Ergebnisse des Hightech-Forums: Eine Glasphiole für die Menschheit
Seine Empfehlungen an die Bundesregierung konnte das Hightech-Forum nur digital präsentieren. Ministerin Karliczek sagte kurzfristig ab.
Damit wurde eine der Empfehlungen zugleich plastisch gemacht: Bei der Digitalisierung auch auf biologische Informationsträger zu setzen, weil sie ungleich länger haltbar sind als die Speichermedien der heutigen IT-Welt.
Inhaltlich lohnt der 28-seitige Abschlussreport indes keine lange Aufbewahrung. Gemäß der postulierten stärkeren Orientierung auf Prozesse der Nachhaltigkeit, vor allem in der Wirtschaft, recycelte das Beratungsgremium auch viele seiner eigenen Empfehlungen aus der Vorläuferrunde 2017. Besonders beliebt ist das Mantra, den Transfer zwischen wissenschaftlichen Labors und wirtschaftlicher Praxis endlich zu verbessern. Innovativ sind hier weniger die Lösungen als vielmehr die Semantik, ein altes Problem in neue Worte zu kleiden.
So stellte die Potsdamer Entrepreneurship-Forscherin Katharina Hölzle den Vorschlag des Hightech-Forums zu einer „Initiative für Transferfreiheit“ vor. So solle die Förderung von wissensintensiven Gründungen aus den Hochschulen einen Schub bekommen. „Damit aus hochklassigen Ideen echte Innovationen werden, braucht es Anreize und ermutigende Rahmenbedingungen für Ausgründungen sowie mehr Anerkennung für anwendungsnahe Forschung“, so die Professorin am Hasso-Plattner-Institut, das seine Existenz den Stiftungsmillionen eines erfolgreichen Softwaregründers verdankt.
Liveschalte im Wedding
Neue Wege beschritten die Innovationsexperten indes mit der Präsentation ihrer Empfehlung. Da coronabedingt keine Realkonferenz infrage kam, wurde aus einem Fernsehstudio auf dem alten AEG-Gelände in Wedding eine dreistündige Videoübertragung „im temporeichen TV-Magazin-Stil“ konzipiert – mit Liveschaltungen zu Innovationsstandorten und Showcases zu Zukunftstechnologien, moderiert von dem Youtube-Erklärer „MrWissen2Go“ Mirko Drotschmann. Gut 1.000 Zuschauer in der Spitze wurden bei der Liveperformance gemessen.
Eine Schalte zum Thema „Lokale Initiativen und Co-Kreation“ ging ins Bergische Land nach NRW. Um Innovationen auf der kommunalen Ebene zu erproben, empfahl der Wuppertaler Oberbürgermeister und vormalige Transformationsforscher Uwe Schneidewind die Einrichtung sogenannter Reallabore. In Wuppertal sei dies unter dem Namen „Utopiastadt“ in einem stillgelegten Bahnhof geschehen. „Wir müssen Räume schaffen, die Lust darauf machen, sich am Wandel zu beteiligen“, sagte Schneidewind.
Als weiterer Ansatz im Beteiligungsformat wurde der „Impact Hub Hamburg“ vorgestellt. Aus einem Büro heraus – quasi einem Wissenschaftsladen neuen Typs – werden Innovatoren und „Macher von morgen“ dabei unterstützt, ihre Ideen zu gesellschaftlicher Teilhabe, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl in Geschäftsmodelle zu überführen.
„Als Teil des Global Impact Networks werden von Hamburg aus Innovationen für die Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit geschaffen“, berichtete die Gruppe. Die Community besteht inzwischen aus mehr als 50 Gleichgesinnten, die an der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele arbeiten.
Nur eine wichtige Person fehlte. Für Bundesforschungsministerin Anja Karliczek setzte sich ihre Innovationspechsträhne fort. Nachdem sie in der Vorwoche zweimal die Teilnahme an ihrer zentralen Kampagne „Innovationsland Deutschland“ kurzfristig absagen musste, wurde nach der CDU-Abgeordneten diesmal im Bundestag verlangt: namentliche Abstimmung über das verschärfte Infektionsschutzgesetz. So durfte der Co-Vorsitzende des Hightechforums, Staatssekretär Christian Luft, das Empfehlungsröhrchen an den offiziellen Vertreter der Ministerin überreichen: ihn selbst.
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