                SPITZE

                • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

                  Siehe Nachschlag zu Ernst Jandl - Flutgelage...