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Retten, was zu retten ist

Der Reformbericht zur Feuerwehr wird erst mal nicht behandelt: Der Linkspartei fehlt beim Innensenator das Problembewusstsein

Von Lotta Drügemöller

Wie reformiert man eine Organisationskultur, die als veränderungsresistent beschrieben wird? An diesem Rätsel muss sich aktuell das Bremer Innenressort versuchen. Nachdem seit Herbst letzten Jahres krasse Fälle von Rassismus, Sexismus und Mobbing bei der Bremer Berufsfeuerwehr bekannt geworden waren und nun im Wesentlichen durch einen Ermittlungsbericht bestätigt wurden, steht eine Feuerwehrreform an. Beraten werden sollte der Bericht des Innensenators eigentlich am gestrigen Mittwoch. Doch die Sondersitzung der Innendeputation wurde kurzfristig abgesagt: Nicht alle Regierungsfraktionen waren zufrieden mit dem, was Senator Ulrich Mäurer dort vorstellen wollte.

In der Kritik stehen weniger die einzelnen vorgeschlagenen Reformschritte. Entscheidend ist vielmehr die übergeordnete Einschätzung: „Die Feuerwehr Bremen ist nicht strukturell rassistisch, rechtsextremistisch oder sexistisch“, heißt es im Bericht. „Zu dieser Analyse gibt es in der Koalition keinen Konsens“, so Sofia Leonidakis, Vorsitzende der Linksfraktion. „Um ein Problem zu beseitigen, muss man es erkennen.“

Tatsächlich widerspricht das Fazit des Innensenators dem, was Sonderermittlerin Karen Buse moniert hatte. Buse berichtet über sexistische Initiationsriten, über die gebräuchliche Verwendung rassistischer Begriffe, und sie bestätigt die schon zuvor bekannten Fälle von Hassgesprächen in einzelnen Wachabteilungen. Die Führungskultur der Feuerwehr bezeichnete sie als „rückständig, autoritär und angstbesetzt“, als „traditionsverbunden und änderungsresistent“. Sie hatte zahlreiche Fälle von Machtmissbrauch durch Vorgesetzte aufgeführt und konstatiert, dass es weder ein Fehlerbewusstsein innerhalb der Mannschaft gebe, noch eine Kultur der Kritikfähigkeit.

Mäurer findet die Absage der Sondersitzung nicht gerechtfertigt: Durch die Berichte werde nichts beschönigt oder bagatellisiert, teilte er mit. Ein bisschen schwimmt er im Vorgespräch zur später abgesagten Deputation: Dass die „Strukturen der Feuerwehr“ das rassistische Verhalten gefördert haben, das sagt er mehrfach. Von seinem Satz abrücken möchte er aber nicht: Strukturell sei der Rassismus und Sexismus bei der Feuerwehr deshalb noch nicht. „Man muss auch fair bleiben und das sachlich aufschreiben“, fordert er von der Journalistin. „Die Feuerwehrleute riskieren im Einsatz alles.“

Die Ursachen für seine Schwierigkeiten, das Problem zu benennen, liefert Mäurer gleich mit. „Ich habe immer eine große Nähe zur Feuerwehr gespürt und viele Stunden dort verbracht“, erzählt Mäurer. „Dort zu sein, war immer wie ein Heimspiel.“ Niemals habe bei einem dieser Treffen jemand von der schlechten Personalführung erzählt. „Es war kein Thema.“

Warum auch der „fachlich hochkompetente Feuerwehrchef“ Karl-Heinz Knorr in seiner langen Amtszeit nichts von den Vorfällen in seiner Feuerwehr mitbekommen haben will, das würde dieser sich „bestimmt auch oft fragen“.

„Ich habe immer eine große Nähe zur Feuerwehr gespürt“

Ulrich Mäurer, Innensenator

Jetzt müsse man eine offene Fehlerkultur einführen, fordert Mäurer. Ein paar mögliche Schritte dafür nennt sein Reformbericht. Vier Dienstposten in der Leitungsebene sollen bald extern besetzt werden. Künftig soll schon bei der Stellenausschreibung für Führungskräfte auch auf soziale Kompetenzen geachtet werden.

Von einem Feuerwehrbeauftragten, wie ihn die Regierungsfraktionen fordern, hält Mäurer wenig: „Wir dürfen die Feuerwehrleute auch nicht entmündigen und ihnen absprechen, dass sie sich selbst verändern können“, sagt er auf die Frage nach dem Beauftragten.

Ein großes Problem hat sich für Mäurer bereits erledigt: Der Bericht von Karen Buse führt an, dass der ehemalige Einsatz- und Personalleiter für eine Kultur des Schreckens verantwortlich war. Der Mann ist seit 2019 im Ruhestand. Einsatz- und Personalleitung sollen zudem in Zukunft getrennt werden, die Personalleitung soll an eine Frau gehen.

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