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Bröckelnde Pandemie-DisziplinAufsteiger müsste man sein

Alexander Diehl
Essay von Alexander Diehl

Lange hatte man mitwirken wollen an der Pandemieeindämmung. Aber das fällt zunehmend schwer angesichts mancher erfolgreich Lobbyarbeitenden.

Falsche Spielklasse: Hamburger Polizisten sprechen ein Paar auf fehlenden Mund-Nasen-Schutz an Foto: Markus Scholz/dpa

H aben Sie es auch bemerkt? Dieses allmähliche Nachgeben, dieses Bröckeln der Motivation, der nämlich, mitzuwirken an der Pandemieeindämmung? Man war ja nun wirklich keiner dieser Aus-Prinzip-dagegen-Seienden, die allesamt 1989 schon mal ein Regime wegdemonstriert haben wollen. Fiel auch nicht rein auf abgehalfterte Kinderärzte oder „führende Aerosolforscher“ mit ihren längst nicht immer auf Fakten fußenden abweichenden Sichtweisen.

Nein, man fühlte sich vertrauensvoll gut aufgehoben in den – mutmaßlich so trockenen wie kühlen – Händen der Na­tur­wis­sen­schaft­le­r*in­nen in charge, denen der Doctores Merkel und Tschentscher: dieses Unaufgeregte, während allerorten die Provinzfürsten um die Wette krawallten.

Gut – das mit der Ausgangssperre, die in Hamburg noch etwas strenger ausfiel als in weniger von befreiender Stadtluft durchwehten Landstrichen, das war schwierig. Hatte sich das Rathaus da nicht ein wenig verrannt? Gibt es wirklich so einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Unterbinden nächtlicher Spaziergänge und der sinkenden Inzidenz? Oder war da nicht doch eine einzelne, leicht zu verstehende Maßnahme ergriffen worden – in der trügerischen Hoffnung auf Effekte, zu denen nur ein gut abgestimmtes Bündel führt?

Alles wieder vorbei

Alles halb so wild, mag man­che*r einwenden: Ist ja wieder vorbei. An der Alster haben sie sogar schon die paar nicht ohnehin demolierten Maskenpflichthinweisschilder eingesammelt. Dass Abstandsregeln weiter gelten und Versammlungsrecht immer noch recht lapidar ausgehebelt wird? Nun gut, das wurmt schon; ist halt so die Kategorie von Rechten, an denen der Staat dann rühren darf, wenn er das Seine getan hat. Aber hat er das wirklich – Stichwort: Impfen?

Wie gesagt: Man war ja besten Willens, immer noch. Aber so eine Nachricht? „Im Saisonendspurt um einen der beiden begehrten Aufstiegsplätze in die Handball-Bundesliga kann das Heimspiel des HSV Hamburg am 28. Mai gegen Eisenach in der Barclaycard Arena vor 1.000 Zuschauern stattfinden.“

Und das ärgert dann doch: Dass die Vernunft der Verantwortlichen oft nur reicht, bis sie gegen das nächste hinreichend mit guten Drähten ausgestattete Interessengrüppchen stößt – und sei es eines, das seine Wünsche mit der Druckluftfanfare äußert.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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4 Kommentare

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  • Danke für diesen Text. Ich als Nicht-Fußball-Fan frage mich schon lange, wie es überhaupt sein kann, dass die Fußballspiele - ob mit oder ohne Zuschauer - weiter stattfinden durften, während rundherum alles andere, auch Kultur und Sport, komplett stillstand.

  • "Gibt es wirklich so einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Unterbinden nächtlicher Spaziergänge und der sinkenden Inzidenz? "

    Bis hier hin hab ich gelesen und abgebrochen. Dieses ständige Polemik geht mir auf die Nerven. Nachts spazieren, das neue Hobby der Deutschen, plötzlich als man es nicht mehr durfte.



    Um spazieren geht es bei der Ausgangssperre sicherlich nicht.

  • Naja. Dafür sind dann die MeinungsMacherMaschinen. Denn: stellen Sie sich vor, es ist Lockerung und keine*r geht hin.

    Storymachine hilf!

    (Manchmal frage ich mich ob Jebsen und Vegankoch nicht eine Erfindung... Ist Ihnen schon aufgefallen, dass letzterer plötzlich verschwunden... Ich hör' ja schon auf ;-)

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Ach so, wenn das nun wie im brennglas betrachtet wird, zeigt sich inwiefern die Verflechtungen zwischen Unternehmen und Abgeordneten des Öfteren den Bürger mehr in die Mangel nehmen als es möglich sein sollte