: Die Frage nach der Schuld
Mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats wusste von der rassistischen Praxis beider städtischen Brebau: Sie hat einen entsprechenden Vermerk unterzeichnet
VonLotta Drügemöller
„Wohnen heißt Vertrauen“, schreibt das Wohnungsunternehmen Brebau als Werbeslogan auf seiner Webseite. „Raum zum Leben“ steht im Logo des Unternehmens, das seit Herbst 2019 komplett in kommunaler Hand liegt. Das Vertrauen ist hin, seit vor zwei Wochen bekannt geworden ist, dass es den Lebensraum vor allem für weiße Deutsche gibt. Die Brebau, so eine Recherche von ARD und Radio Bremen, vergibt Wohnungen systematisch nach rassistischen Kriterien. Die Politik zeigt sich seither schockiert.
Nun ist bekannt geworden, dass mindestens ein Aufsichtsratsmitglied von den Vorgängen wusste. Mehr noch: Die Person hat ein für die Praxis entscheidendes Papier unterzeichnet. Das berichtete Buten un Binnen, auch die Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft drehte sich darum.
Bei dem zentralen Dokument handelt es sich um die sogenannte „Zielgruppendefinition“ – ein Vermerk, der Wohnungsbewerber*innen in verschiedene Kategorien aufteilt und ihnen interne Codes zuordnet: Als Zielgruppen für freie Wohnungen gibt es dort „DE“ für „Deutsche“, „WE“ für „westlich integrierte“ Mietinteressent*innen – und schließlich „kE40“ – „keine People of Colour“. „Dazu gehören auch Sinti und Roma, Bulgaren, Rumänen“, führt das Dokument aus.
Unterzeichnet – und damit abgesegnet – wurde der Vermerk offenbar im September 2019 von einer Mitarbeiterin der Brebau. Seit Dezember jenes Jahres sitzt sie für die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat. Neben ihr gibt es dort sieben weitere Mitglieder, sechs davon werden vom Senat ernannt. Neben dem Vorsitzenden, Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne), sind das unter anderem Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne), Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). „Die Mitglieder des Aufsichtsrats, die vom Senat eingesetzt wurden, haben von den Vorgängen keine Kenntnis gehabt“, betonte Strehl am Dienstag in der Bürgerschaft. Die Vertreterin der Arbeitnehmerseite ist von den nächsten Sitzungen ausgeschlossen.
Für die Opposition ist das keine Entschuldigung. „Sie sind Vorsitzender des Aufsichtsrats und tragen damit die Gesamtverantwortung für das, was sich da abspielt“, so Thore Schäck, baupolitischer Sprecher der FDP, die die Aktuelle Stunde angemeldet hatte. Dass ein Unternehmen wie die Brebau mit gerade einmal 128 Mitarbeiter*innen einen achtköpfigen Aufsichtsrat habe, sei ohnehin eher ungewöhnlich. „Was war das Ziel davon?“, fragt Schäck, „bessere Kontrolle? Das hat nicht funktioniert.“
Vorwürfe, die Björn Fecker (Grüne) abweist: „Der Aufsichtsrat ist eben nicht der Abteilungsleiter, sondern hat völlig andere Aufgaben“, so der Abgeordnete. „der Aufsichtsrat hat konsequent gehandelt, sobald die Vorwürfe bekannt geworden sind.“ Die Geschäftsführung wurde mittlerweile freigestellt, ein externer Ermittler eingesetzt.
Jens Eckhoff, CDU-Fraktion
Tatsächlich gehört zu den wichtigen Aufgaben eines Aufsichtsrats eher die Bilanzprüfung als das operative Geschäft – aber eben nicht ausschließlich. In Bremen gibt es den Public Corporate Governance Kodex: Aufgabe des Aufsichtsrat ist es, „die Geschäftsführung bei der Führung des Unternehmens regelmäßig zu beraten und zu überwachen“, heißt es dort. Die Vertreter der Stadt sollen sich dabei „von gesamtbremischen Interessen leiten lassen“.
Auch innerhalb der Koalition sehen das einige so. „Es kann nicht nur darum gehen, die Bilanzen zu prüfen“, sagt Cindi Tuncel (Linke). „Wir müssen uns gleichberechtigt um beides kümmern: Um die Zahlen und um die strategischen Ziele.“
Auch abseits des Aufsichtsrats hätte die Stadt tätig werden können – als Gesellschafterin des Unternehmens. „Die Gewoba hat ein Leitbild“, sagt Jens Eckhoff (CDU) und zitiert aus dem dortigen Bekenntnis zu Vielfalt. Für die Brebau so Eckhoff, wäre es eine der ersten Aufgaben der Stadt gewesen, Ähnliches festzulegen. „Die Steuerungsfunktion des Senats hat hier versagt.“
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