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Klimaneutralität im Jahr 2050EU einigt sich auf Klimagesetz

Bis 2030 will die EU ihren CO2-Ausstoß um 55 Prozent senken. Dem Beschluss voran gingen harte Verhandlungen zwischen EU-Staaten und Europaparlament.

Nach 14-stündigen Verhandlungen stand das Zwischenziel für 2030 fest Foto: Eric Lalmand/picture alliance/dpa/BELGA

Brüssel afp | In nächtlichen Verhandlungen haben sich die EU-Staaten und das Europaparlament auf ein verbindliches Gesetz für Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 geeinigt.

Wie die EU-Kommission am Mittwochmorgen mitteilte, wurde dabei als Zwischenziel eine CO2-Reduzierung bis zum Jahr 2030 um netto mindestens 55 Prozent vereinbart. Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans erklärte, damit sende die EU vor dem von US-Präsident Joe Biden einberufenen internationalen Klimagipfel „ein starkes Signal an die Welt“.

In dem Klimagesetz wird festgeschrieben werden, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird – also weniger Treibhausgase ausstößt, als sie anderweitig kompensiert. Die Vereinbarung setze die EU für eine Generation „auf einen grünen Weg“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Es ist unser verbindliches Versprechen an unsere Kinder und Enkelkinder.“

Hart umstritten war in den 14-stündigen Verhandlungen seit Dienstagnachmittag das Zwischenziel für das Jahr 2030. Es stand bisher bei einer Treibhausgasreduzierung um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990, was für Klimaneutralität im Jahr 2050 nicht ausreichte. Die EU-Staaten hatten eine Erhöhung auf mindestens 55 Prozent angeboten, das Europaparlament wollte 60 Prozent durchsetzen.

Einigungsdruck durch den US-Klimagipfel

Die sozialdemokratische Berichterstatterin des Parlaments, Jytte Guteland, nannte die Einigung einen „ersten guten Schritt hin zur Klimaneutralität“.

Der deutsche CDU-Abgeordnete Peter Liese sprach von einer „historischen Einigung“. Wenn alles gut laufe, sei durchaus denkbar, dass das Ziel für 2030 „übererfüllt“ werde und am Ende „netto 57 Prozent“ Reduzierung stehen würden.

Kritik kam von den Grünen. Der Europaabgeordnete Michael Bloss erklärte, tatsächlich entspreche die Einigung nur einer Reduzierung um 52,8 Prozent. Dies sei nicht genug, um die Klimakrise zu bekämpfen und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Was Bloss damit meint: Das 55-Prozent-Ziel ist auf Wunsch der Mitgliedsstaaten „netto“ angesetzt. Das heißt, dass die Kompensation von CO2-Emissionen durch Aufforstung und ähnliche Instrumente auf das Reduktionsziel angerechnet werden dürfen, was ein paar Prozentpunkte ausmacht.

Liese zufolge wurde diese Möglichkeit auf 225 Millionen Tonnen begrenzt. Die EU-Kommission sei aber aufgefordert worden, alles zu tun, um das Potenzial dieser sogenannten Senken deutlich über diesen Wert hinaus zu steigern.

Der EU-Kommission zufolge wurde auch vereinbart, einen Prozess für ein Klimazwischenziel für das Jahr 2040 in Gang zu setzen. Nach 2050 sollten die Emissionen der EU dann „negativ“ sein – also mehr CO2 aus der Atmosphäre entfernt als ausgestoßen werden. Geplant sei zudem, einen europäischen wissenschaftlichen Beirat zum Klimawandel einzurichten.

Mit Blick auf den internationalen Klimagipfel, zu dem US-Präsident Biden für Donnerstag geladen hat, standen die Europäer in den Verhandlungen unter massivem Einigungsdruck. Timmermans erklärte, die EU könne nun mit einer „positiven Nachricht an den Verhandlungstisch kommen“. Der CDU-Politiker Liese betonte, mit ihrem Klimaschutzgesetz sei die EU jetzt „in jedem Fall ambitionierter als die USA“.

Die Einigung vom Mittwoch muss nochmals formal durch das Europaparlament und die Mitgliedstaaten bestätigt werden. Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt würde das europäische Klimagesetz dann in Kraft treten.

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2 Kommentare

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  • Über diese Heuchelei kann ich eigentlich nur noch weinen. Es bringt gar nichts, in der EU die Emissionen auf dem Papier dadurch zu senken, dass man das Problem auf die andere Seite des Globus verschiebt. Das Klima macht vor Staats- und Ideologiegrenzen nicht Halt.

    Mit den Finger wird gerne auf China gezeigt: Was die für klimaschädliche Emissionen haben! Pfui bah! Wir sind viel sauberer!

    Aber warum? Weil wir klimabewegten Europäer unsere Dreckschleudern an Ostasien outgesourct haben. Wer kauft denn den ganzen Plastik-, Textil- und Elektrokram, der in Süd/Ostasien unter für Europäer unzumutbaren Bedingungen hergestelt wird? Wo werden die Chips für unsere "saubere" Digitalisierung gebaut? Wo unsere Solarzellen? Wer verkauft uns Stahl aus kohlestrombetriebenen Stahlwerken? Wieviele Tonnen landwirtschaftliche Produkte aus pestizidverseuchten Monokulturen werden für unsere Lebensmittelindustrie aus China importiert?



    Gibt es dazu eigentlich Statistiken?

    Globale Schäden (Müll, Klimawandel, Raubbau, Verteilungskonflikte, , Armut usw.) lassen sich nur global vermeiden oder beheben.

    Klimaschäden, die wegen der EU-Wirtschaften am anderen Ende des Globus entstehen (und nicht dort eingegrenzt bleiben!), müssten hierzulande mit eingepreist werden. Dann sähe die CO2-Bilanz nicht mehr so schön aus. Ganz schön scheinheilig, diese Selbstbeweihräucherung, finde ich.

    Nur wenn über Ideologie-Grenzen hinweg alle Nationen an einem Strang ziehen, besteht vielleicht etwas Hoffnung. Ich habe da aber meine Zweifel.

  • "Der CDU-Politiker Liese betonte, mit seinem Klimaschutzgesetz sei die EU jetzt „in jedem Fall ambitionierter als die USA“."

    globale öffentliche güter,kann man am besten global schützen.auf europäischer ebene geht es leichter als auf nationalstaatlicher ebene ,weil die standortkonkurrenz bei entfällt,aber auch noch nicht leicht genug.solange es sich für irgendeinen staat lohnt beim klimaschutz weniger ambitionierter zu sein als andere staaten verhindert die standortkonkurrenz einen effizienten klimaschutz

    auch für einen sozial gerechten klimaschutz braucht man die zentralisierung der entscheidungsfindung-denn umverteilung wird wie alles was sich nur gegen den markt und nur durch zwang durchsetzen lässt verunmöglicht wenn es standortkonkurrenz um kapital arbeit und steuereinnahmen gibt

    obwohl eine globale parlamentarische demokratie wie jeder parlamentarismus eine defiziente demokratie wäre wäre doch auch eine solche besser als der aktuelle status quo in dem die notwendigen entscheidungen zum schutz der globalen öffentlichen güter nicht getroffen werden können

    das eu parlament hat einen sitz zuviel .den in strasbourg- es könnte den gebäudekomplex der uno schenken .globale wahlen für ein für globalen klimaschutz zuständiges politikfeldparlament zu organisieren und zu finanzieren ist nicht allzuteuer.gäbe es den politischen willen dazu so wäre dass im laufe eines jahres möglich