piwik no script img

Initiative geflüchteter FrauenUnterwegs mit einer Botschaft

„Women in Exile“ machen eine Bustour um auf Missstände in Flüchtlingsunterkünften hinzuweisen. Der Auftakt: eine Kundgebung in Potsdam.

Von Potsdam aus geht's los mit der zweiwöchigen Tour Foto: Cristina Plett

Potsdam taz | Wer am Mittwochmittag mit der Tram am Brandenburger Landtag vorbeifuhr, konnte auf dem Vorplatz ein Sommerfest vermuten: Aus einem Lautsprecher dudelte Musik, daneben standen Frauen in Grüppchen zusammen, aßen Kuchen, Kinder wuselten herum. An den Säulen der Ringerkolonnade hingen Transparente. „Against lager systems and racism“ stand etwa darauf. Denn die anwesenden Frauen sind als „Women in Exile“ politisch organisiert.

Diesen Sommer veranstalten sie eine Bustour, um auf die Missstände in Geflüchtetenunterkünften aufmerksam zu machen. Nach dem Start in Potsdam an diesem Tag soll es zwei Wochen durch Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gehen.

Jen Mangarli hat das Ganze mitorganisiert. Seitdem sie vor sechs Jahren aus Kenia nach Brandenburg kam, engagiert sie sich bei Women in Exile. Eine der Kernforderungen: Lager, wie die Gruppe Flüchtlingsheime bezeichnet, abschaffen.

Die schlechten Lebensbedingungen dort habe die Pandemie noch einmal verschärft, sagt Mangarli. „Während der Coronazeit sind die meisten in die digitale Welt gegangen. Wir waren noch isolierter als zuvor“, sagt Mangarli. Einige Geflüchtetenunterkünfte sind mehrere Kilometer von der nächsten Bushaltestelle entfernt, „mitten im Nirgendwo“, wie zum Beispiel in Hohenleipisch im Süden Brandenburgs.

WLAN? Fehlanzeige!

Als dann die Pandemie kam, sei auch technisch niemand darauf vorbereitet gewesen. In vielen Unterkünften gebe es kein WLAN. Wenn dann viele Be­woh­ne­r*in­nen auf mobile Daten ausweichen, ist das im ländlichen Raum oft sowieso schon schlechte Netz schnell überlastet.

Mangarli zählt weitere Missstände auf: Viele Be­woh­ne­r*in­nen hätten sich mit Corona infiziert, noch mehr seien in Quarantäne gewesen und hätten daher nicht selbst einkaufen können. Bei den Produkten, die ihnen das Heim bereitstellte, habe Wesentliches wie Binden oder Windeln gefehlt.

Für das Internetproblem fand Women in Exile selbst eine Lösung. Mit Spenden kauften sie Internet-SIM-Karten. Für die Initiative ein Erfolg, so Mangarli: „Damit konnten wir noch mehr Frauen erreichen.“ Deswegen auch die Bustour: Die soll Aufmerksamkeit über die Missstände erzeugen, und zugleich lernt die Gruppe andere Geflüchtete kennen, veranstaltet Workshops, um sie über ihre Rechte aufzuklären oder ihr Selbstvertrauen zu stärken.

Es geht allerdings auch um Entspannung nach dem Coronajahr: „Für uns und unsere Kinder ist das wie Urlaub“, sagt Mangarli. Daher der Sommerfest-Vibe. 30 Frauen und 25 Kinder werden dabei sein, „der einzige Mann ist der Busfahrer“, sagt sie mit einem Grinsen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!