piwik no script img

Kein Honigschlecken

Intensive Landwirtschaft mit Monokulturen, Flurbereinigung und synthetischen Pflanzenschutzmitteln bedrohen die heimische Artenvielfalt. Höchste Zeit für effektive Schutzmaßnahmen

Von Cordula Rode

War sie früher das Symboltier für Fleiß und Zielstrebigkeit, ist die Biene in den letzten Jahren Sinnbild für etwas weit weniger Positives geworden – das Insektensterben. Kein anderes Insekt ist so eng mit dem Leben des Menschen verbunden wie die Biene. Und so war sie es auch, die die ersten unübersehbaren Warnsignale sendete.

„2008 starben mehr als zehntausend Bienenvölker im Rheinland an dem Insektengift Clothianidin“, erklärt Melanie von Orlow. Die Biologin und Biochemikerin leitet den Hymenopterendienst des Nabu Berlin. Und das war nur der Anfang: „Die Verluste der Honigbienen fielen natürlich sofort auf, weil die Im­ke­r*in­nen Alarm schlugen. Dass die Population der Wildbienen ebenso betroffen war, rückte erst später ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.“ Die Krefelder Studie, die 2017 veröffentlicht wurde, wertete die Entwicklung der Insektenbestände von 1986 bis 2016 aus und zeigte erschreckende Ergebnisse: Der Bestand der Fluginsekten nahm in dieser Zeitspanne um rund 80 Prozent ab. „Das ist ein multikausales Problem“, so Melanie von Orlow. „Der Lebensraum der Insekten ist im Laufe der Jahre immer kleiner geworden, und die Landwirtschaft mit ihren von Wildpflanzen bereinigten Flächen und dem wachsenden Einsatz von Chemikalien hat den größten Anteil an dieser Entwicklung.“

Längst ist das Problem auch in der Politik angekommen. Anfang des Jahres beschloss das Bundeskabinett auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze das „Aktionsprogramm Insektenschutz“. Die Rettung von Biotopen, die strengere Regelung von Pestizideinsätzen und die Eindämmung der Lichtverschmutzung sind wesentliche Punkte des Programms. Für Widerstand der Land­wir­t*in­nen hat die Expertin des Nabu Verständnis: „Da müssen deutlich bessere finanzielle Ausgleiche geschaffen werden“ – und ist sich sicher: „Im Endeffekt hat es der Verbraucher in der Hand.“ Der Kauf biologisch erzeugter Lebensmittel aus der Region sei der effektivste Weg, die Entwicklung zu stoppen.

Albrecht Pausch betreibt gemeinsam mit seiner Frau seit 1996 einen Bienenhof in Bayern. Auch er hat im Laufe der Jahre die Bedrohung der Bienenbestände hautnah miterlebt. Und auch er weiß um die Probleme der wildlebenden Verwandten seiner Bienen: „Die Wildbienen haben keine Lobby – sie leiden still.“ Aber das Thema Bienenschutz hat für den Sprecher des Bundesfachausschusses Imkerei des Verbandes Bioland noch eine andere Facette: „Bioland hat als erster Verband verbindliche Richtlinien für das Tierwohl speziell für Bienen aufgestellt.“ Gibt es solche Regelungen sonst nur für Wirbeltiere, regelt der neue Leitfaden nun auch den verantwortungsbewussten Umgang mit Honigbienen. „Tiere dürfen niemals auf ihren Nutzen reduziert werden“, so Albrecht Pausch. Diese Achtung vor jedem Lebewesen kommt auf seinem Hof allen Insekten zugute: Die vielfältige Flora auf seinem Anwesen nutzt Honig- und Wildbienen und vielen anderen Insekten gleichermaßen.

Bienen helfen

Für Hobbygärtner gilt das Gleiche wie für die Landwirtschaft: Keine Pestizide! Es gibt genügend umwelt- und tierfreundliche Alternativen. Der Anbau bienenfreundlicher heimischer Blüh- und Wildpflanzen im Garten oder auf dem Balkon bietet Nahrungsquellen für Bienen und andere Insekten. Wer Biolebensmittel kauft, unterstützt die Bemühungen der Biolandwirt*innen für den Erhalt der Artenvielfalt. Aber: Nicht jedes Bioprodukt aus dem Supermarkt erfüllt diese Voraussetzungen. Wichtig ist es, regionale Landwirt*innen zu unterstützen und deren saisonale Produkte zu kaufen. Für die intensive Bewässerung der Bioerdbeere zum Beispiel, die im Winter aus Spanien kommt, zahlt die Landschaft dort einen hohen Preis: Die intensive Bewässerung bei der Produktion zerstört durch das daraus folgende Absinken des Grundwasserpegels die Lebensräume vieler Tierarten. Wildbienen, die im Gegensatz zu den Honigbienen keine Staaten bilden, brauchen Nistplätze. Nicht jedes „Insektenhotel“, das im Handel angeboten wird, erfüllt dabei die Bedürfnisse der erwarteten Gäste. Nabu und BUND geben auf ihren Webseiten Tipps. Mehr Infos stehen auch hier: www.wildbienennisthilfen.de

Dass die biologische Vielfalt der Landschaft einen zentralen Stellenwert beim Erhalt der Artenvielfalt hat, ist allgemeiner Konsens der Expert*innen. Die Wiederherstellung dieser Vielfalt hat sich das Netzwerk Blühende Landschaft zum Ziel gesetzt. Das 2003 von einigen Organisationen aus Imkerei, Landwirtschaft und Naturschutz gegründete Netzwerk ist eine Initiative des Vereins Mellifera in Rosenfeld. Die Initiative hat zahlreiche namhafte Partner wie Demeter, Bioland, Ökoland und Nabu. Der Name ist dabei Programm: „Unser Ziel ist die blühende Landschaft, die auf die Bedürfnisse aller bestäubenden Insekten ausgerichtet ist“, erklärt Leon Wurtz, Agrarwissenschaftler und Biodiversitätsberater beim Netzwerk Blühende Landschaft. Für diese Mission nutzt die Vereinigung vielfältige Kanäle, von Forschungsprojekten über die Kooperation mit Unternehmen bis hin zur Beratung von Landwirt*innen.

Im Rahmen des Projektes „BienenBlütenReich“ legt die Organisation in Deutschland Lebensräume für blütenbesuchende Insekten an. „Gemeinsam planen wir die Flächen, unterstützen bei Bedarf mit Saatgut und begleiten bei der Öffentlichkeitsarbeit“, so Wurtz. Anfragen für die Anlage solcher Blühflächen kommen aus unterschiedlichen Bereichen: „Kommunen, Firmen, Bauhöfe, Landwirte, Privatpersonen – das Interesse aus nahezu allen Bereichen ist groß.“ Diese Nachfrage zeigt, dass die Bedeutung des Artenrückgangs im öffentlichen Bewusstsein ankommt.

www.bluehende-landschaft.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen