piwik no script img

Petition gegen RasterpsychologieDie Psyche passt in kein Raster

Gesundheitsminister Spahn will Psychotherapien eine feste Stundenanzahl vorschreiben. Eine Petition und öffentlicher Protest stoppen das Projekt.

Jens Spahns Vorschlag zur Rasterpsychotherapie erntet Kritik Foto: Malte Mueller/fStop Images/imago

Am Ende war der öffentliche Gegenwind zu groß. Nach einer Petition, die innerhalb von zwei Wochen mehr als 200.000 Unterschriften erhalten und einen Aufschrei in den sozialen Medien ausgelöst hatte, ist der Versuch einer grundlegenden Reform der Psychotherapie wohl abgewendet.

Diese hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kurzfristig angestoßen, um künftig jeder Diagnose im Voraus kategorisch eine feste Zahl an Behandlungsstunden zuzuweisen. Dadurch hätten The­ra­peu­t*in­nen nicht mehr im Zuge der Therapie beantragen können, wie lange Pa­ti­en­t*in­nen behandelt werden sollen, sondern ein schematisches Raster hätte entschieden.

Die Koalitionspartnerin gab nun bekannt, sie werde dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Es ist damit gescheitert. Die Entscheidung begründet Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, der taz gegenüber damit, dass der Antrag des Gesundheitsministers mit der SPD weder inhaltlich diskutiert noch abgestimmt worden sei. Sie betont: „Wir halten ihn nicht für zielführend im Sinne der besseren Versorgung psychisch kranker Patientinnen und Patienten und lehnen diesen Vorstoß daher ab.“

Das Gesundheitsministerium scheint sich noch nicht geschlagen zu geben. So sagte ein Sprecher des Ministeriums der taz gegenüber nur, dass sich die Diskussion auf andere Themen konzentriere. „Die abschließende Beratung des Gesamtpaketes steht aber noch aus.“

taz am Wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Das Ringen um notwendige Reformen

Großen Anteil an der öffentlichen Aufmerksamkeit hat die erwähnte Petition. Ihr Initiator, Uwe Hauck, zeigt sich jetzt vorsichtig optimistisch: „Ich bin erleichtert, aber bleibe noch skeptisch, bis das Gesetz endgültig beschlossen ist.“ Gemeint ist das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG), dem der Gesundheitsminister kurzfristig die befürchtete „Rasterpsychotherapie“ per Änderungsantrag hinzugefügt hatte, und das am 7. Juni im Gesundheitsausschuss und am 9. Juni im Bundestag abschließend beraten wird.

Uwe Hauck suchte selbst vor einem Suizidversuch ein Jahr lang nach einem Psychotherapieplatz. Die langen Wartezeiten sind immer wieder Ziel neuer Reformen, diesmal also über die Verkürzung der individuellen Behandlungsdauer. Dahinter steht der Verdacht, Therapien würden zu lange fortgeführt – ein Vorwurf, den Verbände der Psy­cho­the­ra­peu­t*in­nen zurückweisen. Für sie wäre Spahns Vorstoß ein unnötiger Eingriff in die Entscheidungshoheit der Behandelnden, da bereits heute fachliche Instanzen die Form und Dauer der Behandlung kontrollierten.

Auf Zustimmung stößt Spahns Vorhaben dagegen laut Neues Deutschland bei den Krankenkassen, die auf eine schnellere Vergabe neuer Therapieplätze setzen. Diese Argumentation läuft auf kurzfristige Einsparung durch verkürzte Therapien hinaus. Diese Logik steht für die Christine Kirchhoff, Professorin für theoretische Psychoanalyse in Berlin, für eine „möglichst weitgehende Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung“ – und geht häufig zulasten der Patient*innen.

Die Rasterpsychotherapie zu verhindern ist für Uwe Hauck nur ein Zwischenschritt. Langfristig setzt er sich für die Anerkennung psychischer Erkrankungen ein. Dazu gehört auch der Abbau gesellschaftlicher Stigmata.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • “…es reicht halt nicht - keine Gedanken zu haben!



    Mann muß auch unfähig sein sie auszuspreche.“







    Darauf ein Copyright, der ist genial.

    Ich ringe gerade mit einer Ergänzung ........moment ich überlege......da kommt gerade nix.........doch jetzt, jetzt hab ich`s: Es reicht nicht uneffektive Corona-Regeln zu haben, man muss auch inkompetent genug sein um sie umzusetzen.

    • @lulu schlawiner:

      Geschätzte - Zuviel der Ehre - ©forgot

      Aus der Lamäng - servíce - 🧐 -



      Karl Kraus & irgendwo bei Wolfgang “ick setz mir mal Richie Neuss



      & wie nett - hier das ganze Bouquet 💐 -



      www.kraus.wienbibl...-sie-auszudruecken

  • Zum Glück gibt es Menschen wie Herrn Hauck, die sich der Durchkapitalisierung aller Lebensbereiche in den Weg stellen.

  • "....Eingriff in die Entscheidungshoheit der Behandelnden, da bereits heute fachliche Instanzen die Form und Dauer der Behandlung kontrollierten."

    Das ist richtig. Davon hat Herr Spahn nämlich keine Ahnung, genauso wie von der Tauglichkeit von Schutzmasken, die ja bekanntlich nach seiner Meinung für Harz4 Empfänger gut genug sein sollten.

    Und der wollte mal Kanzler werden?

    • @lulu schlawiner:

      Tja - “…es reicht halt nicht - keine Gedanken zu haben!



      Mann muß auch unfähig sein sie auszuspreche.“ Gellewelle&Wollnich 🤐



      &



      Wennste vollamtlich damit beschäftigt bist deinem Ehemann ausse Liz Mohn Schmiede van de Bertelsmann Äufträge zuzuschanzen. Biste halt …öh geistig - eh schon komplett aus- ja überlastet - wa!

      kurz - Der alte Honi-Hütchen-Song:



      “Ahaus Ahaus - Der letzte macht das Licht aus!“ - 😷 - 🤥 - 🤬 -

      unterm——- servíce —-



      Der Reichsdrückerkolonnenführer -



      de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Mohn



      & Liz - sein StöpelxxxMädel



      de.wikipedia.org/wiki/Liz_Mohn



      btw “…Stifterin…“ Ach was! © Loriot -



      Bekanntlich sind Stiftungen vorenthaltene Lohnerhöhungen •



      & Däh



      “ Später bewarb sie sich als Telefonistin bei Bertelsmann und arbeitete fortan für den Buchclub. Im Alter von 17 Jahren lernte sie Reinhard Mohn kennen.“



      & ?? Stöpselmädchen ¿? hier wird Sie geholfen =>



      “ Schönheit in Wehr und Waffen



      von Cora Stephan -



      Rote Lippen, leicht geöffnet, große Kinderaugen, blonde Zöpfchen - und das alles unter einem runden Blechtopf: So etwa sähe sie aus, die bundesdeutsche Soldatin. Mal ehrlich: Wollen Sie sich von dieser Frau gegen, sagen wir: die Russen verteidigen lassen?…“ EBEN - 🙀



      www.spiegel.de/pol...-0000-000013520783