Programmhefte in der Fußball-Bundesliga: Meister Petz und Schalker im Iran
Die Stadionmagazine werden immer dünner oder verschwinden ganz. Nur selten liefern die echte News, fast immer aber Abseitiges.
S tadionmagazine gibt es noch? Das mag sich manch Fußballanhänger beim Durchstöbern der Sportmeldungen vor zwei Wochen gedacht haben. Was Dirk Zingler, der Präsident des 1. FC Union Berlin, ins Stadionheft des Köpenicker Bundesligavereins zum Heimspiel gegen Werder Bremen geschrieben hat, ist über die Ticker der Nachrichtenagenturen verbreitet worden. „Die hochgezüchteten Fußballmonster, die nur mit 3,5 Milliarden Euro aus einer Super League zu retten sind, müssen sterben, bevor sie den schönsten Sport der Welt vollends verschlingen“, hieß es in Zinglers Text.
Ein für ein Stadionmagazin außergewöhnlicher Text, so außergewöhnlich wie das Heimspielmagazin der Unioner überhaupt. 80 Seiten werden von einer Gruppe von Union-Anhängern zu jedem Heimspiel gestaltet. Dass keine PR-Agentur für das Heft verantwortlich ist, darauf machen die Macher des Heftes immer wieder aufmerksam.
1,99 Euro kostet der Download des Programmhefts zu den Geisterheimspielen von Union. In Fanshops ist es auch als Druckausgabe zu haben. Solche umfangreichen Druckerzeugnisse sind selten geworden. Bei Hertha BSC ist das Stadionmagazin Wir Herthaner zu einem zehnseitigen Faltblatt zusammengeschrumpft, in dem so wunderbar überflüssige Sätze stehen wie „Wir begrüßen euch alle herzlich zu unserem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach – zwar leider immer noch nicht gemeinsam im Stadion, dennoch vor den Empfangsgeräten vereint.“
Wie viele Personen aus wie vielen Haushalten mit Kindern unter oder über 14 Jahren sich vor einem Empfangsgerät vereinen dürfen, können die Fans der Berliner der jeweils aktuellen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung entnehmen. Dazu kann man sich den Herthaner ja dann als PDF auf sein mobiles Fernsprechgerät herunterladen.
Heikle Bärenfrage
Das können auch die Anhänger von Arminia Bielefled. Halb Vier heißt da das Programmheft. Über Berlin gab es darin neulich zu lesen: „Viele sind sich sicher: Berlin kommt von Bär. Daher ziert Meister Petz auch Stadtwappen und die Straßen der Hauptstadt. Doch stimmt das wirklich?“ Dafür dass die Bielefelder das Berliner Wappentier mit dem Ausdruck „Meister Petz“ umschrieben haben, gebührt ihnen jedenfalls mindestens eine Ehrennadel der selbst ernannten Zungenbewahrer vom Verein Deutsche Sprache.
Etliche einst weit verbreitete Stadionhefte sind mittlerweile den Vereinsmitgliedern vorbehalten. Aus Programmheften sind Mitgliedermagazine geworden. Das ist beim FC Bayern München nicht anders als bei Schalke 04. Wer im Schalker Kreisel über die „S04-Begeisterung“ im Iran lesen möchte, die immer noch hoch sei „trotz reichlich Sand im Sportgetriebe“, kann das für einen Jahresbeitrag zwischen 3 und 50 Euro.
Das Editorial zur jüngsten Ausgabe gibt’s für alle umsonst die sich die Kreisel-App installieren. Dort findet sich die wunderbare Passage. „Kurz vor Deadline ist auch die Bundesliga-Frist für den FC Schalke 04 endgültig abgelaufen. Die Überraschung mag sich in Grenzen halten, doch irgendwann fehlen auch uns einmal die Worte.“ Schade eigentlich.
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